Pneumonie bei Immunsuppression – häufig und komplex
Autor:
Prof. Dr. med. Martin Kolditz
Stv. Bereichsleiter Pneumologie
Medizinische Klinik 1
Uniklinikum Dresden
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Bis zu einem Viertel aller stationär behandelten Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie (CAP) weisen eine schwere Immunsuppression auf. Die schwere Immunsuppression bei CAP ist mit einem Risiko für Infektionen mit seltenen, teils opportunistischen Erregern und einer schlechteren Prognose assoziiert. Daher sind differenzierte Management-Algorithmen erforderlich, welche sich von denen bei Immunkompetenz unterscheiden. Bisher existieren kaum evidenzbasierte Empfehlungen, die Schaffung einer breiteren Evidenzbasis ist daher eine zentrale Aufgabe.
Keypoints
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Eher großzügige Krankenhausaufnahme
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Bildgebung primär mittels CT-Thorax
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Umfangreiche mikrobiologische Diagnostik mit dem Ziel Erreger-gerichteter Therapie
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Bronchoskopie nach individualisierter Nutzen-Risiko-Abwägung
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Empirische Antibiotikatherapie auf der Basis der Empfehlung bei CAP, ggf. individuell erweitert um opportunistische Erreger nach Pneumonie-Schweregrad, Art des Immundefekts, Infiltratcharakter im CT sowie Vortherapie bzw. Prophylaxe
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Schaffung einer breiteren Evidenzbasis durch Studieneinschluss
Epidemiologie und Bedeutung
In Deutschland wurden bereits vor der SARS-CoV-2-Pandemie jährlich ca. 290000 Patienten wegen einer CAP hospitalisiert, ihre Krankenhausletalität war mit 13% über die letzten Jahre unverändert hoch. Die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie hat die klinische Relevanz infektiöser Lungenerkrankungen zusätzlich leidvoll verdeutlicht.
Immunsupprimierende Erkrankungen oder Medikationen sind ein bekannter Risikofaktor für Inzidenz und Schweregrad von Lungeninfektionen. Sie führen in Abhängigkeit von der Art des Immundefektes ausserdem zur erhöhten Wahrscheinlichkeit des Auftretens seltener oder opportunistischer Infekte. So wurden in einer aktuellen Studie am Uniklinikum Dresden bei >50% der Patienten mit CAP und schwerer Immunsuppression (IS) Erreger identifiziert, welche von aktuellen Leitlinienempfehlungen zur empirischen Therapie bei CAP nicht erfasst worden wären.1 Auch bei einer SARS-CoV-2-Infektion wurde die IS wiederholt mit einer ungünstigeren Prognose sowie einer prolongierten Viruspersistenz assoziiert.2,3 Darüber hinaus wirken die bei Patienten ohne IS eindrucksvoll effektiven Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 bei solchen mit schwerer IS wahrscheinlich nur eingeschränkt: So waren in einer aktuellen Studie an 658 Patienten nach Organtransplantation 14 Tage nach zweimaliger Impfung mit einem mRNA-Impfstoff nur bei 54% Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisbar.4
Dabei ist das Auftreten einer schweren IS bei CAP heute kein seltenes Ereignis mehr: In einer aktuellen weltweiten Prävalenzstudie zeigten 18% aller Patienten mit CAP eine IS.5 Nach eigenen Daten sind diese Patienten an einem Maximalversorger wie dem Uniklinikum Dresden noch etwas häufiger und machen etwa 25% aller Patienten mit CAP aus. Der medizinische Fortschritt, neue Therapiemöglichkeiten und die demografische Entwicklung führen sicher in naher Zukunft zu einer weiteren Zunahme. Dennoch existieren für diese grosse Patientengruppe bisher kaum evidenzbasierte Managementempfehlungen, sie werden von nationalen und internationalen Leitlinien zur CAP derzeit explizit ausgeschlossen.6,7 Ferner sind für die Vielzahl neuer antineoplastischer oder immunmodulierender Therapien ihr genaues immunsupprimierendes Potenzial und das damit assoziierte Risiko seltener Infektionen nur unzureichend bekannt.
Definition der Immunsuppression bei CAP
Aus klinischer Sicht wird eine schwere IS bei CAP durch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten seltener oder opportunistischer Infektionserreger definiert, welches ein differenzielles diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bedingt. Komorbiditäten, die mit einer erhöhten Prävalenz oder einer schlechteren Prognose, jedoch nicht mit einem opportunistischen Erregerspektrum assoziiert sind, wie Nephro- und Hepatopathien, Diabetes mellitus, strukturelle Lungenerkrankungen oder Tumorerkrankungen ohne systemische antineoplastische Therapie, folgen dagegen im Management den Leitlinien bei CAP und erfüllen somit nicht die Definition der schweren IS. Sie sollten jedoch Anlass zu einer Intensivierung von Präventionsmassnahmen wie z.B. Impfungen geben.
Eine allgemein akzeptierte Definition der schweren IS bei CAP existiert bisher nicht. Tabelle 1 beinhaltet in Anlehnung an ein internationales Konsensuspapier8 typische Konditionen, welche mit einem vermehrten Auftreten seltener Erreger bei CAP assoziiert sind.
Tab. 1: Definitionsvorschlag Immunsuppression bei CAP (modifiziert nach Ramirez et al. 2020)8
Aktuelle Managementoptionen
Risikoevaluation
Initial steht eine Risikoevaluation im Vordergrund, welche
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die Definition des individuellen Therapieziels vor dem Hintergrund von Patientenwillen und Prognose der Grunderkrankung,
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eine individuelle Schweregradeinschätzung der Pneumonie sowie der zugrunde liegenden Erkrankung und
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die Einordnung des Immundefekts und des davon ableitbaren Erregerspektrums umfassen sollte.
Hiernach wird die weitere diagnostische und therapeutische Strategie modifiziert.
Zur Schweregradeinschätzung der CAP bei IS existieren aktuell keine evidenzbasierten Empfehlungen. Im Zentrum steht dieEvaluation der akuten pulmonalen und extrapulmonalen Organdysfunktion in Analogie zur Risikostratifikation bei CAP ohne IS.6 Etablierte CAP-Schweregradscores wie der CRB-65 oder der qSOFA haben jedoch bei IS einen unzureichenden negativ prädiktiven Wert zum Ausschluss von Komplikationen,1 sodass im Zweifel eine stationäre Evaluation bis zum dokumentierten Therapieansprechen gerechtfertigt ist. Bei schwerer CAP mit IS und akuter respiratorischer Insuffizienz auf der Intensivstation (IPS) wurden als prognostisch ungünstige Faktoren der Schweregrad der pulmonalen (Oxygenierungsindex) sowie extrapulmonalen (SOFA) Organdysfunktion sowie das Vorliegen einer Pneumocystis- bzw. Aspergillus-Infektion oder einer fehlenden ätiologischen Zuordnung identifiziert.9
Aus der Art des Immundefekts sowie evtl. bestehender medikamentöser Prophylaxen können erste Rückschlüsse auf das über die Standarderreger bei CAP hinausgehende mögliche Erregerspektrum gezogen werden. So stehen bei Neutropenie zusätzlich mykotische Infektionen wie Aspergillosen im Vordergrund, bei T-zellulären Defekten muss dagegen auch an Pneumocystis, Mykobakterien oder Viren gedacht werden.
Diagnostische Strategie
Bei CAP und schwerer IS sollte als Bildgebung primär eine Thorax-CT erfolgen, da sie sensitiver als das Röntgenbild ist und spezifische Muster z.B. bei Aspergillus-, Pneumocystis- oder Mykobakterieninfektion zeigen kann (Abb. 1).
Abb. 1: a) Thorax-CT mit Milchglasinfiltraten bei Pneumonie durch Pneumocystis jirovecii b) Thorax-CT mit nodulärem Infiltrat mit angedeutetem Halo- sowie «Air crescent»-Zeichen bei Aspergillose (mit freundlicher Genehmigung von: Institut und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Dresden)
Die mikrobiologische Diagnostik sollte an das individuelle Risiko adaptiert, über die bei CAP empfohlenen Massnahmen hinausgehen und je nach Risiko mykotische (inkl. Pneumocystis und Aspergillus), virale oder multiresistente bakterielle Erreger einschliessen. Hierzu können die Bestimmung des Aspergillus-Antigens im Serum, die CMV-PCR im Blut sowie eine (Multiplex-)PCR auf respiratorische Viren aus dem Nasopharyngealabstrich gehören. Bei schwerer IS muss die Indikation zur Bronchoskopie in Abhängigkeit vom individuellen Nutzen-Risiko-Verhältnis geprüft werden.
In einer multizentrischen Studie bei 618 Patienten mit IS und akuter respiratorischer Insuffizienz auf der IPS führte die Bronchoskopie in 38% der Fälle zu einer Therapiemodifikation, war aber retrospektiv in der multivariablen Analyse auch mit einem um 41% erhöhten Letalitätsrisiko assoziiert.10 Die Ursache für diese Assoziation ist unklar. Da die Bronchoskopie nur in 11% der Fälle eine Verschlechterung der Oxygenierung nach sich zog und überwiegend bei bereits intubierten Patienten erfolgte, ist auch ein Bias durch Indikationsstellung bei Patienten mit prognostisch ungünstigen Erregern oder unklarer Differenzialdiagnose möglich. Dennoch muss einer Bronchoskopie bei Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz im Rahmen der CAP bei IS eine sorgfältige Abwägung des individuellen Risikos gegen den Nutzen in Bezug eine erwartete Managementmodifikation vorausgehen. Nicht vergessen werden darf die breite Differenzialdiagnose nicht infektiöser Infiltrate bei den oft komplex vorerkrankten Patienten, welche z.B. therapieassoziierte toxische oder inflammatorische Lungenerkrankungen, akute oder chronische Abstossungsreaktionen oder pulmonale Mitbeteiligungen im Rahmen der Grunderkrankung einschliessen.
Therapeutische Strategie
Die Therapie erfolgt initial in der Regel empirisch und richtet sich nach dem Schweregrad der CAP sowie dem individuellen Risiko für über das normale Spektrum der CAP hinausgehende Erreger, wie multiresistente gramnegative oder grampositive Bakterien inkl. Pseudomonas aeruginosa, Nocardien, Mykobakterien, respiratorische Viren sowie CMV, HSV und VZV, und Pilzinfektionen, insbesondere Pneumocystis jirovecii oder Aspergillus spp.8
Als Grundlage der antibiotischen Therapie dient analog zur Therapieempfehlung bei CAP ohne IS in der Regel ein parenterales Breitspektrum-Betalaktam. Eine empirische Erweiterung des abgedeckten Erregerspektrums kann nach den Befunden der initialen Diagnostik (CT-Morphologie der Infiltrate, bereits vorliegende Mikrobiologie, Art des Immundefekts, medikamentöse Vortherapie oder Prophylaxe) erfolgen. Spezifische Empfehlungen auf der Basis klinischer Risikofaktoren gibt ein 2020 publiziertes internationales Konsensusstatement zur CAP bei IS.8 Generell gilt auch bei IS der Grundsatz, dass bei schwerer Pneumonie nach Abnahme der Proben zur mikrobiologischen Erstdiagnostik aus prognostischen Gründen initial eine breite empirische Therapiestrategie mit dem Ziel einer nachfolgenden Deeskalation oder Fokussierung erfolgen sollte, bei leichter Pneumonie dagegen Befunde der erweiterten Diagnostik eher abgewartet werden können. Bei gesichertem oder wahrscheinlichem Erreger wird auf eine Vielzahl spezifischer Empfehlungen, wie z.B. zur Therapie von Aspergillusinfektionen verwiesen.11
Wo immer möglich, sollte auch eine Korrektur des zugrunde liegenden Immundefekts angestrebt werden, zum Beispiel durch Substitution von Immunglobulinen bei nachgewiesenem Mangel, Initiierung einer antiretroviralen Therapie bei HIV-Infektion oder Reduktion bzw. Aussetzen einer immunsuppressiven Medikation.
Mehr Studiendaten
Zukünftig erforderlich ist die Schaffung einer breiteren Evidenzbasis zur CAP bei schwerer Immunsuppression, um evidenzbasierte Managementempfehlungen generell und für einzelne Subgruppen zu ermöglichen. Ein erster wichtiger Schritt hierzu ist die Erweiterung der grossen europäischen CAPNETZ-Studienkohorte um Patienten mit CAP und schwerer IS, welche seit 2020 erfolgt ist.
Literatur:
1 Frantz S et al.: Limited prognostic accuracy of the CRB-65 and qSOFA in patients presenting with pneumonia and immunosuppression. Eur J Intern Med 2020; 81: 71-7 2 Williamson EJ et al.: Factors associated with COVID-19-related death using OpenSAFELY. Nature 2020; 584: 430-6 3 Aydillo T et al. Shedding of viable SARS-CoV-2 after immunosuppressive therapy for cancer. N Engl J Med 2020; 383: 2586-8 4 Boyarsky BJ et al.: Antibody response to 2-dose SARS-CoV-2 mRNA vaccine series in solid organ transplant recipients. JAMA 2021; 325: 2204-06 5 Di Pasquale MF et al.: Prevalence and etiology of community-acquired pneumonia in immunocompromised patients. Clin Infect Dis 2019; 68: 1482-93 6 Ewig S et al.: Management of adult community-acquired pneumonia and prevention – update 2016. Pneumologie 2016; 70: 151-200 7 Metlay JP et al.: Diagnosis and treatment of adults with community-acquired pneumonia. An official clinical practice guideline of the American Thoracic Society and Infectious Diseases Society of America. Am J Respir Crit Care Med 2019; 200: e45-e6 8 Ramirez JA et al. Management of community-acquired pneumonia in immunocompromised adults: a consensus Statement regarding initial strategies. Chest 2020; 158: 1896-11 9 Azoulay E et al.: Acute hypoxemic respiratory failure in immunocompromised patients: the Efraim multinational prospective cohort study. Intensive Care Med 2017; 43: 1808-19 10 Bauer PR et al. Diagnosis and outcome of acute respiratory failure in immunocompromised patients after bronchoscopy. Eur Respir J 2019; 54: 1802442 11 Ullmann AJ et al.: Diagnosis and management of Aspergillus diseases: executive summary of the 2017 ESCMID-ECMM-ERS guideline. Clin Microbiol Infect 2018; 24(Suppl 1): e1-e38
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