Praxis-verändernde Therapieoptionen und interventionelle Behandlungsmethoden
Das Interview führte Dr. Katrin Spiesberger
Bericht:
Dr. rer. nat. Torsten U. Banisch
Medizinjournalist
Unser Gesprächspartner:
Prof. Dr. med. et MHBA Daniel Franzen
Departementsvorsteher Innere Medizin, Chefarzt Innere Medizin, Co-Chefarzt Pneumologie
Spital Uster, Schweiz
E-Mail: Daniel.Franzen@spitaluster.ch
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Der Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) fand vom 7. bis 11. September 2024 in Wien statt. Im Interview gibt Prof. Dr. med. et MHBA Daniel Franzen, Uster, einen Einblick in seine persönlichen Kongress-Highlights.
Herr Prof. Franzen, als Chefarzt Innere Medizin und Co-Chefarzt in der Pneumologie, was waren Ihre persönlichen Highlights vom ERS-Kongress 2024?
D. Franzen: Wien per se ist natürlich ein Highlight, abgesehen davon war es auch ein extrem gut organisiertes und besuchtes Meeting. Gerade die neuen Studien zu den Biologika bei COPD waren hochinteressant. Intensiv diskutiert wurden die Positivtrials NOTUS mit Dupilumab und ABRA mit Benralizumab. Nun warten wir gespannt auf die Ergebnisse laufender Studien mit Biologika bei COPD, wie SUMMER und ISS mit Mepolizumab, RESOLUTE mit Benralizumab, UPSTREAM-COPD mit Tezepelumab und AERIFY für Itepekimumab.
Hervorzuheben sind auch die Daten zu Ensifentrin, einem neuen, selektiven dualen Inhibitor der Phosphodiesterase 3 und 4 (PDE-3/4-I). Der Einsatz dieser Substanzklasse führt zu einer Anhäufung von cAMP in Epithel-, glatten Muskel- und Entzündungszellen der Lunge, was zu einer nichtsteroidalen entzündungshemmenden Wirkung und zu bronchienerweiternden Effekten führt. Dies wurde in den ENHANCE-1- und -2-Studien deutlich demonstriert, welche die Wirkung von Ensifentrin an Patient:innen mit moderater bis schwerer COPD untersuchten und eine Verbesserung der Lungenfunktion und eine Reduktion von Exazerbationen ermittelten.
Wie sehen Sie die Chancen, dass die neuen Therapien auch Einzug in die Praxis finden und diese vielleicht nachhaltig verändern?
D. Franzen: Ich denke schon, dass einige der Therapien dieses Potenzial haben. Wie bei allen Therapien kommt es grundlegend auf eine gute Patient:innenselektion an. Gerade Patient:innen mit eosinophiler COPD oder Asthma-COPD-Koexistenz können von diesen neuen Therapieformen sehr profitieren. Sollte eine reine COPD oder Eosinophilie vorliegen oder die Patient:innen noch rauchen, bringen diese Ansätze natürlich nichts. Aber ich habe schon sehr gute Erfahrungen gemacht, wenn man die richtigen Patient:innen behandelt. Ich bin mir sicher, dass sich diese Neuerungen in Zukunft in der Praxis durchsetzen, besonders bei Patient:innen mit eosinophiler COPD, bei denen ein Asthma möglicherweise in der Pathogenese mitschwingt.
Ein weiteres, oft diskutiertes Thema war ein möglicher Zusammenhang von COPD und kardiovaskulären Ereignissen – wie schätzen Sie diesen ein?
D. Franzen: In der Tat verdichten sich die Hinweise, dass es einen starken Zusammenhang zwischen COPD und der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität gibt. So weiss man, dass Exazerbationen sowohl das Risiko für pulmonale wie auch für kardiovaskuläre Sterbefälle erhöhen. Nachweislich treten innerhalb von 30 Tagen nach einer Exazerbation vermehrt Herzinfarkte oder Schlaganfälle auf. Einen Hinweis dafür lieferten Studien, die eine Lungenvolumenreduktion mittels Flow-mediierter Dilatation (FMD) untersuchten. Diese Methode misst den Härtegrad der Brachialarterien, wobei ein härteres Gefäss auf eine Arteriosklerose hindeutet. Die FMD-Werte könnten also als Surrogatmarker angesehen werden.
In einer Studie, die von meiner Arbeitsgruppe vorgestellt wurde, war die FMD vor und 6 Wochen nach einer Lungenvolumenreduktion mit Ventilen gemessen worden. Bereits in diesem kurzen Zeitraum konnte im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe eine signifikante Verbesserung der Dilatationsfähigkeit der Arterie gezeigt werden. Zwar ist der Mechanismus hinter den Ergebnissen noch nicht im Detail verstanden, es sind aber bereits Folgestudien geplant, die mögliche Mediatoren ermitteln sollen. Diese Daten unterstreichen, dass die Verlinkung von Lunge und Herz viel weitreichender ist als bisher angenommen.
Eines Ihrer Spezialgebiete ist die interventionelle Bronchiologie – welche Neuerungen fanden Sie hier besonders spannend?
D. Franzen: Bisher konnte man eine bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mit endobronchialen Ventilen nur bei Patient:innen vornehmen, die auch eine fehlende Kollateralventilation haben. Die auf dem ERS-Kongress vorgestellte CONVERT-Studie untersuchte den Nutzen des AeriSeal-Systems an Patient:innen mit fortgeschrittener COPD bzw. Emphysem. Hier wird ein Zweikomponenten-«Dichtmittel» in die Bronchien eingespritzt, das in die Kollateralkanäle eindringt und diese verschliesst. So kann ein kollateralventilationspositiver Patient in einen negativen konvertiert werden. In einer zweiten Sitzung werden dann die Ventile eingesetzt.
Die Studie beweist zum einen die Funktionalität des AeriSeal-Systems, zeigt die anschliessende Wirksamkeit der eingesetzten Ventile und dokumentiert zudem eine Verbesserung der üblichen Endpunkte (Lungenfunktion, Lebensqualität, körperliche Belastbarkeit). Ich finde diese Studie besonders spannend, da sie zu einer Indikationserweiterung des Einsatzes von Ventilen führen könnte, da für kollateralventilationspositive Patient:innen bisher nur eine chirurgische Option zugänglich ist.
Eine oft geführte Diskussion in den Asthma- und COPD-Sessions war der Begriff der Remission. Wie stehen Sie dazu?
D. Franzen: Ja, bei dieser Begrifflichkeit gehen die Meinungen doch teilweise deutlich auseinander. Die Verwendung des Begriffs «Remission» in unserem Fachgebiet wird derzeit mit anderen Gebieten, wie z.B. bei rheumatologischen Erkrankungen wie der chronischen Polyarthritis, verglichen. In der Pneumologie wird diese Diskussion nun vor allem in Zusammenhang mit den Biologika geführt.
Als Beispiel ist die Phase-IV-Studie SHAMAL zu nennen, bei der Patient:innen mit Benralizumab plus ICS behandelt wurden und über den Behandlungszeitraum die ICS-Komponente langsam ausgeschlichen wurde. Hier wurde von einer Remission gesprochen, was eben stark diskutiert wurde, da die Patient:innen noch immer therapiert wurden.
Ich stehe der Begrifflichkeit in diesem Kontext skeptisch gegenüber, da es auch ein falsches Signal an die Patient:innen senden könnte, welche die Remission mit einem Behandlungsstopp assoziieren. Kritisch ist zudem, dass die allergische Disposition zu Asthma auch durch eine wirkungsvolle Therapie nicht verschwinden wird.
Ich finde hier den Begriff der Asthmakontrolle treffender. Bei der COPD zum Beispiel spricht man von einer Stabilisierung der Erkrankung. Die IMPACT-Studie definierte eine Stabilisierung mit einem mehrteiligen Endpunkt: keine signifikante Verschlechterung der Lungenfunktion, keine neuen Exazerbationen und eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes. Das ist, wie ich finde, ein eleganter und auch patient:innenzentrierter Ansatz.
Vielen Dank für das Gespräch!
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