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Workshop „Lunge – Umwelt – Arbeitsmedizin“

Rauchstopp und Rückfallprophylaxe – der Ausstieg aus der Nikotinabhängigkeit

<p class="article-intro">Der Großteil der Personen, die rauchen, ist abhängig. Das Rauchen zu beenden und rauchfrei zu bleiben, also der Nikotinabhängigkeit zu entkommen, ist meist ein längerer Prozess, der manchmal sogar über mehrere Jahre verläuft.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ein Rauchstopp ist meist nicht im ersten Anlauf zu schaffen, oft sind mehrere Versuche n&ouml;tig.</li> <li>Mit dem Rauchen aufzuh&ouml;ren, ist ein Prozess, der auch mit R&uuml;ckschl&auml;gen verbunden ist.</li> <li>Motivation, Begleitung und gezielte Interventionen k&ouml;nnen helfen, das Ziel &bdquo;Rauchstopp&ldquo; zu erreichen.</li> </ul> </div> <p>In der Regel werden mehrere Anl&auml;ufe zum Rauchstopp ben&ouml;tigt, bis die langfristige Rauchfreiheit gelingt. So ist es f&uuml;r nur 10 % der Personen, die die Beratung des Rauchfrei Telefons zur Tabakentw&ouml;hnung in Anspruch nehmen, der erste Anlauf zum Rauchstopp. Rund 22 % berichten von einem, 52 % von zwei bis vier Versuchen und 16 % wenden sich nach f&uuml;nf und mehr bisherigen Rauchstopps an das Rauchfrei- Team.<sup>1</sup> Neben der Vorbereitung und der Umsetzung des Rauchstopps muss daher in der Behandlung der Tabakabh&auml;ngigkeit ein besonderes Augenmerk auf die R&uuml;ckfallprophylaxe gelegt werden.</p> <h2>Nikotinabh&auml;ngigkeit</h2> <p>Die Rauchpr&auml;valenz in &Ouml;sterreich ist im internationalen Vergleich hoch. So rauchen in &Ouml;sterreich 24 % der Menschen t&auml;glich, 5,5 % rauchen gelegentlich.<sup>2</sup> T&auml;gliches Rauchen ist ein Hinweis auf Abh&auml;ngigkeit, jedoch auch unter den Personen, die gelegentlich rauchen, finden sich Abh&auml;ngige. Der Gro&szlig;teil der Raucher und Raucherinnen weist Merkmale der Nikotinsucht auf, die unter F. 17.2 des ICD-10 gelistet sind.<sup>3</sup></p> <h2>Rauchfrei werden &ndash; ein Prozess der Verhaltens&auml;nderung</h2> <p>Der Rauchstopp ist nur selten das kurzentschlossene Abstellen einer &bdquo;l&auml;stigen Gewohnheit&ldquo;. Meist ist es ein l&auml;ngerer Prozess der Ver&auml;nderung eines lang etablierten Suchtverhaltens, der h&auml;ufig von R&uuml;ckf&auml;llen begleitet ist, bevor die Rauchfreiheit stabil erreicht werden kann. <br />Ein sehr praktikables Modell zum Verst&auml;ndnis der Verhaltens&auml;nderung beim Rauchen beschreiben Prochaska und DiClemente mit f&uuml;nf Stufen.<sup>4</sup> Im Stadium der Pr&auml;kontemplation wird bedenkenlos geraucht, es gibt (noch) keine Ver&auml;nderungsmotivation. Mit dem Rauchverhalten zufriedene, &bdquo;konsonante&ldquo; Raucher befinden sich in diesem Stadium. <br />Vieles kann Ausl&ouml;ser sein, um in die n&auml;chste Phase zu kommen, die kontemplative Phase, in der sich Problembewusstsein und Ambivalenz in Bezug auf das eigene Rauchverhalten entwickeln. Zu diesen Ausl&ouml;sern geh&ouml;ren zum Beispiel Informationen, k&ouml;rperliche Ver&auml;nderungen oder auch Vorbilder. Die gro&szlig;e Gruppe jener, die mit dem eigenen Rauchen nicht zu 100 % zufrieden sind, die &bdquo;dissonanten&ldquo; Raucher, befindet sich in diesem Stadium. Ein Rauchstopp ist aber oft noch in weiter Ferne. <br />Verschiedene Faktoren wie die Motivation zur Ver&auml;nderung, eine Diagnose etc. k&ouml;nnen den &Uuml;bergang in die n&auml;chste Phase bewirken, die Vorbereitungsphase. Hier werden Vorkehrungen f&uuml;r die Verhaltens&auml;nderungen getroffen. <br />Die n&auml;chste Phase der Handlung ist bestimmt von der konkreten Umsetzung der Rauchfreiheit, also den ersten rauchfreien Tagen, im Idealfall gefolgt von der Phase der Aufrechterhaltung. Zwischen Handlung und Aufrechterhaltung kann es wiederholt zu R&uuml;ckf&auml;llen kommen. Der Ver&auml;nderungsprozess ist also gekennzeichnet durch mehrere Phasen, die auch immer wieder durchlaufen werden. Je nach Stadium sind unterschiedliche Ziele und Interventionen der Tabakentw&ouml;hnung sinnvoll und notwendig.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1902_Weblinks_jatros_pneumo_1902_s20_abb1_meingassner.jpg" alt="" width="800" height="320" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Der Rauchstopp &ndash; ein negatives Ziel</h2> <p>Die Motivation zur Ver&auml;nderung ist deutlich anders als bei anderen Krankheitsbildern. Die Verhaltens&auml;nderung beim Rauchen ist deshalb so herausfordernd, weil sowohl die Ausgangssituation der rauchenden Personen als auch das Ziel, also der Rauchstopp bzw. die Abstinenz, v&ouml;llig anders assoziiert sind als bei anderen Erkrankungen. Die Ausgangsposition (abh&auml;ngiges Rauchen) ist nicht vorrangig negativ, da es zun&auml;chst nicht mit Beschwerden, Schmerzen, Funktionsunt&uuml;chtigkeit etc. einhergeht. Viele Raucher und Raucherinnen wollen etwas ver&auml;ndern, jedoch sind der Leidensdruck und die sp&uuml;rbaren negativen Auswirkungen meist nicht so massiv, dass der Rauchstopp die &bdquo;Vorteile&ldquo; durch das Rauchen deutlich &uuml;berwiegt. Fast alle rauchenden Personen, auch jene, die fest entschlossen zum Rauchstopp sind, berichten von positiven Aspekten bzw. hilfreichen Funktionen, die die Zigarette nach wie vor erf&uuml;llt. So bestehen zwar Ver&auml;nderungsmotivation und Ambivalenz, jedoch oft mit deutlichem Gewicht auf der &bdquo;Pro Rauchen&ldquo;-Seite. <br />Nicht nur die Ausgangslage ist also bestenfalls ambivalent, auch das Ziel der Tabakentw&ouml;hnung ist f&uuml;r die Betroffenen selten vorrangig positiv. Im Gegenteil: Der Rauchstopp ist ein emotional deutlich negativ besetztes Ziel. Er ist verbunden mit Verlustgef&uuml;hlen und &Auml;ngsten: Verlust von bew&auml;hrten Strategien zur Stressbew&auml;ltigung, Entspannung und Emotionsregulation, weniger Genuss und Belohnung, Angst vor Ver&auml;nderung, vor m&ouml;glichen Entzugssymptomen, Sorge vor Gewichtszunahme und der Angst, beim Rauchstopp (wieder) zu scheitern.</p> <h2>Motivation versus Zuversicht</h2> <p>Ein besonders wichtiger Aspekt in der Tabakentw&ouml;hnung ist die Zuversicht der Betroffenen, den Rauchstopp zu schaffen. Das Modell der Selbstwirksamkeitserwartung von Bandura zeigt, dass vor allem jene den Rauchstopp schaffen, die ihn sich zutrauen.<sup>4</sup> Viele Raucherinnen und Raucher haben jedoch Erfahrungen mit Misserfolgen, oft durch mehrere bisherige Abstinenzversuche im Laufe der Rauchkarriere. Die mangelnde Zuversicht in den eigenen Erfolg wird von der Umgebung schnell als fehlende Motivation interpretiert. Oder aber Personen mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung stellen sich das Ziel des Rauchstopps nicht mehr &ndash; aus Erfahrung oder Sorge, den Rauchstopp sowieso nicht umsetzen zu k&ouml;nnen.</p> <h2>Motivation zum Rauchstopp &ndash; Ansto&szlig; zum Ausstieg</h2> <p>Vor dem Hintergrund der Suchterkrankung, dem Prozess der Verhaltens&auml;nderung, der ambivalenten Ausgangslage, der negativen Zielerwartung und der mangelnden Zuversicht wird deutlich, dass Interventionen zum Rauchstopp wiederholt und vielf&auml;ltig gesetzt werden m&uuml;ssen. <br />Allein der Ansto&szlig; zum Ausstieg und die Vermittlung von Zuversicht hilft. Vor allem jene, die den Ausstieg ohne professionelle Hilfe schaffen k&ouml;nnten, ihn aber aus oben genannten Gr&uuml;nden lange vor sich herschieben oder gar nicht vorhaben ihn umzusetzen, profitieren davon. <br />Eine der wichtigsten wirksamen Ma&szlig;nahmen, um zum Ausstieg zu motivieren, ist die Ansprache des Rauchverhaltens (&bdquo;Rauchen Sie?&ldquo;) und die darauffolgende klare Empfehlung des Rauchstopps (&bdquo;Ich empfehle Ihnen den Rauchstopp!&ldquo;), gefolgt von der Information &uuml;ber ein Hilfsangebot (&bdquo;Hier finden Sie Hilfe!&ldquo; &ndash; beispielsweise Entw&ouml;hnkurse der SV-Tr&auml;ger, Beratung am Rauchfrei Telefon oder www. rauchfrei.at (Abb. 2).<sup>5</sup></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1902_Weblinks_jatros_pneumo_1902_s22_abb2_meingassner.jpg" alt="" width="400" height="420" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>R&uuml;ckfallprophylaxe</h2> <p>Der R&uuml;ckfall ist bei dieser chronischen Suchterkrankung der Normalfall. F&uuml;r viele Raucher und Raucherinnen ist der Rauchstopp an sich nicht das Problem. Viele k&ouml;nnen ihn durchf&uuml;hren und die Rauchfreiheit einige Tage oder Wochen aufrechterhalten. Jedoch mangelnde Bew&auml;ltigungsstrategien im Umgang mit Verlangensattacken, die noch lange nach dem Rauchstopp auftreten k&ouml;nnen, und Risikosituationen, die im Alltag unvermeidbar sind, fordern R&uuml;ckf&auml;lle heraus. <br />R&uuml;ckf&auml;llige Raucher und Raucherinnen zu motivieren, an der Verhaltens&auml;nderung festzuhalten, ist besonders sinnvoll. Sie haben Ver&auml;nderungsbereitschaft und Motivation bewiesen. Vielleicht braucht es noch ein bisschen Unterst&uuml;tzung, auch in Form von professioneller Tabakentw&ouml;hnung, um den Rauchstopp beim n&auml;chsten Anlauf zu schaffen, ausgestattet mit dem &bdquo;Erfahrungsschatz&ldquo; aus dem vorhergegangenen Rauchstoppversuch. Als hilfreiche Metapher bietet sich das Bild vom Hinfallen an: Jeder Mensch f&auml;llt einmal hin, aber es geht darum, aufzustehen und weiterzugehen. Oder um das Zitat eines Kollegen zu verwenden: &bdquo;H&ouml;ren Sie nicht auf mit dem Aufh&ouml;ren!&ldquo; <br />Auch Ex-Raucher und -Raucherinnen, die erst einige Monate rauchfrei sind, sind eine wichtige Zielgruppe f&uuml;r Kurzinterventionen: Motivation zur Aufrechterhaltung der Rauchfreiheit, Herausstreichen der gesundheitlichen und k&ouml;rperlichen Verbesserungen durch den Rauchstopp, Anerkennung f&uuml;r die Rauchfreiheit oder Hilfsangebote f&uuml;r kritische Situationen lassen sich mit wenigen Worten vermitteln und dienen effektiv der R&uuml;ckfallprophylaxe.</p> <h2>Interventionen</h2> <p>Die Palette der Interventionen, die im allt&auml;glichen &auml;rztlichen Kontakt m&ouml;glich sind, ist breit und h&auml;ngt vom jeweiligen Setting ab: Diagnostik und Dokumentation der Nikotinabh&auml;ngigkeit, Kurzansprache des Rauchverhaltens, Empfehlung des Rauchstopps bei jedem Kontakt, Informationsvermittlung, Empfehlung von Hilfsangeboten und M&ouml;glichkeiten der R&uuml;ckfallprophylaxe, Schaffung komplett rauchfreier Umgebungen in den Gesundheitseinrichtungen und vieles mehr. Alle Interventionen, die das Problembewusstsein st&auml;rken, den Ver&auml;nderungsprozess in Richtung Rauchfreiheit f&ouml;rdern und die Zuversicht steigern, sind sinnvoll und effektiv. Meist sind bei der chronischen Suchterkrankung Nikotinabh&auml;ngigkeit wiederholte Interventionen n&ouml;tig. Je fr&uuml;her und je h&auml;ufiger diese im Verlauf der Rauchkarriere gesetzt werden, desto wahrscheinlicher wird ein Ausstieg aus der Abh&auml;ngigkeit. <br />Die Betroffenen, aber auch Gesundheitsprofessionistinnen und -professionisten, h&auml;tten gerne, dass es einfach &bdquo;klick macht&ldquo;, dass &bdquo;der Schalter umgelegt wird&ldquo;. Aber um bei dem Bild zu bleiben: Es ist kein Auf/Ab-Schalter, sondern ein Dimm- Schalter, der gedreht werden kann &ndash; in Richtung Rauchfreiheit.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Jahresbericht Rauchfrei Telefon 2018 (https://rauchfrei.at/wp-content/uploads/2018_Faltblatt_webVersion.pdf) <strong>2</strong> &Ouml;sterreichische Gesundheitsbefragung 2014, (Athis), Statistik Austria, im Auftrag des Bundesministeriums f&uuml;r Gesundheit <strong>3</strong> Internationale Klassifikation psychischer St&ouml;rungen: ICD-10. Kapitel V (F); klinisch-diagnostische Leitlinien/Weltgesundheitsorganisation. Huber, 2000 <strong>4</strong> Schwarzer R: Psychologie des Gesundheitsverhaltens. Hogrefe, 2004 <strong>5</strong> Lichtenschopf A: Standards der Tabakentw&ouml;hnung: Konsensus der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Pneumologie &ndash; Update 2010. Springer, 2011</p> </div> </p>
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