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Stellenwert von Problemkeimen bei der stationären Lungenrehabilitation
Jatros
Autor:
Prim. Dr. Alfred Lichtenschopf
Sonderkrankenanstalt Weyer/Enns<br> E-Mail: lichtenschopf@aon.at
30
Min. Lesezeit
10.05.2018
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<p class="article-intro">In der Rehabilitationseinrichtung Weyer/Enns werden Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen 3 bis 4 Wochen stationär rehabilitiert. Die Indikationen umfassen alle chronischen Lungenerkrankungen mit den Schwerpunkten COPD, Asthma, Zustand nach Lungenoperationen und Fibrosen. Im Jahr 2015 wurde mit der Rehabilitation von Patienten mit zystischer Fibrose begonnen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Es ist seit Langem bekannt, dass sich unter den COPD-Patienten und Patienten mit Z.n. Lungenoperationen auch Patienten mit sogenannten Problemkeimen befinden. Problemkeime haben das Potenzial der Übertragung und der Hervorrufung von schwierig zu behandelnden Infekten und Exazerbationen, weil sie antibiotisch schwer zu behandeln sind. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) zählt zu diesen Problemkeimen alle multiresistenten Keime, vor allem auch MRSA, <em>Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii, Stenotrophomonas maltophilia und Burkholderia cepacia.</em><sup>1</sup><br /> Um die Gefahr einer eventuellen Übertragung durch Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen einschätzen zu können, wurde im Zeitraum vom 1. März bis 23. Juni 2016 bei allen Lungenpatienten eine Sputumkultur abgenommen. Eine vorhergehende Literaturrecherche erbrachte für Österreich keine vergleichbare Untersuchung in einem stationären oder ambulanten Rehabilitationszentrum. Es fand sich auch keine vergleichbare Untersuchung im Bereich von pneumologischen Abteilungen von Akutkrankenhäusern.<sup>2</sup> In einer zweiten Untersuchungsserie wurden über einen Zeitraum von einem halben Jahr bei 506 Patienten mit der Diagnose COPD III und IV, Z.n. Lungenoperation, Bronchiektasen und Z.n. Pneumonien Sputumkulturen abgenommen und die Ergebnisse der ersten Untersuchung überprüft.</p> <h2>Methoden</h2> <p>Bei allen Patienten mit Lungenerkrankungen wurden am Beginn und am Ende des Rehabilitationsaufenthaltes Sputumproben abgenommen und umgehend mikrobiologisch nach Zystische-Fibrose- Standard (MiQ 24/2006) angezüchtet sowie befundet.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Von 506 während des Untersuchungszeitraums im Rehabilitationszentrum Weyer aufgenommenen Patienten wurden 285 wegen Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats und Asthma bronchiale behandelt. Die anderen 221 Patienten hatten die Hauptdiagnose aus der Indikation chronische Lungenerkrankungen mit folgender Diagnoseverteilung: 139 COPD I bis IV, 25 Npl. bronchi (meist operiert), 14 Z.n. Pneumonie, 11 ACOS, 8 interstitielle Fibrose, 5 Kollagenose, 5 Z.n. Pulmonalembolie, 3 pulmonalarterielle Hypertonie, 4 zystische Fibrose, 7 andere Lungenerkrankungen. Bei allen diesen 221 Patienten wurden Sputumkulturen abgenommen. In Tabelle 1 sind die isolierten Problemkeime aufgelistet (welche für CFPatienten gesondert erhoben wurden).<br /> Von den 19 Patienten mit Pseudomonas waren 2 vorbekannt, bei allen anderen erstellten wir den Erstbefund. Hinsichtlich Sputum und Auswurf gaben 7 an, täglich zu husten und Schleim zu produzieren, 4 gaben Husten und seltenen Auswurf an, 8 gaben an, kaum oder keinen Auswurf zu haben. Bei einem der beiden MRSA-Patienten war die Diagnose MRSA vorbekannt. Seine maßgeblichen Diagnosen waren COPD IV, Wedgeresektion am rechten Oberlappen bei Z.n. Tuberkulose mit verkäsender Nekrose 2015 und Diabetes mellitus II. Die Diagnosen des zweiten MRSA-Patienten waren COPD III, Z.n. Tabakabusus (50py), operiertes Npl. bronchi 2004 und Nierenadenom.<br /> Die beiden Patienten, die mit mehrfachresistentem Haemophilus infiziert waren, hatten folgende Diagnosen: COPD IV, CAT C, Langzeitsauerstofftherapie, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom und Diabetes mellitus II.<br /> Die Diagnosen des Patienten mit mehrfachresistenter Klebsiella waren COPD IV, CAT D (32), Polytoxikomanie (Benzodiazepinabusus, Tabakabusus, chronischer Äthylismus), toxische nutritive Polyneuropathie, Leberzirrhose und St.p. Lungentuberkulose 1980.<br /> Von den 8 Patienten mit Stenotrophomonas hatten 7 eine COPD (4x COPD IV, 2x III, 1x II), davon 2 zusätzlich Bronchiektasen, eine Lungenfibrose mit Langzeitsauerstofftherapie, 4 hatten Operationen wegen Malignomen (2 davon an der Lunge), 5 hatten KHK (davon 4 mit Stenting) und 4 Diabetes mellitus II.<br /> Als erste Zusammenfassung dieser Untersuchung konnten wir statuieren, dass wir 19 Patienten mit einer Kolonisation mit Pseudomonas aeruginosa und 7 Patienten mit mehrfachresistenten anderen Keimen rehabilitierten. Lediglich 2 von den insgesamt 26 mit Problemkeimen kolonisierten Patienten wurden vor Antritt der Reha identifiziert. Die Diagnosen dieser Patienten umfassten fast ausschließlich COPD der Schweregrade III und IV, Z.n. Lungenoperation, Bronchiektasen und Multimorbidität. Es fand sich darunter kein Patient mit einer COPD I und keiner mit einer COPD II ohne Zusatzerkrankung.<br /> In der zweiten Untersuchungsserie, die wir zur Bestätigung unserer Ergebnisse im Zeitraum von einem halben Jahr an weiteren 507 Patienten mit den Diagnosen COPD der Schweregrade III und IV, Z.n. Lungenoperation, Bronchiektasen und multimorbiden Patienten durchführten, fanden wir hinsichtlich Problemkeimen folgende Ergebnisse: 36x <em>Pseudomonas aeruginosa</em>, 12x <em>Stenotrophomonas maltophilia</em>. Es fand sich auch in der zweiten Untersuchungsserie kein <em>Acinetobacter baumannii.</em> Es fanden sich 3 Patienten mit Multiresistenzen (wobei 2 der 3 Multiresistenzträger keinen Vorbefund hatten): <em>Escherichia coli</em> 3 MRGN, <em>Pseudomonas aeruginosa</em> 4 MRGN, <em>Klebsiella pneumoniae</em> 3 MRGN.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1802_Weblinks_jatros_pneumo_1802_s32_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="968" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Bei unserer Untersuchung im Frühjahr 2016 im Rehazentrum Weyer/Enns an 221 konsekutiven Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen fanden wir bei 82 (37,1 % ) die oben angeführten Keime, bei 26 (11,8 % ) ausgesprochene Problemkeime, die eine Segregation erfordern. In der Literatur fanden wir keine vergleichbare Untersuchung in Österreich in einem anderen Rehazentrum oder in einer Abteilung für Akutpneumologie. Von den 26 Patienten mit Problemkeimen, die aus unserer Sicht die Einleitung von Vorsichtsmaßnahmen erfordern (<em>Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter, Stenotrophomonas maltophilia,</em> MRSA und Keime mit Mehrfachresistenzen), waren lediglich 3 vorbekannt. Unter den 19 Patienten, bei denen <em>Pseudomonas aeruginosa</em> in der Sputumkultur gezüchtet werden konnte, gaben 8 an, kaum oder keinen Auswurf zu haben. Die Ergebnisse konnten im Wesentlichen durch die zweite Untersuchung bestätigt werden.<br /> Die Abnahme der Sputumkulturen erfolgte nach mündlicher Erklärung durch das Laborpersonal, eine Supervision des Auswurfmanövers wurde nicht durchgeführt. Daher wird durch die oben angeführten Zahlen für die gezüchteten Problemkeime unter Umständen das tatsächliche Ausmaß unterschätzt.<br /> Wenn auch die Übertragungswege und -möglichkeiten nicht sicher erforscht sind, erscheint uns die Einleitung von Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Patienten mit geschwächter Immunabwehr von großer Bedeutung, um eine sichere Rehabilitation im Rahmen der stationären Gegebenheiten zu ermöglichen.<br /> Daher haben wir routinemäßig die Abnahme von Sputumkulturen zu Beginn einer Rehabilitation eingeleitet. Bei Erhebung der Diagnosen der angesprochenen Problemkeimträger haben wir mit den Diagnosen COPD IV und COPD III, Z.n. Lungenoperation, Bronchiektasen und Multimorbidität fast 100 % der Patienten mit Segregationsnotwendigkeit erfasst.<br /> Aus unserer Untersuchung leiten wir ab, dass im Setting eines stationären Rehabilitationszentrums für Personen mit chronischen Lungenerkrankungen regelmäßig Patienten aufgenommen werden, die mit Problemkeimen wie <em>Pseudomonas aeruginosa</em>, aber auch anderen gramnegativen Erregern und multiresistenten Keimen kolonisiert sind. Der Großteil dieser Patienten wird im Vorfeld der Reha nicht identifiziert und stellt eine potenzielle Gefahr für die Mitpatienten dar. Eine frühzeitige Erkennung durch Abnahme einer Sputumkultur zu Beginn der Rehabilitation, um möglichst frühzeitig Vorsichtsmaßnahmen einzuleiten (Einzelzimmer, Training im Einzelsetting), halten wir für notwendig.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) im Robert-Koch-Institut: Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen. Bundesgesundheitsblatt 2012; 55: 1311-54. Springer Verlag, 2012 <strong>2</strong> Van Daele SG et al.: Eur Respir J 2005; 25: 474-81</p>
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