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Kinderwunsch und Schwangerschaft mit rheumatischen Erkrankungen
Jatros
Autor:
Dr. Gabriela Eichbauer-Sturm
Fachärztin für Rheumatologie, Innere Medizin und Nephrologie<br> Linz, Kitzbühel<br> E-Mail: eichbauer-sturm@medway.at
30
Min. Lesezeit
28.03.2019
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<p class="article-intro">Die Diagnose einer entzündlichen Erkrankung fällt häufig in das gebärfähige und zeugungsfähige Alter. Die meisten entzündlichrheumatischen Erkrankungen treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern.<sup>1</sup> Bei den Betroffenen bestehen viele Unsicherheiten bezüglich der Konzeption und Schwangerschaft, aber vor allem bei der Frage, ob und, wenn ja, welche Medikamente während der Schwangerschaft eingenommen werden können. Deshalb sollten Schwangerschaften geplant werden, um das Risiko für Mutter und Kind möglichst gering zu halten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Obwohl heute eine erfolgreiche Schwangerschaft bei Frauen mit entzündlichrheumatischen Erkrankungen keine Seltenheit ist, ist die Geburtenrate geringer als bei gesunden Frauen. Dies hat mehrere Ursachen: Einerseits befürchten sie, sich nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern zu können, andererseits haben sie Angst, dass die medikamentösen Therapien negative Auswirkungen auf das ungeborene Kind haben können. Dies konnte in einer Umfrage, durchgeführt von Chakravarty et al., sehr eindrucksvoll bewiesen werden. Es berichteten 63 % der Patientinnen, dass sie sich vor Schwangerschaften fürchten, und 30–55 % der Frauen fühlten sich nicht ausreichend informiert.<sup>2</sup></p> <h2>Rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis und axiale Spondyloarthritis</h2> <p>Schwangerschaften treten bei Frauen mit rheumatoider Arthritis (RA) und Kinderwunsch häufig verzögert auf. Ursächlich sind vor allem eine hohe Krankheitsaktivität sowie die regelmäßige Einnahme von NSAR und/oder Kortisondosen über 7,5 mg Prednisolon/Tag. Das Risiko für Fehlbildungen ist mit dem in der Normalbevölkerung vergleichbar: Auch bei gesunden Frauen ist mit angeborenen Fehlbildungen bei bis zu 3 % sowie Aborten im ersten Trimenon bei bis zu 15 % zu rechnen.<sup>3</sup> Es besteht jedoch bei RA ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt oder ein zu kleines Kind.<sup>4, 5</sup> Auch dafür sind eine erhöhte Krankheitsaktivität und Kortisongebrauch verantwortlich. Trotzdem tritt die Hälfte der Schwangerschaften ungeplant auf.<sup>1</sup> Leider bekommen viele Frauen während der Schwangerschaft noch immer keine optimale Behandlung oder sie nehmen Medikamente, die mit einer Schwangerschaft nicht vereinbar sind.<sup>1</sup> Bei der Planung der medikamentösen Therapie muss das Risiko von „Nebenwirkungen“ einer über 9 Monate unbehandelten Krankheit bei der Mutter gegen das Risiko einer möglichen Nebenwirkung der medikamentösen Behandlung für den Fetus abgewogen werden. Patientinnen vermeiden oft medikamentöse Therapien, um das ungeborene Kind nicht zu schädigen. Dass eine hohe Krankheitsaktivität vor oder während der Schwangerschaft ein Risiko für Mutter und Kind darstellt, ist häufig nicht bekannt.<sup>5</sup><br /> Vor Eintritt der Schwangerschaft soll im Idealfall eine Remission oder eine niedrige Krankheitsaktivität bestehen. Ca. 50 % der Patientinnen mit einer RA erleben während der Schwangerschaft eine Besserung der Krankheitsaktivität. Bei einem Drittel ist es sogar möglich, die Medikation zu beenden. Nach der Entbindung besteht ein erhöhtes Risiko für einen entzündlichen Schub; ca. 75 % der Patientinnen sind davon in den ersten 6 Monaten betroffen,<sup>6</sup> vor allem stillende Frauen – wahrscheinlich deshalb, weil sie aus Angst vor Nebenwirkungen keine entsprechende Therapie durchführen.<br /> Interessanterweise scheint sich die Aktivität einer Psoriasisarthritis oder axialen Spondyloarthritis in der Schwangerschaft und nach der Geburt nicht zu verändern, weshalb hier in den meisten Fällen eine medikamentöse Therapie notwendig ist.<sup>7</sup></p> <h2>Systemischer Lupus erythematodes</h2> <p>Patientinnen mit einem systemischen Lupus erythematodes (SLE) benötigen eine besonders intensive Betreuung. Sie scheinen im Vergleich zu Frauen mit RA leichter schwanger zu werden, ihr Risiko für Frühgeburten, Präeklampsie und vorzeitigen Blasensprung ist jedoch deutlich erhöht. Etwa 40 % der Patientinnen haben Antiphospholipid-Antikörper, die in der Schwangerschaft mit gehäuften Aborten und Frühgeburten assoziiert sind. Zur Therapie werden während der Schwangerschaft Thrombozytenaggregationshemmer und niedermolekulare Heparine eingesetzt. Die Einnahme von Antimalaria-Medikamenten vor und während der Schwangerschaft hat bei Vorliegen von SS-A(Ro)- und SS-B(La)-Antikörpern nicht nur einen guten Effekt auf den Krankheitsverlauf, sondern auch auf das Kind.<sup>8–10</sup> Diese Antikörper liegen bei 30 % der SLE-Patientinnen vor. Sie können durch den diaplazentaren Transport zur Entwicklung eines neonatalen Lupussyndroms beim Kind führen. Dieses manifestiert sich 4–6 Wochen nach der Geburt mit Exanthemen, Zytopenien und Transaminasenanstieg. Eine gefürchtete kardiale Komplikation ist der kongenitale AVBlock beim Kind. Ab der 16. Woche sind ein Bradykardie-Screening und fetale Echokardiografien in wöchentlichen Abständen empfohlen. Aus diesem Grund gelten diese Schwangerschaften als Risikoschwangerschaften und sollten engmaschig durch Gynäkologen und Rheumatologen betreut werden.<sup>11</sup></p> <h2>Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit</h2> <p>Ziel einer medikamentösen Therapie ist es, eine Remission oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität zu erreichen. Bei der Mehrzahl der Frauen ist eine medikamentöse Therapie notwendig. Eine Arbeitsgruppe der EULAR hat Empfehlungen zum Einsatz von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit veröffentlicht.<sup>12</sup> Die Therapie sollte frühzeitig geplant werden, deshalb sollten wir Frauen im gebärfähigen Alter direkt auf einen möglichen Kinderwunsch ansprechen.<br /> Die neuen Empfehlungen basieren auf einer umfangreichen Datenrecherche und lauten wie folgt:<br /> csDMARDs (konventionelle synthetische Basistherapeutika) wie Hydrochloroquin, Chloroquin, Sulfasalazin, Azathioprin, Cyclosporin, Tacrolimus und Colchicin sollten in einer Schwangerschaft fortgesetzt oder zur Therapie eines Schubes verwendet werden.<br /> Die csDMARDs Methotrexat, Mycophenolat- Mofetil und Cyclophosphamid sind teratogen und sollten vor einer Schwangerschaft abgesetzt werden.<br /> Der Einsatz von nicht selektiven COXInhibitoren (nichtsteroidale Antiphlogistika, NSAR) und Prednison soll erwogen werden, wenn sie zur Kontrolle von aktiven Krankheitssymptomen notwendig sind. NSAR sollten nur im 1. und 2. Trimenon eingesetzt werden. Im 3. Trimenon sind sie wegen des Risikos des vorzeitigen Verschlusses des Ductus arteriosus kontraindiziert. Selektive COX-2-Hemmer dürfen in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden.<br /> Bei schwerer, refraktärer mütterlicher Erkrankung in der Schwangerschaft sollten eine Methylprednisolon-Puls-Therapie, intravenöse Immunglobuline oder im 2. oder 3. Trimenon auch die Gabe von Cyclophosphamid in Betracht gezogen werden.<br /> csDMARDs, tsDMARDs (zielgerichtete synthetische DMARDs) und antiinflammatorische Therapien mit unzureichender Dokumentation im Hinblick auf den Einsatz in der Schwangerschaft sollten bis zum Vorliegen einer besseren Evidenz vermieden werden. Dies trifft auf Leflunomid, Mepacrin, Tofacitinib, sicherlich auch auf Baricitinib und selektive COX-2-Hemmer zu.<br /> Von den bDMARDs (biologischen DMARDs) können Tumor-Nekrose-Faktor( TNF-)Inhibitoren im ersten Teil der Schwangerschaft eingesetzt werden. Die meisten Erfahrungen gibt es für Infliximab, Etanercept, Adalimumab und Certolizumab. Für Golimumab liegen keine ausreichenden Daten vor, deshalb sollte eine Alternative bevorzugt werden.<br /> Im Rahmen der CRIP-Studie wurde der Plazentatransfer von Certolizumab von Schwangeren auf ihre Kinder untersucht. Die Studie zeigte, dass die Spiegel von Certolizumab unmittelbar nach der Geburt sowie 4 und 8 Wochen nach der Geburt bei allen Proben unter der Nachweisgrenze lagen. Certolizumab kann aufgrund der Studienlage während der ganzen Schwangerschaft und auch in der Stillperiode verabreicht werden.<sup>13</sup><br /> Zu den bDMARDs Rituximab, Anakinra, Tocilizumab, Abatacept, Belimumab und Ustekinumab existiert nur eine limitierte Dokumentation in Hinblick auf einen sicheren Einsatz in der Schwangerschaft. Sie sollten deshalb vor der Konzeption durch eine andere Therapie ersetzt werden. In der Schwangerschaft sollten sie nur dann eingesetzt werden, wenn die Erkrankungsaktivität durch keine andere Therapie ausreichend kontrolliert werden kann.</p> <p>Nicht in den EULAR-Empfehlungen angeführt wurde Secukinumab. Für diese Substanz liegen keine ausreichenden Daten zur Anwendung bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien ergaben keine Hinweise auf direkte oder indirekte gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf Schwangerschaft, embryonale/fetale Entwicklung, Geburt oder postnatale Entwicklung. Aus Gründen der Vorsicht soll eine Anwendung in der Schwangerschaft derzeit vermieden werden.<sup>14</sup></p> <p>Auch Stillen ist, wie bereits angeführt, möglich. Mit dem Stillen vereinbar sind Therapien mit Hydroxychloroquin, Chloroquin, Sulfasalazin, Azathioprin, Ciclosporin, Tacrolimus, Colchicin, Prednisolon, Immunglobulin, nicht selektiven COX-Inhibitoren und Celecoxib, vorausgesetzt es bestehen keine kindlichen Kontraindikationen.<br /> Stillende Frauen sollen keine Therapien mit Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil, Cyclophosphamid, Leflunomid, Tofacitinib und anderen COX-2-Inhibitoren als Celecoxib durchführen.<br /> Eine geringe Übertragung in die Muttermilch wurde für Infliximab, Adalimumab, Etanercept und, wie bereits erwähnt, für Certolizumab gezeigt. Das Fortsetzen einer Therapie mit diesen TNF-Inhibitoren sollte als mit dem Stillen vereinbar angesehen werden.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Kavanaugh A et al.: Arthritis Care Res 2015; 67: 313-25 <strong>2</strong> Chakravarty E et al.: BMJ Open 2014; 4: e004081 <strong>3</strong> Brouwer J et al.: Arthritis Rheumatol 2015; 67: 1738-43 <strong>4</strong> Ince-Askan H et al.: Best Pract Res Clin Rheumatol 2015; 29: 580-96 <strong>5</strong> de Man YA et al.: Arthritis Rheumatol 2009; 60: 3196-206 <strong>6</strong> de Man YA et al.: Arthritis Rheumatol 2008; 59: 1241-8 <strong>7</strong> Ursin K et al.: Rheumatology 2018; 57(6): 1064-71 <strong>8</strong> Götestam Skorpen C et al.: Rheumatology 2018; 57(6): 1072-9 <strong>9</strong> Simard JF et al.: Paediatr Perinat Epidemiol 2017; 31(1): 29-36 <strong>10</strong> Cevera R: Autoimmun Rev 2008; 7(3): 174-8 <strong>11</strong> Andreoli L et al.: Ann Rheum Dis 2017; 76(3): 476-85 <strong>12</strong> Götestam Skorpen C et al.: Ann Rheum Dis 2016; 75: 795-810 <strong>13</strong> Mariette X et al.: Ann Rheum Dis 2018; 77: 228-33 <strong>14</strong> Warren RB et al.: Br J Dermatol 2018; 179(5): 1205-7</p>
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