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ÖGIM-Jahrestagung

Diabetes mellitus und Schwangerschaft

<p class="article-intro">Die steigende Anzahl übergewichtiger/adipöser Frauen im gebärfähigen Alter führt nicht nur zur Zunahme des Gestationsdiabetes, sondern auch des manifesten Typ-2-Diabetes in der Schwangerschaft. Deshalb soll bei Erstvorstellung einer Schwangeren das Diabetesrisiko eingeschätzt werden und bei Verdacht eine Testung erfolgen. Gerade hierbei spielen die Allgemeinmediziner eine sehr wichtige Rolle!</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der Gestationsdiabetes (GDM) wurde jahrelang als eine &bdquo;erstmals in der Schwangerschaft festgestellte Glukoseintoleranz&ldquo; definiert. Er entsteht auf Basis der physiologischen Insulinresistenz, die jede Schwangere ab der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) entwickelt und bei stoffwechselgesunden Frauen durch eine Steigerung der Insulinsekretion kompensiert wird. Gelingt diese Steigerung nicht, kommt es zur typischen Hyperglyk&auml;mie in der 2. Schwangerschaftsh&auml;lfte, deren Folgen vor allem auf den fetalen Hyperinsulinismus zur&uuml;ckzuf&uuml;hren sind: fetale Makrosomie und neonatale Hypoglyk&auml;mie.<br /> Die deutliche Zunahme der Zahl von &uuml;bergewichtigen und adip&ouml;sen Frauen im geb&auml;rf&auml;higen Alter hat es notwendig gemacht, diese Definition zu &uuml;berarbeiten. Denn durch die Zunahme der Zahl insulinresistenter Frauen in der Fr&uuml;hschwangerschaft nimmt die Anzahl jener mit unerkanntem manifestem Diabetes mellitus deutlich zu. So untersuchte die DALI-Studie, eine europaweite Studie, an der auch &Ouml;sterreich beteiligt ist, Frauen mit einem Body-Mass-Index &gt;29kg/m2 und fand bei 39 % einen Gestationsdiabetes, bei 24 % bereits in der Fr&uuml;hschwangerschaft.<sup>1</sup> Der Unterschied zum Gestationsdiabetes besteht darin, dass eine Hyperglyk&auml;mie in der Fr&uuml;hschwangerschaft mit einem deutlich erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r kongenitale Fehlbildungen assoziiert ist. Die diabetische Embryopathie, die man bis dato nur von schlecht eingestellten Typ-1-Diabetikerinnen kannte, k&ouml;nnte somit ein Revival erleben und daher ist es wichtig, diese Frauen mit erh&ouml;htem Diabetesrisiko zu identifizieren. Da dies so fr&uuml;h wie m&ouml;glich erfolgen sollte, spielen hierbei die Allgemeinmediziner eine ganz wichtige Rolle.<br /> Dies spiegelt sich auch in den Leitlinien der &Ouml;sterreichischen Diabetesgesellschaft wider (Abb. 1). Bei Erstvorstellung jeder Schwangeren soll eine Risikoevaluierung stattfinden. Die Risikofaktoren sind in Tabelle 1 aufgelistet. Die Testung auf das Vorliegen eines Diabetes sollte hierbei mittels eines einfachen Tests erfolgen: HbA<sub>1c</sub>, N&uuml;chternglukose oder Spontan-glukose (= Nichtn&uuml;chternglukose). Bei einem HbA<sub>1c</sub> =6,5 % , einer N&uuml;chternglukose =126mg/dl oder einer Spontanglukose =200mg/dl besteht die Diagnose eines manifesten Diabetes mellitus in der Schwangerschaft und eine Therapie soll umgehend eingeleitet werden. Ist das Testergebnis unklar, kann bereits zu diesem Zeitpunkt ein oraler Glukosetoleranztest (OGTT) durchgef&uuml;hrt werden. Dieser kann jederzeit in der Schwangerschaft bei klinischem Verdacht (fetale Makrosomie, maternale Glukosurie oder Diabetessymptome) durchgef&uuml;hrt werden. Letztendlich soll er bei jeder Schwangeren (unabh&auml;ngig von Alter und Gewicht!) zwischen der 24. und 28. SSW durchgef&uuml;hrt werden.<br /> Die Diagnose eines Gestationsdiabetes besteht dann, wenn einer der folgenden Glukosewerte erreicht bzw. &uuml;berschritten wird: n&uuml;chtern 92mg/dl, 1h postprandial 180mg/dl und 2h postprandial 153mg/dl. Liegen der N&uuml;chternwert bei =126mg/dl und der Wert 2h postprandial =200mg/ dl, liegt ein manifester Diabetes in der Schwangerschaft vor.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s34_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="1107" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s34_tab1.jpg" alt="" width="1157" height="1178" /></p> <h2>Der orale Glukosetoleranztest (OGTT) &ndash; darauf ist zu achten</h2> <p>Der OGTT sollte n&uuml;chtern (8 Stunden Nahrungskarenz) morgens zwischen 6 und 9 Uhr gestartet werden. Nach der N&uuml;chternblutabnahme trinkt die Patientin 75g Glukose &ndash; gel&ouml;st in 300ml Wasser &ndash; und die weiteren Blutabnahmen erfolgen 1 und 2 Stunden danach. Wichtig: Die Blutabnahme hat ven&ouml;s (mehrmalige Punktion oder &uuml;ber liegenden Verweilkatheter, Venflon<sup>&reg;</sup>) stattzufinden! Die Durchf&uuml;hrung des OGTT mittels eines &uuml;blichen Blutzuckermessger&auml;ts (Fingerstich) ist nicht zul&auml;ssig, da die Ergebnisse der kapill&auml;ren Messung nicht validiert sind. Sollte die Schwangere einen akuten Infekt oder eine Lungenreifung mittels Glukokortikoiden hinter sich haben, soll der Test eine Woche sp&auml;ter durchgef&uuml;hrt werden.</p> <h2>Diagnose Gestationsdiabetes &ndash; was nun?</h2> <p>Liegt ein pathologischer Wert beim OGTT vor und die Diagnose GDM wird gestellt, erh&auml;lt die Schwangere ein Blutzuckermessger&auml;t und wird gebeten, ihren Blutzucker 4-mal t&auml;glich, n&uuml;chtern sowie 1 Stunde nach jeder Hauptmahlzeit, zu messen und zu dokumentieren. Zudem soll eine Di&auml;t eingehalten werden und auch regelm&auml;&szlig;ige k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t wird empfohlen. Bei der Di&auml;t geht es vor allem darum, schnell resorbierbare Kohlenhydrate wegzulassen und Mahlzeiten h&auml;ufiger, daf&uuml;r in kleinerem Ausma&szlig;, einzunehmen.<br /> Gelingt es trotz Di&auml;t und Bewegung nicht, die Blutzuckerzielwerte (n&uuml;chtern &lt;95mg/dl und 1h postprandial &lt;140mg/dl) zu erreichen, besteht die Indikation zur Insulintherapie. Die Insulintherapie in der GDMSchwangerschaft verhindert die &uuml;bersch&uuml;ssige fetale Insulinproduktion und deren Folgen (Makrosomie, neonatale Hypoglyk&auml;mie), f&uuml;hrt selten zu Hypoglyk&auml;mien (aufgrund der ausgepr&auml;gten Insulinresistenz in der 2. Schwangerschaftsh&auml;lfte) oder vermehrter Gewichtszunahme (da diese Patientinnen sowieso Di&auml;t halten). Es ist gut, dies auch den Frauen mitzuteilen, da dies die Compliance deutlich f&ouml;rdert.</p> <h2>Insulintherapie in der Schwangerschaft &ndash; aber wie?</h2> <p>Bei erh&ouml;hten N&uuml;chternwerten (3x w&ouml;chentlich =95mg/dl) sollte sp&auml;tabends (zwischen 20 und 23 Uhr) ein lang wirksames NPH-Insulin verabreicht werden. Meist wird mit 6&ndash;8 Einheiten begonnen, die in Zweierschritten alle 2&ndash;3 Tage gesteigert werden k&ouml;nnen, bis die N&uuml;chternwerte &lt;95mg/dl liegen.<br /> Bei erh&ouml;hten postprandialen Blutzuckerwerten soll ein kurz wirksames Insulinanalogon (Insulin aspart oder Insulin lispro) unmittelbar vor der Hauptmahlzeit injiziert werden. &Uuml;blicherweise beginnt man mit 2&ndash;4 Einheiten pr&auml;prandial und steigert ebenfalls in Zweierschritten. Trotz des geringen Hypoglyk&auml;mierisikos sollten alle Patientinnen &uuml;ber die Symptome und das Verhalten bei Hypoglyk&auml;mien aufgekl&auml;rt werden. Neben den Blutzuckerwerten dient auch der fetale Abdomenumfang als Verlaufsparameter, da er den fetalen Hyperinsulinismus widerspiegelt.</p> <h2>Die Wehen setzen sein &ndash; was nun?</h2> <p>Mit der Geburt des Kindes kann die Therapie des Gestationsdiabetes beendet werden (cave: nicht beim manifesten Diabetes in der Schwangerschaft). Wichtig ist, dass die Frauen 6&ndash;8 Wochen nach der Entbindung einen OGTT durchf&uuml;hren lassen. Dieser sollte &ndash; auch bei unauff&auml;lligem Ergebnis &ndash; alle 2 Jahre wiederholt werden. Denn: Obwohl &gt;90 % der Frauen mit Gestationsdiabetes nach der Geburt eine normale Glukosetoleranz aufweisen, entwickelt die H&auml;lfte dieser Frauen einen manifesten Typ-2-Diabetes innerhalb der n&auml;chsten 5&ndash;10 Jahre. Frauen nach Gestationsdiabetes gelten als Hochrisikokollektiv f&uuml;r Typ-2-Diabetes und kardiovaskul&auml;re Erkrankungen und profitieren von einem lebenslangen Follow-up!</p> <h2>Metformin in der Schwangerschaft &ndash; ja oder nein?</h2> <p>Mittlerweile besteht keine Kontraindikation mehr f&uuml;r Metformin in der Schwangerschaft, aber denken Sie daran, dass Metformin zu einem betr&auml;chtlichen Ausma&szlig; die Plazentaschranke passiert und die l&auml;ngsten Untersuchungen bei Kindern, die Metformin in utero ausgesetzt waren, sich lediglich auf einen Follow-up-Zeitraum von 2 Jahren beschr&auml;nken. Am meisten profitieren &uuml;bergewichtige Frauen, die wahrscheinlich bereits vor der 20. SSW insulinresistent waren. Und deshalb empfiehlt auch die &Ouml;DG, vor allem an den Einsatz bei &uuml;bergewichtigen, insulinresistenten Frauen zu denken. Eine Insulintherapie ist meist bei der H&auml;lfte der Metforminbehandelten Frauen zus&auml;tzlich notwendig.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Egan AM et al.: Diabetologia 2017 Jul 12. doi: 10.1007/s00125-017- 4353-9 [Epub ahead of print] <strong>2</strong> Kautzky- Willer A et al.: Wien Klin Wochenschr 2016; 128 Suppl 2: S103-12</p> </div> </p>
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