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Orphan diseases: granulomatöse Lungenerkrankungen
Jatros
30
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14.07.2016
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<p class="article-intro">Die Granulomatose hat viele Gesichter und eine variable Prognose. Im Rahmen des 13. PneumoUpdates in Igls wurden einige granulomatöse Lungenerkrankungen vorgestellt und ihre Diagnostik sowie Differenzialdiagnosen diskutiert.</p>
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<p class="article-content"><p>„Die Ursachen für granulomatöse Lungenerkrankungen können unterschiedlich sein, wie z.B. Infektionen, Hypersensitivität, Autoimmunität, Immunmangel oder Neoplasien“, erläutert OA Dr. Joerg Hansen, Klinik für Pneumologie/Schlafmedizin, Kantonsspital St. Gallen. „Dadurch unterscheidet sich nicht nur die Therapie, sondern auch die Prognose.“ Allen diesen Erkrankungen gemeinsam ist das Granulom als autochthone Reaktion der zellvermittelten Immun­antwort. „Hinweisend sind im initialen Röntgenbild ein oder mehrere Granulome“, so Hansen. Hinsichtlich der weiterführenden Diagnostik ist der Lungenfacharzt gefordert. Dazu sind eine Thorax-Computertomografie mit Kontrastmittel sowie eine Bronchoskopie mit Gewinnung von bronchoalveolärer Lavage und (transbronchialen) Biopsien erforderlich. Die spezifische weiterführende Labordiagnostik umfasst die Bestimmung von Immunglobulin, ANCA, Rheumafaktor, HIV, Angiotensin-converting Enzym (ACE), löslicher Interleukin-2-Rezeptor (lös-IL2R) sowie Ca<sup>2+</sup>. Ein wichtiger Fokus ist die Expositions- bzw. Berufsanamnese.</p> <h2>Berylliose</h2> <p>Die Berylliose ist eine granulomatöse Erkrankung, die durch die Exposition gegenüber dem Edelmetall Beryllium entsteht. Beryllium wird in der Elektronik, Luftfahrt, Automobil- und Waffentechnik, der Keramikverarbeitung und der Telekommunikation eingesetzt und ist als mögliches humanes Karzinogen klassifiziert. Die Berylliose zeigt zwei Verlaufsformen: Die akute Form ist eine chemische Entzündung der Lunge, die tödlich verlaufen kann. „Seit aber die maximale Arbeitsplatzkonzentration kontrolliert wird, stellt die akute Berylliose kein Problem mehr dar“, sagt Hansen. Nach einer zellulären Sensibilisierung und einer Latenzzeit von Wochen bis zu 20 Jahren kann eine chronische Form (CBD) entstehen, deren Symptome einer Sarkoidose ähneln und die Lunge, Lymphknoten und Haut betreffen. „Als prädisponierender Faktor wurde das HLA-DPB1-Allel identifiziert, welches Glutaminsäure an der Position 69 der Beta-Kette besitzt. Berylliumexposition führt zu einer 3D-Konformationsänderung des HLA-DP2-Komplexes, wodurch das veränderte Peptid zum Neoantigen wird und eine Immunantwort auslöst“, erläutert Hansen.<sup>1</sup> Zwischen 2 und 20 % der Beryllium-Exponierten sind sensibilisiert, von ihnen entwickeln rund 40 % eine CBD. „Bei bis zu einem Drittel der Sarkoidosepatienten ist eine Berylliumexposition gegeben“, gibt Hansen zu bedenken.</p> <h2>Variables Immundefektsyndrom (CVID)</h2> <p>Die Diagnose der CVID („common variable immune deficiency“) wird meist im Erwachsenenalter im Kontext mit rezidivierenden Infekten gestellt. „CVID ist zudem der häufigste Immundefekt, der im Erwachsenenalter diagnostiziert wird“, so Hansen weiter. Die Erkrankung zählt differenzialdiagnostisch zu den Hypogammaglobulinämien. <br />Gemäß dem aktuellen internationalen Konsensus-Dokument (ICON) gilt die Diagnose als gesichert, wenn folgende Kriterien zutreffen: Serum-IgG unterhalb der Labornorm und niedrige IgA (oder IgM) sowie eine fehlende Impfantwort.<sup>2</sup> Hansen: „Die Diagnose kann alleine aufgrund der Laborwerte gestellt werden, weitere Befunde sind nicht mehr erforderlich.“ Zu den typischen klinischen Szenarien zählen rezidivierende Infekte, chronische Pneumopathie, Autoimmunität, Granulomatose, Allergien, Enteropathie und vermehrte Tumorneigung. CVID manifestiert sich häufig in Lunge, Lymphknoten und Milz und stellt eine wichtige Differenzialdiagnose der Sarkoidose dar.</p> <h2>Hypersensitivitätspneumonitis</h2> <p>Unter dem Begriff exogen-allergische Alveolitis (EAA) wird eine Vielzahl von Krankheitsbildern zusammengefasst. „Weltweit am häufigsten ist die Vogelhalterlunge, gefolgt von der Farmerlunge und der Befeuchterlunge. Dazu kommen immer wieder kasuistische Darstellungen von neuen Allergenquellen wie kürzlich etwa der Diamanttaube“, sagt PD Dr. Dirk Koschel, Chefarzt Innere Medizin/Pneumologie, Zentrum für Pneumologie, Al­lergologie, Beatmungsmedizin, Thorax- und Gefäßchirurgie, Fachkrankenhaus Coswig. So wurde bei indischen Arbeitern in Brunnenschächten <em>Aspergillus spp.</em> als Allergenquelle nachgewiesen („dug well lung“) oder Arganöl bei Arbeitern der Arganproduktion in Marokko.<sup>3, 4</sup> Auch Mycobacterium gordonae in einem Ultraschallvernebler kann eine EAA auslösen oder aber Aspergillus fumigatus als Allergen im Mehl.<sup>5, 6</sup> <br />„Die Expositionstestung ist ein wichtiges Werkzeug in der Diagnostik der EAA, aber man muss dabei vorsichtig sein“, warnt Koschel. Eine positive Provokationstestung hat zwar einen hohen Vorhersagewert, eine negative hingegen nicht.<sup>7</sup> Entscheidende Kriterien für die Provokationstestung sind: FVC-Abfall >10 % , Abfall der Diffusionskapazität (DLCO) >15 % und Temperaturanstieg >0,5°C. <br />Im kürzlich erschienenen Positionspapier der EAACI wird die EAA als allergische Reaktion einer nicht-IgG-vermittelten Reaktion beschrieben, die zu typischen Veränderungen mit einer lymphozytären oder granulomatösen Entzündungsreaktion führt.<sup>8</sup> In den letzten Jahren ist die chronische EAA in den Fokus gerückt, nachdem bei Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) in mehr als 40 % der Fälle eine chronische EAA nachgewiesen worden ist.<sup>9</sup> „Im Unterschied zur IPF sind Patienten mit chronischer EAA eher weiblich, überwiegend Nicht- bzw. Exraucher, haben mehr Atemnot und eine schlechtere Lebensqualität“, weiß Koschel. „Die chronische EAA ist eine wichtige Differenzialdiagnose bei Patienten mit fibrosierenden Erkrankungen, weil Allergenkarenz – im Falle eines detektierbaren Allergens – die Prognose günstig beeinflussen kann“, unterstreicht Koschel. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1603_Weblinks_Seite24.jpg" alt="" width="808" height="632" /></p> <h2>Sarkoidose</h2> <p>Die Sarkoidose ist eine granulomatöse inflammatorische Multisystemerkrankung unbekannter Ursache. „Wir wissen nur, dass es sich um eine antigenspezifische Immunantwort auf ein bisher nicht identifiziertes Triggerantigen handelt, die nach T-Zell-Aktivierung zur Granulomformation führt. Die Granulome können in allen Organen auftreten, dementsprechend sind die Verläufe individuell unterschiedlich“, so OA Dr. Hubert Koller, 1. Interne Lungenabteilung, SMZ Baumgartner Höhe/Otto-Wagner-Spital, Wien. „Die Mehrheit der Patienten in Mitteleuropa hat einen Befall der Lunge. Der Altersgipfel liegt zwischen 35 und 39 Jahren, wobei mehr Frauen als Männer betroffen sind.“ <br />Wichtige Parameter für die Abklärung der Lungenfunktion bei Sarkoidose sind Spirometrie, Bodyplethysmografie, Blutgasanalyse in Ruhe und Belastung und Kohlenmonoxiddiffusionskapazität (DLCO). „Je fortgeschrittener das Stadium, desto stärker die Funktionseinschränkung – bis zu 80 % im Stadium IV“, so Koller. Typisch sind obstruktive Ventilationsstörungen mit deutlicher Verminderung der exspiratorischen Atemflüsse in der Peripherie und bronchiale Hyperreaktivität. <br />Eine häufige extrathorakale Manifes­tation ist die Augenbeteiligung, welche in allen Augenabschnitten auftreten kann, zumeist als Uveitis anterior. Die chronische Uveitis zeigt einen schleichenden Verlauf, der bis zur Erblindung führen kann. Koller: „Daher zählen ophthalmologische Untersuchungen zu den regelmäßigen Basisuntersuchungen bei Sar­koidose.“</p> <h2>Kardiale Sarkoidose</h2> <p>Sie stellt eine wichtige Differenzialdiagnose bei jüngeren Patienten mit unklaren Arrhythmien oder kardialen Funktionseinschränkungen dar und kann auch als erste und einzige Sarkoidosemanifes­tation vorliegen. Die Prognose ist ungüns­tig. Wann ist eine kardiale Beteiligung in Erwägung zu ziehen? „Bei Erwachsenen jünger als 55 Jahre mit AV-Block II–III nach Ausschluss anderer Ursachen, bei Erwachsenen jünger als 55 Jahre mit EKG-Abnormalitäten oder Symptomen wie z.B. Leistungsminderung nach Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung oder anderer kardiovaskulärer Erkrankungen, bei Patienten mit monomorphen ventrikulären Tachykardien und/oder Kardiomyopathien sowie bei Patienten mit einer gesicherten Sarkoidosediagnose“, so Koller. Die Evaluierung erfolgt „step by step“ anhand der Anamnese und physikalischer Untersuchung, EKG, Echo, Herz-MRI, FDG-PET-Scan, Koronarangiografie zur Abklärung einer KHK und in seltenen Fällen anhand einer endomyokardialen Biopsie bzw. elektrophysiologischer Untersuchungen. Koller: „Wichtig ist auch die Beurteilung des pulmonalen Gefäßbettes, weil Sarkoidosepatienten eine pulmonal-arterielle Hypertonie entwickeln können.“</p></p>
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<p><strong>1</strong> Fontenot AP et al: J Immunol 2016; 196(1): 22-7 <br /><strong>2</strong> Bonilla FA et al: J Allergy Clin Immunol Pract 2016; 4(1): 38-59 <br /><strong>3</strong> Sharma BB et al: Allergy Asthma Prac 2013; 34(6): e59-64 <br /><strong>4</strong> Paris et al: BMC Pulm Med 2015; 15: 18 <br /><strong>5</strong> Utsugi H et al: BMC Pulm Med 2015; 15: 108 <br /><strong>6</strong> Gerfaud-Valentin M et al: Chest 2014; 145(4): 856-8 <br /><strong>7</strong> Muñoz X et al: Eur Respir J 2014; 44(6): 1658-65 <br /><strong>8</strong> Quirce S et al: Allergy 2016; 71(6): 765-79 <br /><strong>9</strong> Morell F et al: Lancet Respir Med 2013; 1(9): 685-94</p>
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