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Was soll der Niedergelassene können?
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Doris Maria Gruber
Frauenärztin in Wien<br> E-Mail: doris.gruber@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
07.03.2019
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<p class="article-intro">Einen Hormonbefund sollte jeder Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe interpretieren können. Das Wissen darum wird an den Ausbildungskliniken leider zu wenig gelehrt, sodass man sich diese Kenntnis anderorts erwerben sollte. Es gibt keinen Ordinationsalltag ohne hormonelle Fragestellungen. Die häufigsten Themen in der gynäkologischen Endokrinologie betreffen Fragen der Reproduktion, eng verwoben mit dem gegenteiligen Ansinnen – dem Verhüten einer Schwangerschaft. Hormone greifen weitreichend in die weibliche Gesundheit ein.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>In dieser Zusammenstellung werden folgende Themen behandelt:<br /> 1. Welche Hormone/Enzyme sind beteiligt?<br /> 2. Blutungsstörungen<br /> 3. Amenorrhö primär/sekundär<br /> 3.a. Hypogonadotrope Amenorrhö<br /> 3.b. Hypergonadotrope Amenorrhö<br /> 4. Hyperandrogenämie, PCOS<br /> 5. Hormonelle Verhütung<br /> 6. Hyperprolaktinämie<br /> 7. Schilddrüse<br /> 8. Nebennierenrinde</p> <h2>Welche Hormone/Enzyme sind beteiligt?</h2> <p>Hauptdarsteller im weiblichen endokrinen Orchester sind die Gruppe der Östrogene, das Progesteron und seine Derivate sowie die verschiedenen Androgene. Als übergeordnete Taktgeber sind die Gonadotropine zu nennen. Weiters ist für die Gesundheit der Frau das Funktionieren der Schilddrüsen- und der Nebennierenrindenhormone wichtig. Es gibt diffizile Enzymstörungen, die durch das Fehlen oder den Überschuss dieser Hormone bzw. deren nachfolgender Metaboliten zu Erkrankungen führen können. Hormonstörungen können sich abhängig vom Lebensalter unterschiedlich bemerkbar machen. In den fertilen Jahren sind Hormone in erster Linie für das Gelingen der Fortpflanzung wichtig und sorgen für Vitalität, Gesundheit und Schönheit. In den postfertilen Lebensjahren macht sich das Fehlen der Hormone an fast allen Organsystemen bemerkbar und verursacht das weite Feld der menopausalen Symptome.</p> <h2>Blutungsstörungen</h2> <p>Blutungsstörungen werden gemäß der Terminologie in Tabelle 1 eingeteilt.<br /> Sobald sich in der Pubertät ein hormonelles Gleichgewicht eingestellt hat, läuft der weibliche Zyklus Monat für Monat für die nächsten 30 bis 40 Jahre wie ein Präzisionsuhrwerk ab. Physiologisch wird dieses Regelwerk durch den Eintritt von Schwangerschaften mit Stillzeiten unterbrochen. Willentlich wird dieser Kreislauf durch den Einsatz von hormonellen Verhütungsmethoden stillgelegt. Manchmal kommt es aus einem von vielen anderen möglichen Gründen zu krankhaften Veränderungen, die dieses weibliche „Urprogramm“ stören. Die Ursachen für die in Tabelle 1 genannten Blutungsstörungen sind einerseits im hormonellen Gleichgewicht/ Ungleichgewicht zu finden, es kann sich andererseits aber auch um eine organische Ursache handeln. Östrogene und Progesteron (und deren Metaboliten) sind jene Haupthormone, die für die Zyklusstabilität verantwortlich sind. Fehlt eines oder ist eines im Überschuss vorhanden, so kommt es zu Störungen der Blutungsdauer und -intensität, was im Extremfall im Ausbleiben der Regel resultieren kann. Die Art der Therapie richtet sich nach der Ursache. Es kann eine hormonelle Behandlung, aber auch eine chirurgische Intervention erforderlich sein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s6_tab1.jpg" alt="" width="300" height="338" /></p> <h2>Amenorrhö</h2> <p>Das Ausbleiben der Blutung für länger als 3 Monate wird als Amenorrhö bezeichnet. Nach Eintritt der Erstblutung (Menarche) spricht man von sekundärer Amenorrhö, ist noch nie eine Blutung eingetreten, von primärer Amenorrhö (Tab. 2).<br /> Die Ursachen einer primären/sekundären Amenorrhö werden in hormonelle und anatomische Ursachen eingeteilt, wobei sich die hormonellen Ursachen nach Eintritt der Menarche zu jedem Lebenszeitpunkt ändern können; dann wird von einer sekundären Amenorrhö gesprochen. Für eine primäre Amenorrhö gibt es auch anatomische Gründe (Dysgenesie bzw. Aplasie der inneren weiblichen Organe). In jungen Jahren kann eine schwerwiegende hormonelle Ursache in Form einer Hypergonadotropinämie oder Hypogonadotropinämie mit Hypoöstrogenämie vorliegen (Tab. 3).<br /> Anatomische Ursachen ohne chromosomale Veränderungen können oftmals mittels Uteruschirurgie behoben werden. Chromosomale Veränderungen sind zum heutigen Zeitpunkt nicht korrigierbar. Der Dysgenesie/Aplasie der Ovarien kann nur durch eine Hormonsubstitutionstherapie wirkungsvoll begegnet werden, um die fehlenden Hormone zu ersetzen (Östrogen/ Progesteron/Androgen).<br /> In vielen Fällen können die Ursachen der sekundären Amenorrhö gefunden werden und entsprechende Therapiemaßnahmen müssen ergriffen werden. Eine der wichtigsten und einfachsten Maßnahmen ist in vielen Fällen die Gewichtsnormalisierung. Das klingt sehr trivial, ist aber gerade bei jungen Mädchen die wirkungsvollste Maßnahme, um die hormonelle Situation des Gesamtorganismus zu verbessern.<br /> Mit dem äußeren Zeichen des Nichtblutens (Amenorrhö) geht oft eine Ovarialinsuffizienz (Tab. 4) einher, die im Hormonstatus erkannt werden kann. Aber auch andere Ursachen wie Schilddrüsenstörungen und Hyperprolaktinämie werden im Hormonstatus festgestellt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s7_tab2-4.jpg" alt="" width="300" height="1268" /></p> <p><strong>Hypogonadotrope Amenorrhö</strong><br />Dies ist eine schwerwiegende hormonelle Störung, oft schon bei jungen Mädchen. Dabei kommt es zu keinem adäquaten LHund FSH-Impuls der Hypophyse und somit zu keiner Östrogenbildung. Die Ursachen sind schwer zu finden und es gibt keine kausale Therapie. Manchmal „wächst sich“ das Problem im Laufe der nächsten Jahre „aus“. Wobei auch hier der wichtigste Regulator das Körpergewicht ist. Sollte sich eine Besserung nicht innerhalb von 2–3 Jahren einstellen, ist eine Hormonsubstitution (Östrogen und Progesteron, evtl. sogar ein leichtes Androgen) notwendig, um andere hormonabhängige Organsysteme (Knochen, Gehirn) für das weitere Leben zu schützen. Nicht hilfreich ist eine Unterdrückung der hypophysären Achsen mittels hormoneller Kontrazeption. Dabei würde zwar eine Blutung erzeugt werden (wenn die Gebärmutter nicht atrophisch ist), aber in der hormonellen Bilanz schadet es der jungen Frau mehr, als es nützt.</p> <p><strong>Hypergonadotrope Amenorrhö</strong><br /> Diese Form der Amenorrhö ist in der Menopause physiologisch. Der FSH-Spiegel ist hoch, der Östradiol-Spiegel niedrig. Allerdings kann sich solch ein Zustand auch in den fertilen Jahren einstellen, dann spricht man von „premature ovarian failure“ (PMOF). Dies impliziert, dass die ovarielle Fruchtbarkeit nicht mehr gegeben ist, Hormone exogen zugeführt werden sollten und bei vorhandenem Kinderwunsch andere medizinische Wege beschritten werden müssen.</p> <h2>Hyperandrogenämie und PCOS</h2> <p>Die Terminologie „polyzystisches Ovarsyndrom“ (PCOS) verunsichert Ärzte und die betroffenen Frauen auf mehrfache Weise. Das Präfix „poly“ bedeutet „viel“. Doch was ist zu viel in meinem Körper? Das Wort „Zyste“ klingt dramatisch für die Patientin und die Ärzteschaft, bedeuten doch Zysten oftmals etwas Unheilvolles, möglicherweise sogar einen Tumor. Schließlich „Syndrom“. Ist dies womöglich eine chromosomale Veränderung, die die ganze Person betrifft? Die oftmals voreilige Diagnose eines PCOS ist für beide Seiten nachteilig. Deshalb wäre es im Zusammenhang mit jüngeren Frauen von medizinisch-sprachlichem Vorteil, die physiologischen Veränderungen der Eierstöcke in der Pubertät und den Jahren danach besser als „multifollikuläres Ovar“ zu bezeichnen.<br /> Die Gründe sind wie folgt:</p> <ol> <li>Jedes Ovar in der Pubertät ist multifollikulär = polyzystisch.</li> <li>Dieser physiologische Zustand ist essenziell für die weitere gesunde Entwicklung des Eierstocks mit all seinen zukünftigen Funktionen (Follikulogenese, Ovulation, Luteinisierung).</li> <li>Der multifollikuläre Zustand wächst sich in den nächsten 3 bis 5 Pubertätsjahren fast immer aus. Der Eierstock „reift“ und organisiert sich von selbst – wenn man ihn lässt.</li> <li>Die erste Hormongruppe, die vom Ovar in der Pubertät im Übermaß gebildet wird, sind Androgene. Diese sind essenziell und bedingen in weiterer Folge die Östradiolbildung. D.h.: ohne Androgene kein gesundes Funktionieren der Eierstöcke.</li> <li>Als Folge der (transienten) Hyperandrogenämie leiden Haut und Haar, was zu dieser Zeit von den Mädchen/Müttern und Ärzten als besonders nachteilig empfunden wird.</li> <li>Bei Störungen der physiologischen ovariellen Reifungsschritte, die 3 bis 5 Jahre in Anspruch nehmen können, kann es leider passieren, dass der Eierstock in einer der Entwickungsstufen stehen beibt. Exogene, aber auch endogene Einflüsse können daran beteiligt sein.</li> </ol> <p>Je nachdem, wo die Entwicklung sistiert, bleibt das eine oder andere Krankheitsbild erhalten. Es kann somit eine reine Hyperandrogenämie die Frau ein Leben lang begleiten, mit oder ohne multifollikuläre Ovarien. Die Zyklusregelmäßigkeit kann gestört sein, die Fruchtbarkeit leidet. Langfristig kann – durch das Körpergewicht mitverursacht (zu gering oder zu hoch) – die metabolische Lage belastet sein und den Weg zur Entwicklung eines metabolischen Syndroms ist geebnet.<br /> Aus den verschiedenen ovariellen Entwicklungsstufen erklären sich auch die heterogene Gruppe von Frauen, die unterschiedliche Altersverteilung und die diversen Phänotypen des Krankheitsbildes.<br /> Das Vollbild des echten PCOS wird mit einer Prävalenz von 6–20 % angegeben.<br /> Die Androgen Excess PCOS Society (AE-PCOS) hat auf dieses Faktum Bezug genommen und schlägt eine Einteilung gemäß Tabelle 5 vor.<br /> Bei einem PCOidem Krankheitsbild ist es wichtig zu wissen, dass die pathologische Morphologie der Ovarien sich verändern oder sich auch vollständig zurückbilden kann. Metabolische Spätfolgen bedingt durch die Hyperandrogenämie entwickeln sich erst nach vielen Jahren. Deshalb ist es wichtig, sich um den Androgenhaushalt zu kümmern. Als relevante Androgene werden Testosteron, Androstendion sowie DHEA-S bestimmt, auch SHBG und damit der freie Androgenindex. Weiters sollten der Östradiolwert sowie TSH und PRL bestimmt werden.<br /> Androgene haben im weiblichen Leben eine dimorphe Rolle – Segen und Fluch zugleich.<br /> Die Therapie bei Hyperandrogenämie/ PCOS und den damit verbundenen klinischen Ausprägungen richtet sich nach dem Alter der Patientin, nach der Höhe der Androgenwerte, nach der metabolischen Manifestation sowie dem Körpergewicht und nach dem Status der Familienplanung.</p> <h2>Hormonelle Verhütung</h2> <p>Dieses wichtige Kapitel ist aus der Gynäkologie nicht mehr wegzudenken. Die Fruchtbarkeit auf diese Art zu regeln hat für die Frau im Lauf von über 60 Jahren eine Veränderung großen Ausmaßes gebracht. Die Palette an hormonellen Verhütungsmaßnahmen ist in den letzten Jahrzehnten dementsprechend stark angewachsen. Die Möglichkeit, zur Verhütung Hormone an den verschiedensten Körperstellen der Frau zu applizieren, scheint aber ausgeschöpft zu sein. Die Vielfalt der Präparate ist wichtig. Umso schwieriger ist es aber geworden, eine individuelle Maßnahme zu finden. Die Beratung bezüglich Individualität in der Verhütung stellt eine wichtige Grundsäule in der gynäkologischen Ordination dar. Jedes Produkt unterscheidet sich vom anderen, sodass Nuancen über Verträglichkeit und Nebenwirkungswahrscheinlichkeit entscheiden können. Der Gynäkologe muss demnach nicht nur die Inhaltsstoffe von Pille & Co gut kennen, sondern muss auch wissen, dass Ovulationshemmer der Kontrazeption dienen und die Aktivität des Eierstocks unterdrücken (sic) und nicht zur Hormonsubstitution verwendet werden dürfen.</p> <h2>Hyperprolaktinämie</h2> <p>Prolaktin ist ein bedeutendes Hormon in der Frauenheilkunde. Somit hat es auch Auswirkungen auf das Zyklusverhalten und in weiterer Folge auch auf die Fruchtbarkeit.<br /> In Tabelle 6 sind physiologische und pathologische Ursachen der Prolaktinerhöhung zusammengefasst. 5 % sind idiopathisch. Viele der Ursachen sind auch iatrogen bedingt (Tab. 7).<br /> Makroprolaktin (Big-Prolaktin und Bigbig- Prolaktin) wird intravasal durch Immunkomplexbildung von Prolaktin mit Autoantikörpern gebildet (23kDa schweres Molekül), ist biologisch nicht oder kaum aktiv und führt bei zahlreichen Prolaktin- Immunoassays zu falsch positiven Resultaten (falsche Hyperprolaktinämie).<br /> Da die Immunkomplexe das Gefäßsystem nicht verlassen, ist Makroprolaktin <em>in vivo</em> an Gewebsrezeptoren nicht verfügbar und somit größtenteils inaktiv. Wegen der verzögerten renalen Ausscheidung des Makromoleküls (>150kD) akkumuliert Makroprolaktin in der Blutbahn. Da alle kommerziellen Prolaktin-Assays in unterschiedlichem Maß auch Makroprolaktin erfassen, führen hohe Serumkonzentrationen von Makroprolaktin zu erhöhten Prolaktinwerten.<br /> Mithilfe von Polyethylenglykol (PEG) können die Makroprolaktinimmunkomplexe präzipitiert und damit vom monomeren Prolaktin getrennt werden, das in einem zweiten Ansatz erneut bestimmt wird. In circa 10 % der Fälle ist die Erhöhung des Prolaktins durch Makroprolaktin bedingt, d.h., nach PEG-Fällung befindet sich die Prolaktinkonzentration im Referenzbereich.<br /> Die Therapie bei Hyperprolaktinämie besteht in der Verabreichung eines Dopaminagonisten. Als diagnostische Maßnahme sollte bei hohen Prolaktinwerten – nachdem es zu keiner adäquaten Senkung des Prolaktins nach 3-monatiger Therapie gekommen ist – ein MRT der Hypophyse durchgeführt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s8_tab5+6.jpg" alt="" width="450" height="550" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s9_tab7.jpg" alt="" width="300" height="249" /></p> <h2>Schilddrüse</h2> <p>Die Schilddrüse als endokrines Organ hat für die weibliche Gesundheit einen hohen Stellenwert. So wie das Ovar macht auch die Schilddrüse eine „Pubertät“ durch, nur nicht so offensichtlich. Man merkt dies erst, wenn Störungen bei jungen Mädchen diagnostiziert werden, meist sind es Hypothyreosen.<br /> Ein ausgeglichener Schilddrüsenhormonhaushalt ist nicht nur für die Energiegewinnung (Muskelkraft und Körpergewicht, Gehirnstoffwechsel) von immenser Bedeutung, sondern auch für Zyklusstabilität und Fertilität.<br /> Es sind die hormonsensiblen Jahre der Frau, in denen sich vermehrt Schilddrüsenstörungen manifestieren: in der Pubertät, während oder nach einer Schwangerschaft sowie perimenopausal und auch nach der Menopause.<br /> Am häufigsten sind Unterfunktionen, oft begleitet von einer immunologischen Komponente. Aber auch Überfunktionen und Entzündungen werden diagnostiziert. Die internistische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet sollte auf jeden Fall erfolgen.<br /> Die Therapie besteht in der entsprechenden Substitution oder ggf. Unterdrückung der Schilddrüse. Folgende Parameter sollten bei Verdacht auf eine Schilddrüsenstörung bestimmt werden: TSH, fT3, fT4, TPO, TRAK, TGAK.<br /> Bei besonderen Fragestellungen kann auch ein TRH-Test durchgeführt werden (Tab. 8).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s9_tab8.jpg" alt="" width="300" height="249" /></p> <h2>Nebennierenrinde</h2> <p><strong>Cortisol</strong><br /> Im Bereich der Zona fasciulata der Nebennierenrinde wird Cortisol synthetisiert. Cortisol ist zwar für den Gynäkologen nicht das „Haupthormon“, dennoch sollten wir auch darüber Bescheid wissen. Der Hypercortisolismus kann durch eine zentrale/periphere oder iatrogene Ursache ausgelöst sein. Die Ursachen eines Cushing- Syndroms können sein:</p> <ul> <li>Zentrales Cushing-Syndrom (hypothalamisch- hypophysär): erhöhte Produktion von ACTH (adrenokortikotropes Hormon) im Hypophysenvorderlappen (Morbus Cushing, Cushing’sche Erkrankung), seltener erhöhte Produktion von CRH im Hypothalamus mit anschließend vermehrter Kortikoidfreisetzung aus der Nebennierenrinde.</li> <li>Adrenales Cushing-Syndrom: gesteigerte Sekretion von Gluko- oder Mineralokortikoiden aus der Nebennierenrinde im Zuge von Neoplasien (Adenome oder Karzinome der Nebennierenrinde) mit nachfolgend unterdrückter ACTHAusschüttung aus dem Hypophysenvorderlappen.</li> <li>Ektopisches (paraneoplastisches) Cushing- Syndrom: Bildung von ACTH (oder sehr selten CRH) in ektopem Gewebe, meist im Rahmen eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms.</li> <li>Iatrogenes (durch ärztliche Therapie verursachtes) Cushing-Syndrom: Ausbruch der Symptomatik nach regelmäßiger systemischer Gabe von ACTH oder Kortikoiden im Rahmen der Behandlung von Erkrankungen, etwa Autoimmunerkrankungen oder Allergien.</li> </ul> <p>Zur Diagnostik wird häufig ein Dexamethason- Test (DST) eingesetzt. Beim DST wird eine kleine Menge Dexamethason (synthetisch hergestelltes Cortisolderivat) oral oder intravenös gegeben. Dies bewirkt eine Hemmung der Cortisolproduktion und führt bei längerer Applikation zu einer Unterdrückung der ACTH-Ausschüttung. Beim gesunden Organismus ist ein signifikanter Abfall (Suppression) des Cortisolblutwertes nachzuweisen, im Falle eines Cushing-Syndroms aber nicht.<br /> Da der Cortisolspiegel starken tageszeitlichen und stressbedingten Schwankungen unterliegt, sind abhängig vom eingesetzten Test mehrere Blutentnahmen erforderlich.<br /> Die einmalige Cortisolbestimmung aus dem Blut sollte am Vormittag erfolgen.<br /> Cortisol hat für den Uterus eine wichtige Bedeutung: Zu viel Cortisol vermindert die uterinen Östrogenrezeptoren und kann somit auch zur uterinen Amenorrhö beitragen.</p> <h2>Hyperandrogenämien durch Störungen von Enzymen der Nebennierenrinde</h2> <ul> <li>21-beta-Hydroxylase-Defekt (Abb. 1)</li> <li>3-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase- Defekt (Abb. 2)</li> <li>11-beta-Hydroxylase-Defekt (Abb. 3)</li> </ul> <p>Das adrenogenitale Syndrom (AGS) ist eine Gruppe autosomal-rezessiv vererbter Stoffwechselkrankheiten (21-beta-Hydroxylase), die durch eine Störung der Hormonsynthese in der Nebennierenrinde gekennzeichnet sind. Dabei ist die Bildung von Cortisol und Aldosteron gestört. Durch Überstimulation der Nebennierenrinde werden vermehrt Nebenwege des Stoffwechsels aktiviert und Vorstufen (z.B. Pregnenolon, 21-OH-Progesteron) gebildet. Der Mangel an Cortisol führt zur kompensatorischen Stimulierung der gesamten Nebenniere durch den Hypothalamus und die Hypophyse. Da die Bildung der Sexualhormone – welche dabei nicht gestört ist – ebenfalls in der Nebennierenrinde erfolgt, kommt es bei Mädchen zur Vermännlichung beziehungsweise bei Knaben zur vorzeitigen Geschlechtsentwicklung. Der Mangel an Aldosteron führt zu Störungen im Salzhaushalt mit Flüssigkeitsverlust („classic 21-OH deficiency“).<br /> Es gibt sehr starke Ausprägungsgrade, wobei in der Frauenheilkunde bei einer Hyperandrogenämie mit Virilisierungserscheinungen auch ein Late-Onset-AGS die Ursache sein kann („nonclassic 21-OH deficiency“, NC21OHD).<br /> Die Hauptleitsymptome sind Akne, Hirsutismus, androgenetische Alopezie, Tempoanomalien mit Sterilitätsproblematik. Das Leithormon im Hormonbefund ist 17-OH-Progesteron. Bei den anderen Enzymstörungen sind meist die Androgene sowie 17-OH-Pregnenolon erhöht (Abb. 1–3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s9_abb1+2.jpg" alt="" width="650" height="1019" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s10_abb3.jpg" alt="" width="650" height="499" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Hormonelle Störungen in unterschiedlichen Ausprägungsgraden kommen in allen Lebensphasen der Frau vor. Die Bestimmung der Hormonparameter muss dementsprechend zyklusgerecht erfolgen, je nachdem, was untersucht werden soll. Auf die Bestimmung der Schilddrüsenwerte und Prolaktin darf nicht vergessen werden. Die korrekte Interpretation der Werte setzt sehr viel Erfahrung voraus.</p> </div></p>
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<p>bei der Verfasserin</p>
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