Bei atopischem Ekzem früher innovative Therapien einsetzen
Bericht:
Dr. med. Susanne Kammerer
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Biologika haben einen immer höheren Stellenwert – auch bei Kindern. Attraktive Behandlungsmöglichkeiten werden demnächst auch für das chronische Handekzem zur Verfügung stehen.
Leitlinien bieten einen Rahmen, der uns im Praxisalltag hilft, herausfordernde Situationen zu meistern», erklärte Prof. Dr. med. Sonja Molin, Queen’s University Kingston, Kanada, bei ihrem FOBI-Vortrag «Neues im Gebiet der Ekzeme». Eine europäische Leitlinie wurde im Jahr 2022, die deutsche S3-Leitlinie «Atopische Dermatitis» 2024 publiziert.1,2 Ein Vorteil für den Praxiseinsatz sind nach Ausführung von Prof. Molin die hier enthaltenen Empfehlungen für besondere Patientengruppen wie Schwangere und Kinder und die Checklisten für die Systemtherapie. Zudem sind bereits alle neu zugelassenen Biologika und «small molecules» in diesen Leitlinien enthalten.
Systemtherapie früher einsetzen – auch schon bei Kindern
Bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis (AD) kann Dupilumab bereits ab sechs Monaten eingesetzt werden. Die Zulassungserweiterung geht auf die Studie Liberty AD PRESCHOOL zurück, in die Kleinkinder ab einem Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren eingeschlossen und mit Placebo oder Dupilumab behandelt wurden.4 Primärer Studienendpunkt war eine vollständige oder fast vollständige Abheilung der Hautläsionen nach Ansicht des Prüfarztes zu Woche 16. Dies gelang 28% der mit Dupilumab behandelten Patienten im Vergleich zu lediglich 4% in der Placebogruppe – ein hochsignifikanter Unterschied (p <0,0001). «Bereits nach vier Monaten besteht ein signifikanter Behandlungsunterschied. Ich finde dies wichtig, denn wir haben viele Patienten mit schweren Ekzemen», erklärte Molin. Den Ergebnissen der Studie zufolge vertragen die jungen Patienten Dupilumab recht gut: So kam es in der Placebogruppe zu mehr Nebenwirkungen als bei Behandlung mit Dupilumab (74,4% vs. 63,8%). 4,8% der mit Dupilumab behandelten Patienten litten an einer Konjunktivitis, diese war aber mild und im Zeitverlauf rückläufig.4 Eine weitere aktuelle prospektive Kohortenstudie beschäftigte sich mit der interessanten Frage, wie sich die Dupilumab-Behandlung von Kindern mit AD auf ein zeitgleich bestehendes Asthma und eine Aerogen-Sensibilisierung auswirkt.5 In dieser Studie waren auch Begleittherapeutika erlaubt, die für Asthma oder allergische Rhinitis vom Pneumologen verordnet wurden, z.B. inhalative Steroide. Zu Beginn der Dupilumab-Therapie und nach 4, 16, 28, 40 und 52 Wochen wurde die Lungenfunktion geprüft. Hier zeigte sich, dass sich durch die Behandlung mit Dupilumab nicht nur die Ekzeme, sondern auch das Asthma und die Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen verbesserten.5
Nach Ansicht der Expertin lassen die aktuellen Daten den Schluss zu, dass auch bei Kindern eine AD frühzeitig behandelt werden sollte und bei mittelschweren bis schweren Verlaufsformen auch hier Systemtherapien eingesetzt werden sollten. Entsprechend wird auch in einer Checkliste in der aktuellen Leitlinie früh eine Systemtherapie empfohlen (Tab. 1). Hier findet sich die Unterscheidung in die Bereiche «relevanter objektiver Schweregrad», «relevante subjektive Belastung» und «fehlendes Therapieansprechen». «Bereits beim Ankreuzen von lediglich einem Ja in jedem Bereich sollte die Systemtherapie durchgeführt werden», betonte Molin.
Tab. 1: Klinische Eignungskriterien für eine Systemtherapie der atopischen Dermatitis bei Kindern (modifiziert nach Werfel T et al. 2023 )2
AD-Kompass ermöglicht Erreichen individueller Therapieziele
Prof. Dr. med. Petra Staubach-Renz, Hautklinik und Poliklinik Universitätsmedizin Mainz, bemängelte in ihrem Vortrag, dass zu wenig Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD eine Systemtherapie erhalten, obwohl sie sich eigentlich hierfür qualifizieren würden. Patienten mit einer unzureichend kontrollierten AD leiden unter einer verminderten Lebensqualität. Umgekehrt korrelieren höhere Therapieziele mit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität.
Ein Behandlungstool, das dabei hilft, individuell für den Patienten wesentliche Therapieziele zu erreichen, ist der AD-Kompass. «Der AD-Kompass nimmt Bedürfnisse der Patienten auf, patientenorientiert und personalisiert, dann werden diese durch den objektiven Ärztescore ergänzt», erklärte Staubach-Renz. Dieser Kompass ist die deutsche Anpassung an ein amerikanisches Konzept, das entwickelt wurde, um bei AD eine minimale Krankheitsaktivität zu erreichen. Der Behandler wählt den von ihm bevorzugten Score, z.B. den Eczema Area and Severity Index (EASI). Dann wählt der Patient mindestens einen für ihn geeigneten subjektiven Score aus, wie z.B. Juckreiz auf einer numerischen Skala oder Schlaf. Für diese Parameter werden sowohl moderate als auch optimale Zielwerte definiert. «Wichtig ist es, mit dem Patienten gemeinsam das Therapieziel zu erarbeiten», sagte Staubach-Renz. Durch dieses Vorgehen nähert man sich dem Prinzip der personalisierten Medizin.
Hohe Therapieziele sind erst mit innovativen Systemtherapien erreichbar geworden. Im Therapieverlauf müssen die Therapieziele weiter kontrolliert werden.
Bessere Behandlungsmöglichkeiten beim Handekzem
Auch die Behandlung des chronischen Handekzems in seiner mittelschweren bis schweren Form hat sich durch neue Optionen wie JAK-Hemmer verbessert. Sie werden in den Therapieempfehlungen der aktuellen deutschen S3-Leitlinie, die 2023 publiziert wurde, bereits angeführt.5 «Die Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie bieten hier eine gute Handlungsanweisung und einen Rahmen für die klinische Versorgung», erklärte Prof. Molin.
Besonders vielversprechend sind die Daten für den Pan-JAK-Hemmer Delgocitinib und den JAK-1/2-Inhibitor Ruxolitinib. Bei Delgocitinib ist das Phase-III-Programm abgeschlossen, eine Studie zu Jugendlichen läuft noch.
An den Studien DELTA1 und DELTA2 nahmen erwachsene Patienten mit seit mindestens drei Monaten bestehendem moderatem bis schwerem Handekzem teil, die zu Delgocitinib-Creme (20mg/g; zweimal täglich) oder einem wirkstofffreien Creme-Vehikel randomisiert wurden. Der primäre Endpunkt bestand aus einem vollständig oder fast vollständig abgeheilten Handekzem nach Einschätzung des Prüfarztes (entsprechend IGA 0/1) in Woche 16. Nach Ausführung von Molin ist dies ein mit konventionellen Mitteln nur sehr schwer zu erreichender Endpunkt. Die gepoolten Daten von DELTA1 und -2 wurden beim diesjährigen amerikanischen Dermatologenkongress vorgestellt: Hier erreichten 24,3% der Patienten in der aktiven Behandlungsgruppe den primären Endpunkt in Woche 16, signifikant mehr als in der Vehikelgruppe (8,4%; p<0,001).6 Die Behandlung hatte zudem einen positiven Einfluss auf die Symptome Schmerz und Juckreiz: Erste Verbesserungen des Juckreizes wurden bereits einen Tag nach dem Auftragen der Delgocitinib-Creme beobachtet, Schmerzen besserten sich an Tag drei. Auch auf die Lebensqualität hatte die Therapie einen positiven Einfluss. Die Verträglichkeit war gut, häufigste Nebenwirkungen sowohl in der Placebo- als auch der Verumgruppe bestanden in einer Covid-19-Infektion und einer Nasopharyngitis.6
Neue Trends bei der MI-Sensibilisierung
Methylchlorisothiazolinon/Methylisothiazolinon (MI) ist ein Konservierungsmittel, das in den letzten Jahren in Produkten vermehrt verwendet wurde, auch als Ersatz für Parabene. Seit 2009 haben Sensibilisierungen in Nordamerika deutlich zugenommen. In Kanada und Europa sind die Zahlen rückläufig, da dort die Behörden MI nicht mehr in Produkten zulassen, die auf der Haut verbleiben (Kanada) bzw. zumindest von derem Einsatz in solchen Produkten abraten (Europa). Dennoch sollte nach Ausführung von Prof. Molin MI nicht aus den Augen gelassen werden, denn Patchtest-Analysen legen nahe, dass die Substanzen nach wie vor eine Bedeutung bei beruflich bedingten Kontaktekzemen haben. Beispiele für Berufe mit relevanter MI-Sensibilisierung sind Gemüsegärtner, Erntebauern, Maler, Gebäudereiniger und Berufe, die bei der Gebäudefertigstellung beteiligt sind.
Quelle:
«Neues im Gebiet der Ekzeme», Vortrag von Prof. Dr. Sonja Molin, Kingston; «Atopische Dermatitis: Therapieziele heute und morgen», Vortrag von Prof. Dr. med. Petra Staubach-Renz, Mainz; FOBI, 8. 7. bis 12. 7. 2024 in München
Literatur:
1 Wollenberg A et al.: European guideline (EuroGuiDerm) on atopic eczema: part I - systemic therapy. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36: 1409-31 2 Werfel T et al.: S3-Leitlinie Atopische Dermatitis (AD) 2023. https://www.awmf.org/service/awmf-aktuell/atopische-dermatitis-ad-neurodermitis-atopisches-ekzem , zuletzt aufgerufen am 2.10.2024 3 Paller A et al.:Dupilumab in children aged 6 months to younger than 6 years with uncontrolled atopic dermatitis: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2022; 400(10356): 908-19 4Van der Rijst LP et al.: Effect of dupilumab on asthma and aeroallergen sensitization in pediatric atopic dermatitis patients: Results of the BioDay registry. Pediatr Allergy Immunol 2024; 35(6): e14178 5 Bauer A et al.: S2k-Leitlinie Diagnostik, Prävention und Therapie des Handekzems. https://register.awmf.org/assets/guidelines/013-053l_S2k_Diagnostik-Praevention-Therapie-Handekzem_2023-05.pdf ; zuletzt aufgerufen am 2.10.2024 6 Bissonnette R WM et al.: Efficacy and safety of delgocitinib cream in adults with moderate-tosevere chronic hand eczema: results of the phase 3 DELTA 1 trial. S025, AAD Annual Meeting 2023 in New Orleans
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