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Xerodermie/Xerose

Urea – unverzichtbares Molekül in der Dermatologie

Bei der praktischen Anwendung zeigt sich Harnstoff als wirkungsvoll bei trockener Haut. Welche Mechanismen stecken dahinter? Welche Rückschlüsse lassen sich für den praktischen Einsatz von Wirkpräparaten mit Harnstoff ziehen?

Trockene Haut (Xerodermie/Xerose) ist gekennzeichnet durch den Verlust von Glätte, Weichheit, Flexibilität und Elastizität der Haut. Sie ist eine häufig auftretende Erkrankung und betrifft Menschen mit unterschiedlichem Hauttyp und Alter sowie verschiedene Körperstellen.

Funktionen der Haut

Die menschliche Haut hat zuallererst eine Barrierefunktion: Hierbei sind zu nennen der Schutz vor Wasserverlust und übermäßiger Austrocknung (interzelluläre Lipide; NMF = „natural moisturizing factors“), der Schutz vor Infektionen und Mikroorganismen, mechanischer Schutz sowie Schutz vor Strahlung und chemischen Einflüssen. Auch für die Regulierung der Körpertemperatur ist die Haut zuständig, was den Schutz vor Hitze und Kälte genauso umfasst wie die Thermoregulation (Kühlung über Verdunstung von Schweiß).

Für einen ausreichenden Feuchtigkeitsgehalt der Haut von 10–20% sind eine funktionierende interzelluläre Lipidschicht und eine regelrechte Anordnung und Differenzierung der Korneozyten mit einem ausreichenden Gehalt an natürlichem Feuchthaltefaktor (NMF) entscheidend.1

Urea hat keratolytische (= abschuppende) Eigenschaften, die in diesem Kontext therapeutisch relevant werden können. Als körpereigene Substanz (Bestandteil des NMF) zeigt sie weder toxisches noch allergisches Potenzial und ist sehr gut verträglich. Urea ist ein Bestandteil des natürlichen Feuchthaltesystems der Haut. Der Gehalt an Urea ist jedoch bei trockener Haut vermindert.1

Wurde Urea für Pflegeprodukte früher aus Pferde-Urin gewonnen, wirdder Harnstoff heutzutage künstlich hergestellt.

Je trockener die Haut, desto höher sollte der prozentuale Urea-Anteil in Pflegeprodukten ausfallen.

Tab. 1: Übersicht über Hauterkrankungen im Kontext trockener Haut mit Verweis auf Inzidenz und Prävalenz (mod. nach Neuhofer)9

Tab. 2: Physiologisch trockene Haut vs. pathologisch trockene Haut (mod. nach Neuhofer)9

Wechselwirkungen mitH2O

Die Kompetenzen von Urea mit Bezug auf Wasser lassen sich wie folgt umschreiben:5–7Urea bindet H2O in der Hornschicht (befeuchtend = „humectant“), es stabilisiert die Membran-Lipiddoppelschicht von Keratinozyten und aktiviert die Genexpression von Profilaggrin (FLP-Gen). Bezogen auf die Barriere der Haut ist Urea zuständig für eine Verbesserung der Barrierefunktion gegen Mikroorganismen, die Genexpression von Beta-Defensin-2-Gen und die Intensivierung der transdermalen Medikamentenaufnahme.5-7

Bei trockener Haut ist die Abschuppung durch Defizite bei der Hydratisierung der Haut gestört. Eine effektive Abschuppung (= Desquamation) erfordert den Abbau der Korneodesmosomen (=Korneodesmolyse): Zur Kontrolle der Korneodesmolyse wird freies Wasser benötigt und zur Bereitstellung von freiem Wasser ist wiederum ein ausreichender Lipidgehalt notwendig. Nicht ausreichend hydratisierte Haut kann dieses freie Wasser nicht liefern. Liegen Defizite im Lipidgehalt vor, bleiben Korneodesmosomen erhalten, es kommt zur Ablösung sichtbarer Hautschuppen.

Abb. 1: Urea als Endprodukt des Aminosäurestoffwechsels (mod. nach Raab W [1993], Wellner K et al. [1992], Werner K et al. [1993])2–4

Abb. 2: Urea als ein Endprodukt des Aminosäurestoffwechsels (mod. nach Neuhofer)9

Klinisches Bild und Pflegeziele

Die Diagnose trockene Haut stützt sich auf das Erscheinungsbild trockener, leicht bis mäßig abblätternder Haut, die sich abschuppt. Zu den Merkmalen gehören eine veränderte Barrierefunktion, erhöhter transepidermaler Wasserverlust, weniger epidermale Lipide, geringer Harnstoffgehalt und geringe Wasserbindungskapazität.

Hyperkeratose geht einher mit einer erhöhten Dicke des Stratum corneum (Hornschicht) und einer abnormen Bildung an Keratin. Zu den verschiedenen Formen gehören u.a. lokalspezifische Erscheinungsformen an der Fußsohle (plantar), die Erkrankung der Haarfollikel (follikular), Brustwarzen und Schleimhäute (Leukoplakie), Hühneraugen und Warzen, chronisches Ekzem sowie „vererbt“. Klinische Studien und systematische Analysen unterstützen entsprechende praktische Erfahrungswerte zum positiven Nutzen für die betroffenen Patienten.8, 9

Durch die Anwendung von spezifischen Lotionen und Cremes soll die Barrierefunktion der Haut wiederhergestellt werden. Dabei geht es im Einzelnen um eine Reduktion des transepidermalen Wasserverlustes TEWL mittels Okklusion, eine Erhöhung des Lipidgehalts der Haut und eine Normalisierung der Hydratisierung durch Erhöhung des natürlichen Feuchthaltefaktors im Stratum corneum. Die Wirkung hängt dabei ab vom Vehikel:9Die O/W-Emulsion (Öl-in-Wasser-Emulsion) steht dabei für eine schnelle, oberflächliche Hydratisierung, die W/O-Emulsion für eine stufenweise, tiefe Hydratisierung („long lasting effect“).

Irritative Kontaktdermatitis

Als erste sichtbare Hautveränderungen sind zu nennen: Austrocknung, Schuppung, Juckreiz, Brennen, Erytheme. Zu beobachten ist in diesem Kontext eine kumulative Häufung subklinischer Hautschäden durch sich wiederholende Irritation: Bläschen, Risse, Exsudation, Verhornung. Berufsbedingte Hauterkrankungen in Bezug auf trockene Haut beeinträchtigen auch junge Menschen und machen bis zu 30% aller Berufskrankheiten aus. Häufig handelt es sich hierbei dann um Ekzeme an den Händen. Beispiele: Maurer, Maler/Lackierer (u.a. Zement, Farben, Lacke), Krankenhaus-/Pflegepersonal (u.a. Latex, Desinfektionsmittel) sowie Friseure.9

Beispiel: Excipial®-Pflegekonzept9

  • Urea als Wirkstoff reduziert transepidermalen Wasserverlust, verbessert die Barrierefunktion der Haut,

  • hydratisiert die Hornschicht (Stratum corneum) durch eine sehr hohe Wasserbindungsfähigkeit,

  • verbessert Geschmeidigkeit und Elastizität und lindert Juckreiz.

Neuhofer J: „Urea – das unverzichtbare Molekül in der Dermatologie“, Präsentation im Rahmen der DERM Alpin 2023, November 2023, Salzburg

1 Augustin M:Positionspapier: Diagnostik und Therapie der Xerosis cutis. 2018. Journal compilation. JDDG 1610-0379/2018/16. doi: 10.1111/ddg.135802 Raab W: Harnstoff. Übersicht. TWDermatologie 1993;23:257-69 3 Wellner K et al.: Untersuchungen zum Harnstoffgehalt der Hornschicht bei Neurodermitis. Z Hautkr 1992;67:648-50 4 Wellner K et al.: Untersuchungen zum Harnstoffgehalt der Hornschicht bei Psoriasis vulgaris. H+G 1993;68:102-4 5 Wohlrab W et al.: Einfluss des Harnstoffgehaltes unterschiedlicher Emulsionen auf die Wasserbindungskapazität der menschlichen Hornschicht. Z Hautkr 1991;6:390 6 Wohlrab W: Harnstoff in der Dermatologie.Deutsche Apotheker Zeitung 1996;30:17-21 7 Grether-Beck S et al.:Urea uptake enhances barrier function and antimicrobial defense in humans by regulating epidermal gene expression. J Invest Dermatol 2012; 132(6): 1561-72 8 Van Zuuren EJ et al.:Emollients and moisturisers for eczema. Cochrane Database Syst Rev 2017;2(2):CD012119. doi: 10.1002/14651858.CD012119.pub2 12 Van Zuuren EJ et al.: Performance and tolerability of the moisturizers Cetaphil® and Excipial® in atopic dermatitis: What is the evidence based on randomized trials. Dermatol Ther (Heidelb) 2017;7(3):331-47. doi: 10.1007/s13555-017-0184-3. Epub 2017 9Neuhofer J: Urea – das unverzichtbare Molekül in der Dermatologie, Votrag anlässlich des DERM-Alpin-Kongresses, November 2023, Salzburg

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