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Ärztliche Gesprächsführung

Die Kunst ärztlicher Kommunikation bei Breaking Bad News

Worte haben entscheidende Wirkungen. In Gesprächen mit Patient:innen und Angehörigen gibt es meist eine hohe Erwartungshaltung gegenüber der Ärztin, dem Arzt. Vor allem die Übermittlung von schwerwiegenden Nachrichten erfordert Fingerspitzengefühl. Diese ärztliche Kernkompetenz kann trainiert werden und verfeinert die ärztliche Kommunikation.

Kommunikative Wertehaltung

Neben dem naturwissenschaftlichen Aspekt der Medizin gibt es im Bereich der Kommunikation mit Patient:innen und deren Angehörigen immer wieder sehr herausfordernde Situationen. Vor allem bei der Übermittlung schwerwiegender Diagnosen (Breaking Bad News) sind Ärztinnen und Ärzte gefordert, ein gutes Setting und eine passende Sprache zu finden, um eine Diagnose möglichst schonend und dennoch aufklärend übermitteln zu können. Unterschiedliche Erwartungshaltungen und äußere Parameter beeinflussen die Gesprächsqualität: z.B. die psychische Verfassung der Patientin, die Anwesenheit von Angehörigen, Zeitdruck, das Setting, die Räumlichkeit, die Erfahrung der ärztlichen Person, der Schweregrad von Diagnose und Prognose.

„Die Übermittlung von schlechten Nachrichten ist eine der schwersten Aufgaben, nicht nur im klinischen Alltag eines Arztes/einer Ärztin, sondern in nahezu allen Berufen und Bereichen unseres Lebens. […] Auch in einer nach Lage der Dinge hoffnungslosen Situation kann man positive Aspekte für den weiteren Verlauf der Therapie oder des Lebens der Patientin finden und diese kommunizieren, ohne Unwahrheiten zu sagen. Ein gutes Gespräch informiert, unterstützt und versorgt.“1

„Breaking Bad News ist auch für Ärztinnen und Ärzte selbst sehr schwierig. Gefasst sein sollte nicht nur die ärztliche Person, die eine schlechte Diagnose oder Nachricht überbringen muss, sondern auch jeder Mensch, der Veränderungen in seinem Körper wahrnimmt.“2

Die angeführten Zitate renommierter Gynäkologen untermauern wesentliche Grundhaltungen für konstruktive, feinfühlige und effektive Gespräche mit Patientinnen.

Grundlagen gelingender Diagnoseübermittlung

Ärztliche Kommunikation kann als entscheidender Heilfaktor angesehen werden. Der Psychiater Harry Merl hat in seinen familientherapeutischen Forschungen auf die positive Wirkung von „zuträglicher Information“ hingewiesen.3 Es ist möglich, in einem belastenden Gespräch in Ruhe und Ehrlichkeit die Fakten zu offenbaren und in den darauffolgenden Momenten schon Möglichkeiten der Bewältigung, der Linderung, Aussicht und Hoffnung zu vermitteln. Idealerweise wird die Patientin von einer Vertrauensperson begleitet. Die Erfahrung lehrt, dass es nach den ersten Momenten der bedrohlichen Diagnosemitteilung bei vielen Patientinnen zu einer spontanen „Abschottung“ und zu einem geistigen Rückzug aus der Gesprächssituation kommt. Sie hören die folgenden Mitteilungen nur mehr wie durch einen dichten Nebel und diffus. Schon wenige Minuten des Zuwartens, während vielleicht jemand (Vertrauensperson) eine Hand der Patientin hält, ermutigende und beruhigende Worte („es wird irgendwie weitergehen, es gibt Möglichkeiten, wir sind bei Ihnen, wir begleiten Sie, wir werden Lösungen für diese Bedrohung finden …“) spricht, können die Aufnahmebereitschaft für weitere Gesprächsinhalte deutlich besser herstellen, als unter Zeitdruck den Informationstransfer „durchzuziehen“. Auch Schweigen und Betroffenheit, Tränen, Wutgefühle, Ohnmachtsgefühle für einige Minuten zuzulassen, zugewandt zu bleiben, den Augenkontakt mit der Patientin zu suchen, ist hilfreich. Jahrzehnte eigener psychoonkologischer Erfahrung haben mich gelehrt, die Ressource des „Innehaltens“ zu nützen. Etwas Geduld (Minuten) gibt in der Folge ein hohes Maß an Adhärenz und Compliance frei und spart letztlich deutlich viel Zeit ein, die man braucht, um das Vertrauen der Patientin wiederzugewinnen. Praktische Orientierung zur Gesprächsführung bieten auch Tabelle 1 und Tabelle 2.

Tab. 1: Das sechsstufige S-P-I-K-E-S-Modell (modifiziert nach Baile WF et al.)11

Tab. 2: Checkliste für das Gespräch zur Übermittlung einer schlechten Nachricht (modifiziert nach Sehouli J)1

Dialog in Würde und im Miteinander

Gerade in schwierigen oder aussichtslosen Situationen wirkt die Kraft des Tröstens. Ein sinnstiftender, verständnisvoller und motivierender Dialog ist wirksam und hilfreich.

2025 wäre Viktor Frankl 120 Jahre alt geworden. Er gilt als Pionier auf dem Gebiet der „ärztlichen Seelsorge“ und erforschte die Wirkung von Sinn und Sinnstiftung u.a. auf die Resilienz und auf das „salutogenetische Potenzial“4,5 von erkrankten Menschen.

Er meinte: „Der Arzt/die Ärztin – muss auch die Seele trösten. Das ist keinesfalls allein die Aufgabe des Psychiaters. Es ist ganz einfach die Aufgabe jeder praktizierenden Ärztin und jedes praktizierenden Arztes. Motivation und Sinn verbessern die Gemütslage des Menschen und damit auch die Immunlage.“6 Somit kommt zum Setting für das ärztliche Gespräch auch die Wirksamkeit der Person der Ärztin/des Arztes als zuträgliches Agens, als supportives Momentum, als „dooropener“, um die Patientin auf die vorgesehenen medizinischen Therapien (und sei es nötigenfalls eine palliative Versorgung) gut vorzubereiten.

Nachricht versus Überbringer:in – ein gravierender Unterschied

Das Überbringen und Mitteilen der belastenden (schlechten) Nachricht kann letztlich auch ein Bestandteil der medizinischen Therapiemaßnahmen und damit für die Heilung bzw. stabilisierende Behandlung essenziell sein. Es kommt weniger darauf an, welchen Charakter der Bedrohlichkeit die ärztliche Mitteilung für die Patientin hat. Vielmehr sind es die Art und Weise und das Fingerspitzengefühl, worauf es in einem so bedeutenden Dialog ankommt.

Die patientenbezogene und personalisierte Wahl der Formulierungen, der Worte, der Tonfall und die begleitende (möglichst authentische) Mimik können großen Einfluss auf das Gelingen des Gesprächs haben. Es versteht sich daraus von selbst, dass die Einstellung und die hoffnungsnährende Haltung von Ärztin und Arzt einen sensiblen Wirkfaktor darstellen.

Auch bei infausten Prognosen gibt es immer noch die Hoffnung, dass die Patientin ihren weiteren Leidensweg möglichst „gut“ gehen kann (Schmerzmanagement, seelische Begleitung, Sinnfindung trotz Leid und Tod, Anwesenheit von Angehörigen und mehr). Das ärztliche Vertrauen in die medizinischen Möglichkeiten, sei es in therapeutische oder palliative, findet durch die Einstellung der Ärztin, des Arztes seine Resonanz bei der Patientin. Somit wäre jede negative oder destruktive Haltung in der herausfordernden Lage der Patientin eine zusätzliche und unnötige Belastung. Wichtig: Der/die Überbringer:in IST NICHT die Nachricht!

Zur Betroffenheit von Ärztin und Arzt

Ärzt:innen sind Menschen. Sie sind Behandler:innen und zugleich Menschen, die auch in der eigenen Seele, am eigenen Leib spüren, was Krankheit und Heilung, Vergänglichkeit und Tod bedeuten können. Diese Betroffenheit gilt es nicht nur auszuhalten, sondern auch in den Dienst der Hoffnung zu stellen. Ein gewisses Maß an eigener Reflexion (Supervision, Training) zu den Themen Leid, Schuld und Tod (Frankl) ist hilfreich für ein professionelles Bewältigen von Breaking-Bad-News-Situationen. Christine Klapp, Gynäkologin an der Charité: „Niemand überbringt gern schlechte Nachrichten, dennoch muss ich meine Gefühle im Griff haben. Das heißt nicht, dass ich keine Gefühle zeigen darf. Ganz im Gegenteil. Sie dürfen mich nur nicht überrollen, denn dann kann ich meinem Gegenüber keinen Halt mehr geben. Und genau diesen Halt braucht die Patientin in dieser Lage dringend.“7

Die Kunst des ärztlichen Gesprächs

Die Literatur über Kommunikation in der Medizin, über ärztliche Gesprächsführung wie im Speziellen über „how to break bad news“ ist erfreulich reichhaltig und zunehmend. Für Viktor Frankl war es ein großes Anliegen, den humanistischen Aspekten von Würde, Einzigartigkeit und Einmaligkeit des Menschen, vor allem von Patient:innen in der Medizin, wieder einen angemessenen Stellenwert zu geben. Der Spitalsalltag ist geprägt durch einen hohen technischen (fortschrittlichen und wertvollen) Aufwand, durch rezidivierenden Personalmangel und oftmals schwieriges Zeitmanagement (Wartezeiten, Zeitmangel, Zeitdruck). Mit gutem Willen und Training ist es trotz aller hemmender Faktoren möglich, die notwendige Intensität der ärztlichen Zuwendung für die seelisch-geistigen Bedürfnisse der Patientinnen aufzubringen. Damit wird letztlich Zeit gespart und die Qualität der medizinischen Versorgung erhöht. Viktor Frankl empfiehlt vier Kompetenzen für einen würdevollen und gelingenden Dialog: Fingerspitzengefühl, Taktgefühl, Improvisationsgabe und Individualisierungsvermögen.8

Paul Watzlawick lehrt uns: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“9 Alles, was in einer Begegnung Ausdruck findet, hat Wirkung. Die Wahl der Worte, die Verständlichkeit der Sprache, der Tonfall, die dazu passende oder inkongruente Mimik, die Körpersprache, das Setting, die Geduld, zuhören und warten zu können, die Kraft, zum richtigen Zeitpunkt die Führung des Gesprächs klar zu übernehmen und dieses zu leiten. Ein klares Ziel sind das Erreichen von Verständnis der Information, von einer ersten Bereitschaft zur medizinischen Kooperation (Adhärenz) und das Zuhörenkönnen.

Franz Fischl, Professor für Gynäkologie in Wien, macht uns zum referierten Thema ein schönes Zitat zugänglich:10 „Wer sich dem anderen öffnen will, beginne mit dem Zuhören, dem ersten Schritt auf dem langen Weg des Verstehens.“

1 Sehouli J: Von der Kunst, schlechte Nachrichten zu überbringen. München: Kösel, 2018 2 Sevelda P: Ein Leben für das Leben – für ein noch besseres Miteinander zwischen Arzt und Patientin. Wien: echomedia buchverlag, 2022 3 Merl H: Über das Offensichtliche oder: Den Wald vor lauter Bäumen sehen. Wien: Krammer, 2006 4 Antonovsky A: Salutogenese. Tübingen: dgvt-Verlag, 1997 5 Linden M, Weig W (Hrsg.): Salutotherapie in Prävention und Rehabilitation. Köln: Deutscher Ärzteverlag, 2009 6 Frankl VE: Ärztliche Seelsorge. Frankfurt am Main: Fischer TB, 1995 7 Klapp C: https://www.spiegel.de/fotostrecke/aerzte-und-patienten-kurs-zum-ueberbringen-schlimmer-diagnosen-fotostrecke-80618.html ; zuletzt aufgerufen am 17.1.2025 8 Mori H: Existenzanalyse und Logotherapie. 2. Aufl. Wien: Facultas, 2023 9 Watzlawick P: Menschliche Kommunikation. 13. Aufl. Bern: Hogrefe, 2017 10 Fischl F: www.dr-fischl.at ; zuletzt aufgerufen am 17.1.2025 11 Baile WF et al.: SPIKES-A six-step protocol fordelivering bad news: application to the patient with cancer. Oncologist 2000; 5(4):302–11

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