
Neue Erkenntnisse zur Kolporrhaphie
Autor:innen:
Dr. Greta Carlin
Prof. Dr. Barbara Bodner-Adler
Universitätsklinik für Frauenheilkunde Medizinische Universität Wien
E-Mail: greta.carlin@meduniwien.ac.at
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Die Kolporrhaphie ist eines der etabliertesten chirurgischen Verfahren in der Beckenbodenchirurgie, welches vorrangig zur Behandlung von Beckenorganprolaps (BOP) eingesetzt wird. Die Hauptziele dieses Eingriffs sind die Wiederherstellung der Anatomie und damit einhergehend die Verbesserung der Beckenbodenfunktion sowie die nachhaltige Steigerung der Lebensqualität der betroffenen Patientinnen.
Trotz der bewährten Anwendung der Kolporrhaphie wird eine hohe Rezidivrate – besonders im vorderen Kompartiment – mit bis zu 40% verzeichnet. Diese stellt einerseits eine wesentliche chirurgische Herausforderung dar, verdeutlicht andererseits aber auch den dringenden Bedarf an innovativen Ansätzen und weiterentwickelten Techniken, um die langfristigen Behandlungsergebnisse zu optimieren.
Mesh und biologische Alternativen
Die Behandlung des vorderen Kompartimentes kann entweder durch „native tissue repair“ (=traditionelle vordere Kolporrhaphie) oder durch den Einsatz von Fremdmaterial (Mesh) erfolgen. Mehrere Studien haben die Wirksamkeit und Sicherheit dieser beiden Methoden verglichen, wobei beide operativen Behandlungsalternativen zu einer signifikanten Verbesserung der Symptome führen.1–4 Die anatomische Rezidivrate ist bei Mesh signifikant reduziert, mit Rezidivraten von 13–18% im Vergleich zu 41–58% bei der herkömmlichen anterioren Kolporrhaphie.2–4 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Verwendung von Meshes mit längeren Operationszeiten und höherem intraoperativem Blutverlust assoziiert ist und die Erosion eine häufige Komplikation bei der Verwendung von Mesh darstellt. Die Rate von Mesh-Erosionen variiert in der Literatur zwischen 9,5% und 19%.1,3,5
Eine weitere Therapiealternative zu synthetischen Implantaten stellt der Einsatz biologischer Materialien dar. Biologische Materialien zeichnen sich durch eine verbesserte Gewebsintegration aus und sie könnten dadurch seltener zu postoperativen Komplikationen führen. In einer nicht verblindeten randomisiert-kontrollierten Studie mit 114 Patientinnen wurde die Kolporrhaphie mit und ohne die Verwendung von dermalen Allografts verglichen.6 Nach einem Follow-up von bis zu zehn Jahren ergaben sich jedoch sowohl hinsichtlich der anatomischen als auch der subjektiven Ergebnisse keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Die Rezidivraten betrugen nach einem Jahr 18% bei der Verwendung eines Grafts und 31% ohne Graft. Nach sieben bis zehn Jahren lagen die Rezidivraten bei 23% mit Graft und 34% ohne Graft. Subjektiv berichteten nach einem Jahr 18% der Patientinnen mit Graft und 21% ohne Graft über Bulging-Beschwerden. Nach sieben bis zehn Jahren waren die Werte in beiden Gruppen gleich und lagen bei 30%. Diese Ergebnisse führten die Autoren zu der Schlussfolgerung, dass keine Änderung der aktuellen klinischen Praxis notwendig ist, da der zusätzliche Einsatz von diesem biologischen Graft keine signifikanten Vorteile bietet.
Mehrschichtige Versorgung der Zystozele – ein Benefit?
Eine deutsche Studiengruppe veröffentlichte rezent ein Video, in welchem sie die Technik des zweischichtigen anterioren Repairs (=„double-layered anterior colporrhaphy“) vorstellten.7 Bei dieser Technik wird vorerst die Zystozele mit einer fortlaufenden Naht und darüber mit einer Schicht Einzelknopfnähten versorgt. 60% der Studien-Patientinnen nahmen an der Follow-up-Visite nach durchschnittlich 19,3 Monaten teil, wobei bei 81,7% der Fälle sich kein Rezidiv zeigte und 91,7% der Patientinnen von einer Verbesserung der Lebensqualität berichteten.
Eine andere Studie analysierte die langfristigen Ergebnisse eines fibromuskulären Wiederaufbaus bei der vorderen Kolporrhaphie zur Versorgung von Patientinnen mit einem höhergradigen Prolaps (POP-Q-Stadium III oder IV).8 Nach einem Zeitraum von 24–60 Monaten stellten sich 91,2% der Patientinnen zur Follow-up-Kontrolle ein und es wurden nur vier Rezidive verzeichnet, welche erneut einer Behandlung bedurften. Weiters wurden keine signifikanten Komplikationen beobachtet.
Nahtmaterial und Nahttechnik
Der Einfluss verschiedener Nahtmaterialien wurde in einer longitudinalen Kohortenstudie untersucht, welche als Sekundäranalyse im Rahmen der „Manchester-Fothergill vs. vaginale Hysterektomie“-Studie durchgeführt wurde.9 Dabei wurden drei Arten von Nahtmaterialien anhand von insgesamt 462 Patientinnen verglichen: schnell resorbierbare multifilamentäre Fäden, schnell resorbierbare monofilamentäre Fäden und langsam resorbierbare monofilamentäre Fäden. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Rezidivrate zwischen den Gruppen. Allerdings wiesen schnell resorbierbare Monofilamente tendenziell eine höhere Rezidivrate auf im Vergleich zu den schnell resorbierbaren Multifilamenten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wahl des Nahtmaterials keinen entscheidenden Einfluss auf den langfristigen Erfolg der Kolporrhaphie hat, wobei spezifische Materialeigenschaften in besonderen Fällen berücksichtigt werden könnten.
Unsere urogynäkologische Arbeitsgruppe an der Medizinischen Universität Wien führte eine randomisierte, prospektive Studie durch, um die fortlaufende Naht bei der vorderen Kolporrhaphie mit Einzelknopfnähten zu vergleichen.10 Es wurden insgesamt 52 Patientinnen eingeschlossen, im Follow-up nach sechs und zwölf Monaten zeigte sich weder in den anatomischen noch in den subjektiven Ergebnissen ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Techniken. Dies deutet darauf hin, dass die Wahl der Nahttechnik ebenfalls keinen entscheidenden Einfluss auf das postoperative Ergebnis hat.
Perioperative Antibiose und Analgesie
Bezüglich perioperativer Maßnahmen zeigte eine schwedische Registerstudie mit über 6000 inkludierten Patientinnen, dass die präoperative Gabe von Antibiotika bei reiner hinterer Kolporrhaphie keinen signifikanten Einfluss auf die postoperative Infektionsrate hatte.10 In beiden Gruppen, mit und ohne präoperative Antibiose, lag die Rate postoperativer Infektionen bei 11%. Diese Ergebnisse lassen uns die Routinegabe von Antibiotika vor einer Kolporrhaphie kritisch hinterfragen.
Eine weitere Studiengruppe setzte sich hingegen mit der perioperativen Analgesie auseinander und führte eine multizentrische, doppeltverblindete randomisierte Studie zur Effektivität einer bilateralen Infiltration von 0,5% Bupivacain im Vergleich zu Kochsalzlösung zur Schmerzreduktion nach posteriorer Kolporrhaphie durch.11 Die Ergebnisse zeigten keinen signifikanten Unterschied in den kumulativen Schmerzangaben innerhalb von 24 Stunden (erhoben durch VAS=„visual analog scale“) sowie ein bis zwei Wochen nach der Operation. Analysiert wurden auch der Morphinbedarf und die „time to first bowel movement“, auch hier blieb der Nutzen der Bupivacain-Infiltration nicht nachweisbar.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass weder der Einsatz von dermalen Allografts noch spezifische Nahtmaterialien oder -techniken sowie perioperative Maßnahmen wie präoperative Antibiotikagabe oder die Verwendung von Bupivacain-Infiltration klare Vorteile bieten. Für die Praxis relevant wirken die vielversprechenden Ergebnisse bei der zweischichtigen Versorgung von Zystozelen bzw. durch die Rekonstruktion der fibromuskulären Schicht, die zu einer signifikanten Verbesserung der anatomischen und subjektiven Ergebnisse beitrugen. Diese Verfahren könnten daher eine wertvolle Ergänzung zur Optimierung der Kolporrhaphie darstellen.
Literatur:
1 de Tayrac R et al.: Comparison of anterior colporrhaphy versus bologna procedure in women with genuine stress incontinence. Int Urogynecol J 2002; 13: 36-9 2 El-Nazer MA et al.: Anterior colporrhaphy versus repair with mesh for anterior vaginal wall prolapse: a comparative clinical study. Arch Gynecol Obstet 2012; 286: 965-72 3 Nieminen K et al.: Outcomes after anterior vaginal wall repair with mesh: a randomized, controlled trial with a 3 year follow-up. Am Journal Obstet Gynecol 2010; 203: 235.e1-8 4 Altman D et al.: Anterior colporrhaphy versus transvaginal mesh for pelvic-organ prolapse. N Engl J Med; 364: 1826-36 5 Vollebregt A et al.: Effects of vaginal prolapse surgery on sexuality in women and men; results from a RCT on repair with and without mesh. J Sex Med 2012; 9: 1200-11 6 Iyer S et al.: Anterior colporrhaphy with and without dermal allograft: A randomized control trial with long-term follow-up. Urogynecol 2019; 25: 206-12 7 Graefe F et al.: Double-layered anterior colporrhaphy (DAC) – video and mid-term follow-up of 60 patients. Int Urogynecol J 2023; 34: 297-300 8 Oishi T et al.: Colporrhaphy using elastic tissue continuous with and obscured behind the fibromuscular layer of the vaginal wall. J Obstet Gynaecol Res 2023; 49: 1424-8 9 Valtersson E et al.: Evaluation of suture material used in anterior colporrhaphy and the risk of recurrence. Int Urogynecol J 2020; 31: 2011-8 10 Bekos C et al.: Continuous stitches versus simple interrupted stitches during anterior colporrhaphy: a randomized controlled trial. J Clin Med 2025; 14(2): 534 11 Mörlin V et al.: Antibiotic prophylaxis in posterior colporrhaphy does not reduce postoperative infection: a nationwide observational cohort study. Int Urogynecol J 2023; 34: 2791-7 12 Kaeser CT et al.: Bupivacaine use after posterior colporrhaphy to reduce postoperative pain: A multicenter, double-blinded, placebo-controlled, randomized clinical trial. Urogynecol 2022; 28(2): 72-6
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