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Pleuraerguss: Differenzialdiagnose und Management
<p class="article-intro">In Österreich treten ungefähr 50 000 Pleuraergüsse pro Jahr auf, davon ca. 5000 maligne Ergüsse. Für das Management von Pleuraergüssen ist das Verständnis von Anatomie, Histologie und Physiologie der Pleura sowie insbesondere des pleuralen Flüssigkeits-Turnovers essenziell.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Pleura ist als distinktes Organ zu sehen. Die parietale Pleura aller Säugetiere ist relativ uniform aufgebaut. Die viszerale Pleura verschiedener Spezies ist jedoch unterschiedlich dick. Beim Menschen sind es ca. 100µm (inklusive des subpleuralen Bindegewebes). Die Auskleidung der Pleurahöhle erfolgt durch ein einschichtiges Mesothel. Die innere Oberfläche von ca. 4000cm<sup class="Hochgestellt">2</sup> wird durch Mikrovilli deutlich vergrößert. Die Mesothelzellen der Pleura sind keine „passiv elastische Schicht“, sondern besitzen eine komplexe inflammatorische, sekretorische Potenz. Sie weisen überdies die Fähigkeit zur Phagozytose und Trans­zytose auf, was besonders wichtig für die Clearence von Albuminmolekülen aus dem Pleuraraum ist. Die Flüssigkeitsproduktion erfolgt unter physiologischen Bedingungen durch kapilläre Filtration hauptsächlich an der parietalen Pleura. Die Absorption erfolgt durch lymphatische Drainage, über Lymphgefäße der parietalen Pleura, die hauptsächlich an der diaphragmalen und mediastinalen Region Öffnungen direkt in die Pleurahöhle aufweisen („lymphatic stomata“). Die Stomata sind für den Durchtritt größerer Moleküle und Partikel besonders wichtig. Die Drainage der Pleuraflüssigkeit erfolgt hauptsächlich über die „lymphatische Pumpe“ an der Pleura parietalis, einerseits durch rhythmische Kontraktionen der glatten Muskelzellen in der Wand der Lymphgefäße, andererseits durch Schwankungen des Gewebsdrucks in Abhängigkeit von den Atemexkursionen. Weitere Absorptionsmechanismen sind der transzelluläre Transport sowie der Flüssigkeitstransport über Ionenaustauschpumpen.</p> <h2>Wenn Produktion und Absorption nicht zusammenpassen</h2> <p>Physiologisch liegen sowohl Produktion als auch Absorption von Pleuraflüssigkeit in der Größenordnung von jeweils 0,01ml/kg/h oder rund 15ml/Tag. Die maximale Drainagekapazität liegt bei 0,20ml/kg/h oder rund 300ml am Tag, das heißt, die Drainagekapazität kann bei steigender Produktion von Pleuraflüssigkeit auf das 20-Fache steigen. Ein Pleuraerguss kann folglich nur dann entstehen, wenn die Produktion auf mehr als 300ml pro Tag ansteigt oder die Reabsorption unter 300ml pro Tag abfällt. Steigt die Flüssigkeitsproduktion infolge vermehrter Filtration, hat man es mit einem Transsudat zu tun. Im Gegensatz dazu kann aktive Sekretion als Folge einer inflammatorischen Reaktion zur Ansammlung von Exsudat führen. Das charakteristische Symptom eines Pleuraergusses ist die Dyspnoe, die bei einem Erguss, der sich rasch entwickelt hat, früh und deutlich auftritt. Bei langsamer Entwicklung des Ergusses kommt es häufig erst spät zu Dyspnoe, wenn bereits größere Flüssigkeitsmengen in den Pleuraspalt ausgetreten sind.</p> <p>„Vermuten kann man einen Erguss bei einer Dämpfung des Klopfschalls und einer Abschwächung des Atemgeräuschs sowie des Stimmfremitus über einem Lungen­abschnitt. Nachweisen lässt er sich am schnellsten und genauesten durch eine Ultraschalluntersuchung“, erklärt Prim. Dr. Peter Errhalt, Universitätsklinikum Krems. Auf der Röntgenaufnahme der Lunge sind Pleuraergüsse meist ab einem Volumen von 250–300ml erkennbar. Typisch ist bei einer im Stehen angefertigten Aufnahme eine nach lateral (außen) ansteigende Verschattung (Damoiseau-Ellis-Linie).</p> <h2>Differenzialdiagnose: Transsudat und Exsudat</h2> <p>Das Vorgehen beim Pleuraerguss hängt von der Ursache und der Flüssigkeitsmenge ab. Bei kleineren Ergüssen wird häufig nur aus diagnostischen Überlegungen punktiert und die Ergussflüssigkeit laborchemisch, bakteriologisch und zytologisch untersucht. Bei größeren Flüssigkeitsmengen von >1l ist eine Entlastung der Pleura durch Entfernen des Ergusses indiziert. Je nach Grunderkrankung wird der Erguss mittels Thorakozentese, Drainage, Permanenzkatheter oder pneumologischer bzw. chirurgischer Thorakoskopie aus der Pleurahöhle entfernt. Der Erguss darf dabei keinesfalls verworfen werden, da er wesentliche Informationen für die Unterscheidung zwischen Exsudat und Transsudat und damit für die Diagnostik der Grunderkrankung liefert. Grundsätzlich sind Transsudate eiweißarm und Exsudate eiweißreich. Eine Unterscheidung ist anhand der „Light-Kriterien“ mit 98 % Sensitivität und 83 % Spezifität möglich. Ein bedeutsamer Parameter für die Differenzierung zwischen Exsudat und Transsudat ist auch die Laktatdehydrogenase (LDH).</p> <p>Ist mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt, kann von einem Exsudat ausgegangen werden:</p> <p>• Das Verhältnis von Gesamteiweiß im Pleuraerguss zu Gesamteiweiß im Serum ist >0,5.</p> <p>• Das Verhältnis der LDH im Pleuraerguss zur LDH im Serum ist >0,6.</p> <p>• LDH im Pleuraerguss beträgt über zwei Drittel des Serum-Normalwerts von LDH.</p> <p>Die potenziellen Ursachen eines Pleuraergusses sind vielfältig. Ein Exsudat spricht unter anderem für eine infektiöse Genese des Ergusses oder einen malignen Erguss. Ein Transsudat entsteht hingegen beispielsweise bei erhöhtem venösem Druck (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose etc.) oder Blockaden des lymphatischen Abflusses. Eine vollständige Auflistung der pathophysiologischen Hintergründe finden Sie in den Tabellen 1 (Transsudat) und 2 (Exsudat).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1706_Weblinks_s6.jpg" alt="" width="1419" height="2598" /></p> <p>Handelt es sich um ein Exsudat, so ist die weitere laborchemische Diagnostik von erheblicher Bedeutung. Bestimmt werden pH-Wert, Glukose, Triglyzeride, Amylase und Hämatokrit. Differenzial­blutbild, Zytologie und mikrobiologische Erregerdiagnostik sollten durchgeführt werden. Von diagnostischer Bedeutung ist unter anderem die Zahl der neutrophilen Granulozyten. Machen diese mehr als 50 % der Zellen im Erguss aus, so ist von einem akuten infektiösen Geschehen auszugehen. Eosinophilie (mehr als 10 % der Zellen im Erguss sind Eosinophile) spricht hingehen für Blut oder Luft in der Pleurahöhle. Handelt es sich um ein Transsudat, so ist keine Zytologie erforderlich, sofern es keine deutlichen Hinweise auf eine Tumorerkrankung gibt.</p> <h2>Der maligne Pleuraerguss infolge von Metastasen</h2> <p>Eine Sonderform des Pleuraergusses stellt der maligne Pleuraerguss als Folge einer Metastasierung in die Pleura visceralis oder parietalis dar. Mit Ausnahme des Pleuramesothelioms, das bereits frühzeitig einen Pleuraerguss verursachen kann, bedeutet der maligne Pleuraerguss immer ein Stadium IV einer Tumorerkrankung. Pleurametastasen führen dabei über einen komplexen immunologischen Prozess zu einem Exsudat. Die Tumorzellen sind (in Abhängigkeit von der Histologie des Primärtumors) in unterschiedlicher Häufigkeit im Erguss nachweisbar. Zwar ist eine positive Ergusszytologie diagnostisch im Hinblick auf Pleurametastasen, doch gilt der Umkehrschluss nicht: Eine negative Ergusszytologie schließt Pleurametastasen nicht aus! Darüber hinaus handelt es sich bei einem Pleuraerguss im Rahmen einer Tumorerkrankung auch nicht zwingend um einen malignen Pleuraerguss. Vielmehr kann der Pleuraerguss bei Tumorpatienten auch als lokale Tumorkomplikation auftreten. Als Ursachen kommen lymphatische Obstruktion, postobstruktive Pneumonie (parapneumonischer Erguss), Atelektase (Transsudat!), Chylothorax und das „Superior-Vena-cava-Syndrom“ (obere Einflussstauung) in Zusammenhang mit der Tumorerkrankung infrage. Ein Pleuraerguss ist auch als Folge systemischer Tumoreffekte möglich, beispielsweise wenn im Rahmen der Tumorerkrankung eine Pulmonalembolie auftritt. Ebenso kann Hypoalbuminämie zu einem Pleuraerguss (Transsudat) führen. Nicht zuletzt kann es als Behandlungskomplikation infolge einer Radio- oder Chemotherapie zu einem Pleuraerguss kommen.</p> <p>Kommt es zum wiederholten Nachlaufen des Ergusses, kann eine chemische oder chirurgische Pleurodese indiziert sein. Dabei wird die Vernarbung der Pleurablätter angestrebt, damit sich zwischen ihnen nicht erneut Flüssigkeit ansammeln kann. Im Rahmen der chemischen Pleurodese werden Medikamente in den Pleuraspalt eingebracht, die dort eine Entzündungsreaktion mit folgender Vernarbung der Pleurablätter bewirken sollen. Damit dieser Eingriff indiziert ist, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Der Erguss muss sich symptomatisch auswirken und die Ergussentlastung muss zu Symptomverbesserung führen. Weiters muss die Ergussentlastung eine vollständige Entfaltung der Lunge bewirken. Liegt hingegen eine „trapped lung“ vor, so ist ein Pleurodeseversuch wegen Empyemgefahr kontraindiziert. Für die chemische Pleurodese werden unter anderem Tetracyclin oder Doxycyclin eingesetzt. Am wirksamsten ist jedoch die Pleurodese mit Talkum im Rahmen einer pneumologischen Thorakoskopie („Talkum-Poudrage“). Alternativ können 4 bis 8g Talkum in 50–100ml steriles NaCl eingebracht werden und die dickflüssige Lösung kann über eine liegende Thoraxdrainage in den Pleuraraum instilliert werden. Eine energische analgetische Prämedikation ist unbedingt erforderlich, wobei nichtsteroidale Antirheumatika wegen der antiinflammatorischen Wirkung vermieden werden sollten und subkutanen Opioiden der Vorzug zu geben ist. Die chirurgische Pleurodese ist ein minimal invasiver Eingriff, der ebenfalls das Ziel hat, einen Entzündungsreiz zu setzen. Dies kann beispielsweise durch Anrauen der Pleurablätter versucht werden, meist wird jedoch ebenfalls eine Talkum-Poudrage durchgeführt.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Vortrag „Interventionelle Pneumologie“ von Assoc. Prof. Prim. Dr. Peter Errhalt im Rahmen der ÖGP Summer School 2017, 22.–24. Juni 2017, Traunkirchen
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