
Update Speicheldrüsenmalignome
Autor: Priv.-Doz. DDr. Lorenz Kadletz-Wanke
Abteilung für Otolaryngologie, Kopf- und Halschirurgie
Medizinische Universität Wien
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Speicheldrüsenmalignome sind eine seltene Entität mit einer außergewöhnlich heterogenen Histologie. Die präoperative Abklärung spielt daher eine wichtige Rolle in der Therapieplanung. Eine Resektion ist meist anzustreben, der Erhalt des Nervus facialis und das Management der Lymphknoten sind dabei aufgrund der mangelnden Datenlage klinische Herausforderungen.
Keypoints
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Die meisten Speicheldrüsenmalignome können in hochdifferenzierte („low-grade“) Karzinome mit 85%iger 5-Jahres-Survivalrate und niedrigdifferenzierte („high-grade“) Karzinome mit 44%iger 5-Jahres-Survivalrate eingeteilt werden.
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Eine Schnittbildgebung der Kopf-Hals-Region sowie Gewebsuntersuchungen sollten zur präoperativen Abklärung herangezogen werden.
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Prinzipiell ist eine Resektion des Primums anzustreben.
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Für das elektive Management der Halslymphknoten liegt derzeit kein Konsensus vor.
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Die adjuvante Strahlentherapie wird je nach Risikoprofil empfohlen, eine postoperative, systemische Therapie ist außerhalb klinischer Studien derzeit nicht indiziert.
Maligne Erkrankungen der Speicheldrüsen sind eine seltene Krebsart und machen 3–6% aller Kopf- und Halsmalignome aus. Die häufigste Lokalisation ist die Ohrspeicheldrüse (80%), gefolgt von den kleinen Speicheldrüsen (10–15%) und der Unterkieferspeicheldrüse (5–10%). Tumoren der Parotis, und hier insbesondere T1- und T2-Tumoren, zeigen als einzige Gruppe eine steigende Inzidenz in den letzten Jahrzehnten.
Pathohistologie
Pathohistologisch stellt diese Krebsform ein sehr heterogenes Krankheitsbild dar. Es gibt über 20 verschiedene Krebsformen epithelialen Ursprungs. Die häufigsten Vertreter sind das Mukoepidermoidkarzinom (3/1000000/Jahr), das Azinuszellkarzinom (2,2/1000000/Jahr) und das adenoidzystische Karzinom (1,3/1000000).1
Das histologische Grading ist für Prognoseabschätzung und Therapieplanung ein entscheidender Faktor. Dadurch kann man die meisten Speicheldrüsenmalignome in zwei Arten einteilen: „low-grade“ (= hochdifferenzierte)und „high-grade“ (= niedrigdifferenzierte). „Low-grade“ Karzinome haben eine 5-Jahres-Survivalrate von 85%. Diese beträgt bei „high-grade“ Formen nur 44%.2 Manche Kopf-Hals-Chirurgen sind der Meinung, dass eine „low-grade“ Variante nur im histologischen Fall eines Mukoepidermoid-, Azinuszell- oder Basalzelladenokarzinoms vorliegt.
Therapie
Es gibt zwei Leitlinien, welche zur Behandlung von Speicheldrüsenmalignomen herangezogen werden können: Diese werden vom National Comprehensive Cancer Network und der American Society of Clinical Oncology publiziert.
Präoperative Abklärung
In der präoperativen Abklärung sollte eine Schnittbildgebung der Kopf- und Halsregion durchgeführt werden. Ist der Verdacht auf eine perineurale Invasion gegeben (Schmerzen, Tumor im tiefen Anteil der Parotis, Facialisparese) ist eine MRT die Bildgebung der Wahl. Eine perineurale Invasion entlang des Nervus auriculotemporalis in Richtung des Foramen ovale sollte hier besonders beachtet werden (Abb. 1). In diesem Verlauf kommt es auch häufig zurAusbildung von lokalen Rezidiven. Eine Bildgebung des Thorax sollte bei allen „high-grade“ Karzinomen, jedem adenoidzystischen Karzinom und Patienten mit perineuraler Invasion erfolgen. Ein PET-CT hat in der Abklärung von pulmonalen Metastasen nur geringe Vorteile gegenüber der CT. Insgesamt sind Fernmetastasen bei initialer Diagnose jedoch sehr selten (1–5%).3
Abb. 1: MRT eines Patienten mit einem „high-grade“ Adenokarzinom der Parotis mit histologisch verifizierter Infiltration des N. auriculotemporalis. In Rot ist der zu erwartende Verlauf des Nervs am Hinterrand der Mandibula dargestellt. Der grüne Pfeil zeigt auf die Ausbreitung entlang des Nervs
Um die Therapie korrekt planen zu können, ist präoperativ eine Gewebsuntersuchung hilfreich und anstrebenswert. Die ultraschallgezielte Grobnadelbiopsie (GNB) setzt sich hier als Methode der Wahl immer mehr durch. Die Sensitivität, und damit der Ausschluss einer malignen Erkrankung, liegt in Metaanalysen bei 92% im Gegensatz zur Feinnadelaspirationszytologie (FNA), welche eine Sensitivität von lediglich 64% aufweist. Hinzu kommt, dass bei Berechnung der Sensitivität die Rate an nichtdiagnostischen Ergebnissen nicht einbezogen wird (GNB 3,7% vs. FNA 14,3%).4 Die zytopathologische Evaluation von FNA-Proben ist technisch nicht sehr einfach und es gibt in Österreich nur wenige Pathologen, welche viel Erfahrung hiermit aufweisen. Idealerweise sollte die Auswertung anhand des Milan-Systems erfolgen, welches aber oft noch nicht den Einzug in die Routinebefundung gefunden hat.
Resektion
Im Rahmen der Therapieplanung ist eine Resektion, sofern technisch möglich und onkologisch sinnvoll, prinzipiell anzustreben. Bei kleinen „low-grade“ Tumoren ohne Risikofaktoren ist eine alleinige Resektion des Primums zumeist ausreichend. Das Ausmaß der Resektion im Falle eines Parotismalignoms kann nach derzeitigem Wissensstand nicht eindeutig beantwortet werden und wird teilweise kontrovers diskutiert. Im Zweifelsfall sollte aber zumindest eine superfizielle Parotidektomie durchgeführt werden, insbesondere wenn keine präoperative Gewebsuntersuchung vorliegt. Bei größeren Tumoren sowie „high-grade“ Tumoren ist prinzipiell eine ausgedehntere Resektion nötig, auch um (okkulte) intraparotideale Lymphknotenmetastasen in der Resektion miterfassend zu entnehmen. Die Rate an intraparotidealen Lymphknotenmetastasen beträgt fast ein Viertel aller Patienten.5 In Fällen mit einer ausgedehnten Parotidektomie sollten auch immer augmentative Verfahren (meist im Sinne einer freien Lappenplastik) angeboten werden, um disfigurierende Ergebnisse zu vermeiden.
Eine der schwierigsten Entscheidungen ist die Handhabung des Nervus facialis. Ein funktionierender Nerv sollte so gut es geht erhalten werden, auch wenn dadurch ein unzureichender onkologischer Sicherheitsabstand erreicht wird. Die funktionellen Defizite einer Resektion sollten immer abgewogen werden, insbesondere da es bis dato keine Studie gibt, die zeigen konnte, dass eine Resektion einen Überlebensvorteil bietet.6 Sollte der Nerv reseziert werden müssen, sind statische oder dynamische rekonstruktive Verfahren notwendig.
Es kann auch bei jedem lokoregionären Rezidiv, sofern keine Kontraindikation für eine Operation vorliegt, eine chirurgische Sanierung angeboten werden. Dies kann auch in Fällen von Patienten mit Fernmetastasen geschehen, sofern diese stabil sind oder nur einen langsamen Progress zeigen.
Neben der Therapie des Primums ist auch das elektive Management der Halslymphknoten eine Frage, die keine einfache Beantwortung zulässt. Für „low-grade“T1- und T2-Karzinome wird derzeit in keiner der beiden Guidelines eine Empfehlung für eine elektive Behandlung des Halses ausgesprochen. Dies wird nur für große oder „high-grade“ Tumoren empfohlen. Abgesehen von der dichotomen Entscheidung der chirurgischen Mitbehandlung des Halses, gibt es derzeit auch keinen Konsensus, welche Level bei einer elektiven „neck dissection“ miterfasst werden sollen. Anhand der Rate an okkulten Metastasen sollten im Falle eines Parotistumors zumindest Level II und III, bei Submandibulariskarzinomen Level I bis III und bei allen anderen Lokalisationen die Levels „at risk“ entfernt werden, wo ähnlich wie bei Plattenepithelkarzinomen der Schleimhaut vorgegangen werden soll. Eine elektive Behandlung des Halses kann zwar die regionale Kontrolle verbessern, hat aber nach derzeitigem Erkenntnisstand keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben der Patienten.7
Sollten Lymphknoten bereits klinische Zeichen einer Invasion zeigen, sollte auch Level V in das „Neck dissection“-Gebiet einbezogen werden. Hier sind im Falle eines N+ Halses relativ häufig Metastasen zu finden.8 Die vorhandenen Daten zu den einzelnen histologischen Subtypen sind nur spärlich publiziert und reichen derzeit nicht aus, um vereinzelte Empfehlungen daran zu koppeln.
Strahlentherapie
Im Gegensatz dazu gibt es in beiden Richtlinien eine eindeutige Empfehlung zur adjuvanten Strahlentherapie für jedes operativ entfernte adenoidzystische Karzinom. Diese sollte den Patienten immer angeboten werden. Eine Partikeltherapie kann hier gewisse Vorteile zeigen.9 Ansonsten sollte jeder Patient eine postoperative Strahlentherapie angeboten bekommen, der einen der folgenden Risikofaktoren aufweist:
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„high-grade“ Tumor
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positive Resektionsränder
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perineurale, lymphovaskuläre oder vaskuläre Invasion
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T3- und T4-Tumoren
Systemische Therapieoptionen
Bezüglich systemischer Therapien gibt es derzeit keine Indikation im adjuvanten Setting außerhalb klinischer Studien. Dies gilt auch für adjuvante endokrine oder gezielte Therapien im Falle von Androgen-Rezeptor und/oder HER2/Neu exprimierenden Tumoren.
Nachsorge
ImFollow-up von Patienten mit Kopf- und Halsspeicheldrüsenmalignomen gilt es besonders auf das Auftreten von Fernmetastasen zu achten. Bis zu 20% aller Patienten entwickeln Fernmetastasen im Laufe der Erkrankung. Das mediane Auftreten beträgt ca. 20 Monate. Die Lunge und Knochen sind die häufigsten (ca. 90%) Absiedlungsorte von Fernmetastasen. Das adenoidzystische Karzinom ist der histologische Subtyp, welcher die meisten Fernmetastasen ausbildet.3
Fazit
Leider stellen Speicheldrüsenmalignome ein sehr schwer zu studierendes Krankheitsbild dar, da sie sehr selten und gleichzeitig histologisch unglaublich vielfältig sind. Es mangelt derzeit an prospektiven Studien mit ausreichender Fallzall für die einzelnen histologischen Varianten.
Literatur:
1 Del Signore AG, Megwalu UC: The rising incidence of major salivary gland cancer in the United States. Ear Nose Throat J 2017; 96(3): E13-E16 2 Xiao CC et al.: Predictors of nodal metastasis in parotid malignancies: a national cancer data base study of 22,653 patients. Otolaryngology Head Neck Surg 2016; 154(1): 121-30 3 Mimica X et al.: Distant metastasis of salivary gland cancer: incidence, management, and outcomes. Cancer 2020; 126(10): 2153-62 4 Cho J et al.: Comparison of core needle biopsy and fine-needle aspiration in diagnosis of malignant salivary gland neoplasm: systematic review and meta-analysis. Head Neck 2020; 42(10): 3041-50 5 Guntinas-Lichius O et al.:Prognostic role of intraparotid lymph node metastasis in primary parotid cancer: systematic review. Head Neck 2021; 43(3): 997-1008 6 Swendseid B et al.: Looking at oncological outcomes following facial nerve sacrifice in patients undergoing parotidectomy for malignancy. COSM 2015 – Combined Otolaryngological Spring Meeting 7 Harbison RA et al.: The role of elective neck dissection in high-grade parotid malignancy: a hospital-based cohort study. Laryngoscope 2020; 130(6): 1487-95 8 Westergaard-Nielsen M et al.: Surgical treatment of the neck in patients with salivary gland carcinoma. Head Neck 2021; 43: 1898-911 9 Ebner DK et al.: The role of particle therapy in adenoid cystic carcinoma and mucosal melanoma of the head and neck. Int J Part Ther 2021; 8(1): 273-84 10 Geiger JL et al.: Management of Salivary Gland Malignancy: ASCO Guideline. J Clin Oncol 2021; 39(17): 1909-41
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