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Neuer, 15-valenter Pneumokokkenimpfstoff in Entwicklung
Jatros
30
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12.09.2019
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<p class="article-intro">Invasive Pneumokokkenerkrankungen haben seit Einführung polyvalenter Impfstoffe stark abgenommen. Allerdings kommt es zu einer Verschiebung hin zu von den Vakzinen nicht abgedeckten Serotypen. Viel in Gebrauch ist derzeit ein 13-valenter Konjugatimpfstoff. Der nun in Entwicklung befindliche 15-valente Impfstoff deckt zwei zusätzliche Serotypen, 22F und 33F, ab.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Pneumokokken lassen sich in an die hundert Serotypen unterschiedlicher Virulenz und Pathogenität einteilen.</li> <li>Konjugierte Impfstoffe gegen Pneumokokken wirken vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern besser als Polysaccharid- Impfstoffe.</li> <li>Ein neuer, 15-valenter Impfstoff, der zusätzlich zum 13-valenten auch die Serotypen 22F und 33F abdeckt, ist in Entwicklung.</li> </ul> </div> <p><em>Streptococcus pneumoniae</em>, zumeist kurz als Pneumokokken bezeichnet, ist ein wichtiges Pathogen, das vor allem zwei Altersgruppen heimsucht: Kinder unter fünf Jahren und Erwachsene ab dem 65. Lebensjahr. Schätzungen zufolge gab es im Jahr 2000 weltweit 14,5 Millionen Pneumokokkenerkrankungen, und ca. 800 000 Kinder unter fünf Jahren starben daran.</p> <h2>Eigenschaften von Pneumokokken</h2> <p>Der Mensch ist das einzige Reservoir des Bakteriums, und asymptomatische Trägerschaft ist eine Voraussetzung für das Entstehen einer Infektion. Die Kolonisation durch Pneumokokken betrifft vor allem den Nasopharynx.<br /> Pneumokokkeninfektionen werden in invasive und nicht invasive Erkrankungen eingeteilt. Dabei sind invasive Infektionen solche, die ein normalerweise steriles Organsystem betreffen. Gefährlich sind invasive Pneumokokkeninfektionen wie Meningitis, bakteriämische Pneumonie, Bakteriämie ohne Fokus und septische Arthritis. Nicht invasive Infektionen durch Pneumokokken sind z. B. die akute Otitis media, die nicht bakteriämische Pneumonie und die Sinusitis. Die Komplikationen einer invasiven Pneumokokkenerkrankung können erheblich sein. So wird z. B. für die Pneumokokkenmeningitis eine Letalität von 8 % und eine neurologische Komplikationsrate von 25 % angegeben.<br /> Pneumokokken sind kugelförmige, grampositive Bakterien, die über eine Reihe von Virulenzfaktoren verfügen. Der wichtigste Virulenzfaktor scheinen kapsuläre Polysaccharide zu sein, die das Bakterium umgeben und es vor Phagozyten schützen. Anhand dieser Polysaccharide werden Pneumokokken in Serotypen klassifiziert, von denen an die hundert bekannt sind. Diese Serotypen weisen unterschiedliche Virulenz und Pathogenität auf – so sind z. B. die Serotypen 1, 4, 5, 7F, 8, 12F, 14, 18C und 19A die häufigsten Verursacher von invasiven Pneumokokkeninfektionen.<sup>1</sup></p> <h2>Serotypen und Impfungen</h2> <p>Da jeder Pneumokokken-Serotyp eine andere serologische Reaktion auslöst, ist es notwendig, Serotypen-spezifische Impfstoffe zu entwickeln. Je mehr Serotypen ein Impfstoff abdeckt, desto breiter wirkt er.<br /> Allerdings ist nicht nur die Zahl der abgedeckten Serotypen für die Wirksamkeit eines Impfstoffs verantwortlich. Die ersten, schon vor Jahrzehnten zugelassenen Pneumokokken- Impfstoffe waren unkonjugierte Polysaccharid-Vakzinen. Diese zeigen bei Erwachsenen und auch älteren Personen sowie bei Hochrisiko-Populationen eine gute Wirkung, sie wirken jedoch schlecht bei Säuglingen und Kleinkindern. Das liegt daran, dass Polysaccharide T-Zell-unabhängige Immunogene sind und bei Kleinkindern eine schlechte Immunantwort auslösen.<br /> Verbindet, also „konjugiert“, man Pneumokokken- Polysaccharide mit Trägerproteinen, so erzeugt man eine T-Zell-abhängige Immunantwort, was die Immunogenität bei Kleinkindern beträchtlich erhöht. Die Einführung konjugierter Impfstoffe hat die Belastung durch invasive Pneumokokkenerkrankungen erheblich reduziert.<br /> Allerdings bleibt ein Problem bestehen: Wenn bestimmte Serotypen durch Impfung abgedeckt werden, so führt dies zu einer Verschiebung der Infektionshäufigkeit durch andere, nicht abgedeckte Serotypen, deren relative Häufigkeit zunimmt.</p> <h2>Aktuelle Empfehlungen</h2> <p>Laut österreichischem Impfplan sind derzeit zwei konjugierte Impfstoffe für Kinder zugelassen, ein zehnvalenter (PNC10) und ein dreizehnvalenter (PNC13). Im Gratis-Kinderimpfprogramm ist nur der PNC10 enthalten. Geimpft werden soll im dritten, fünften und zwölften bis 14. Lebensmonat. Es wird darauf hingewiesen, dass eine einmal begonnene Grundimmunisierung mit demselben Impfstoff abgeschlossen werden soll.<br /> Erwachsene ab dem 50. Lebensjahr sowie Risikopersonen sollten sich mit PNC13 und mindestens ein Jahr später mit der 23-valenten Polysaccharidvakzine impfen lassen.</p> <h2>Neuer Impfstoff in Entwicklung</h2> <p>Die Serotypen 22F und 33F werden nicht durch die 13-valente Impfung abgedeckt. In den USA machten diese beiden Serotypen im Jahr 1998 weniger als 1 % aller invasiven Pneumokokkenerkrankungen („invasive pneumococcal disease“, IPD) aus, bei Erwachsenen ≥ 65 waren es 4,5 % (22F) bzw. 0,9 % (33F). 15 Jahre später, im Jahr 2013, war zwar die absolute Zahl von IPD signifikant zurückgegangen; der Serotyp 22F verursachte jedoch zu diesem Zeitpunkt bei Kindern unter fünf Jahren 11 % und bei Erwachsenen ab 18 Jahre 13 % aller IPD; die analogen Zahlen für Serotyp 33F betrugen 10 % und 5 %.<br /> Deshalb wurde nun eine 15-valente Konjugatvakzine entwickelt, die neben den schon im 13-valenten Impfstoff enthaltenen Serotypen 1, 3, 4, 5, 6A, 6B, 7F, 9V, 14, 18C, 19A, 19F und 23F auch die beiden Serotypen 22F und 33F abdeckt.<sup>2</sup><br /> Zunächst wurden in einer „Dose ranging“-Studie verschiedene Impfstoffkandidaten mit unterschiedlichen Trägerproteinen und Adjuvanzien mit gesunden Kleinkindern und Erwachsenen evaluiert, wobei die Kinder vier Teilimpfungen (Monate 2, 4, 6 und 12–15) erhielten, Erwachsene nur eine Dosis. Die Immunogenität wurde mit PNC13 verglichen. Schließlich wurde die Vakzine mit der höchsten Immunogenität und zugleich Sicherheit (Formulierung B) für die weitere Entwicklung in Phase II ausgewählt.<sup>2</sup></p> <h2>Phase-II-Daten für PNC15</h2> <p>In der Folge wurden drei Phase-II-Studien mit PNC15 durchgeführt.<br /> Die Studie von Greenberg und Kollegen<sup>3</sup> untersuchte 1148 Kinder, die im Alter von 2, 4, 6 und 12–15 Monaten geimpft wurden. Es wurden randomisiert drei Gruppen gebildet: Zwei dieser Gruppen erhielten einen mit Aluminium adjuvierten bzw. einen unadjuvierten PNC15, die dritte Gruppe erhielt PNC13. Die Sicherheit wurde jeweils 14 Tage nach einer Dosis überwacht. Es zeigte sich, dass die Sicherheitsprofile zwischen den drei Gruppen vergleichbar waren. Nach der dritten Dosis war die Immunogenität durch PNC15 für zehn der 13 in PNC13 enthaltenen Serotypen jener durch PNC13 nicht unterlegen. Für drei Serotypen (6A, 6B und 19A) wurde die Nichtunterlegenheit jedoch verfehlt. Die Adjuvierung durch Aluminium erhöhte die Immunogenität von PNC15. Für die Serotypen 3 (in PNC13 enthalten) sowie 22F und 33F (in PNC13 nicht enthalten) induzierte PNC15 höhere Antikörpertiter als PNC13.</p> <p>In der Studie von Stacey und Kollegen<sup>4</sup> wurden 690 gesunde, über 50-jährige Erwachsene geimpft, 230 pro Arm. Der erste Arm erhielt PNC15 in Formulierung A, der zweite Arm PNC15 in Formulierung B, der dritte Arm PNC13. (Dies waren die gleichen Formulierungen, wie bereits in der Studie von Rupp et al. getestet).2 Es wurden bezüglich der Immunogenität, wie auch in den anderen Studien, die geometrischen Mittel der serotypspezifischen opsonophagozytischen Aktivität (OPA) und der erreichten IgG-Antikörperkonzentrationen ermittelt.<br /> Beide PNC15-Formulierungen hatten mit PNC13 vergleichbare Sicherheitsprofile. Die durch die beiden PNC15-Formulierungen erreichten IgG-Konzentrationen und OPA-Titer waren jenen durch PNC13 nicht unterlegen (für die in PNC13 enthaltenen Serotypen) bzw. überlegen (für die nicht in PNC13 enthaltenen Serotypen). Formulierung B induzierte im Allgemeinen etwas höhere Immunantworten als Formulierung A.<br /> Die Studie von Peterson und Kollegen<sup>5</sup> ging von Daten aus, die zeigten, dass die Immunogenität einer Pneumokokkenimpfung (Polysaccharid- oder Konjugatimpfstoff) gesteigert werden kann, wenn sie innerhalb von drei Jahren nach Gabe des 23-valenten Polysaccharidimpfstoffs (PPV23) erfolgt. 250 Erwachsene, die mindestens 65 Jahre alt waren, wurden in zwei gleiche Gruppen geteilt. Alle hatten mindestens ein Jahr vorher PPV23 erhalten und bekamen nun eine einzelne Dosis von PNC15 oder PNC13. Die Zielparameter waren wiederum die Sicherheit sowie die Immunogenität. Die Sicherheitsprofile beider Gruppen waren vergleichbar. Die Immunogenität für die in beiden Vakzinen enthaltenen Serotypen war ebenfalls vergleichbar. PNC15 induzierte hohe Titer von IgG und OPA-Antikörpern in dieser vorgeimpften, älteren Population.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Song JY et al.: Clinical implications of pneumococcal serotypes: invasive disease potential, clinical presentations, and antibiotic resistance. J Korean Med Sci 2013; 28 (1): 4-15. doi:10.3346/jkms.2013.28.1.4 <strong>2</strong> Rupp R et al.: A dose ranging study of 2 different formulations of 15-valent pneumococcal conjugate vaccine (PCV15) in healthy infants. Hum Vaccin Immunother 2019; 15(3): 549-559. doi:10.1080/21645515.2019.1568159 <strong>3</strong> Greenberg D et al.: Safety and immunogenicity of 15-valent pneumococcal conjugate vaccine (PCV15) in healthy infants, Vaccine 2018; 36(45): 6883-6891. doi:10.1016/j.vaccine.2018.02.113 <strong>4</strong> Stacey HL et al.: Safety and immunogenicity of 15-valent pneumococcal conjugate vaccine (PCV-15) compared to PCV-13 in healthy older adults. Hum Vaccin Immunother 2019; 15(3): 530-539. doi:10.1080/21645515.2018.15322 49 <strong>5</strong> Peterson JT et al.: Safety and immunogenicity of 15-valent pneumococcal conjugate vaccine compared to 13-valent pneumococcal conjugate vaccine in adults >/=65 years of age previously vaccinated with 23-valent pneumococcal polysaccharide vaccine. Hum Vaccin Immunother 2019; 15(3): 540-548. doi:10.1080/21645515.2018. 1532250</p>
</div>
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