Fibromuskuläre Dysplasie – ein Update
Bericht: Dr. med. Sabina Ludin
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In einer «State of the Art»-Lecture stellte Prof. Dr. med. Alexandre Persu von der Université catholique de Louvain (Belgien) den ersten internationalen Konsensus zur fibromuskulären Dysplasie (FMD) vor und berichtete über die ersten Erkenntnisse, die aus dem europäischen/internationalen FMD-Register FEIRI, das von ihm koordiniert wird, gewonnen wurden.
Die renovaskuläre Hypertonie ist eine der häufigsten Formen der sekundären Hypertonie. Über 95% der Fälle sind entweder auf eine Atherosklerose der Nierenarterien oder eine fibromuskuläre Dysplasie (FMD) zurückzuführen.1,2 «In den letzten 10 Jahren hat sich unser Bild von der FMD als seltene Hypertonieursache bei jungen Frauen mit den typischen perlschnurartigen Gefässveränderungen gewandelt. Heute wissen wir, dass es sich um eine Konstellation verschiedener klinischer Muster handelt. Viel zu dieser Erkenntnis beigetragen haben US-amerikanische, französische und das Ende 2015 initiierte europäische/internationale FMD-Register, FEIRI», erklärte Persu.
Die FMD ist eine systemische arterielle Krankheit und betrifft zwar tatsächlich zu 80–90% Frauen, aber nicht nur und auch nicht nur junge Frauen (Abb.1).3 Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung beträgt 50 Jahre und in 50–60% der Fälle sind mehrere arterielle Gefässgebiete betroffen.3,4 Die typische perlschnurartige Gefässläsion findet man in 80% der Fälle, in 20% manifestiert sich die FMD mit fokalen Stenosen.3,4 Seltenere klinische Erscheinungsformen sind: fokale Stenosen bei Kindern oder jungen Männern; multifokale FMD bei älteren Frauen mit gleichzeitigem Auftreten von atherosklerotischen Läsionen; arterielle Dissektionen der A.carotis/A.vertebralis oder von renalen resp. mesenterialen Arterien, die zu Schlaganfall, Niereninfarkt oder Mesenterialischämie führen; zerebrale Aneurysmen; arterielle Tortuosität.3 «In verschiedenen Kohorten hat man bei 3–6% potenzieller Nierenspender klinisch stumme FMD-Läsionen gefunden.5 Dies könnte darauf hindeuten, dass die FMD weniger selten ist als vermutet», so der Referent.
2019 wurde der erste internationale Konsensus zur Diagnose und Behandlung der FMD publiziert.4 Für die Diagnose einer FMD wird nach wie vor der Nachweis mindestens einer perlschnurartigen oder einer fokalen Stenose gefordert. Gleichzeitig vorhandene andere Läsionen wie Dissektionen, Aneurysmen oder Tortuositäten in anderen arteriellen Gefässbetten sind als zusätzliche Manifestationen der gleichen Krankheit zu bewerten.4 Bei jedem FMD-Patienten sollte einmal im Leben eine CT-Angiografie vom Gehirn bis zum Becken oder eine kontrastmittelverstärkte MR-Angiografie durchgeführt werden, um allfällige zusätzliche Läsionen zu erkennen.4
Europäisches/internationales FMD-Register FEIRI
Von den ersten 1000 FMD-Patienten, die in FEIRI (The European/International Fibromuscular Dysplasia Registry and Initiative) eingeschlossen wurden, waren 82% Frauen, die Diagnose wurde im Alter von 46±16 Jahren (12% ≥65 Jahre) gestellt, 86% hatten eine Hypertonie, 72% eine multifokale und 57% eine Mehrgefäss-FMD.6
Subgruppenanalysen
Der Vergleich verschiedener Subgruppen zeigte, dass Patienten mit fokaler FMD im Vergleich zu solchen mit multifokaler Erkrankung bei der Diagnostizierung der FMD und der Hypertonie jünger und häufiger männlich waren, seltener eine Multigefässerkrankung, eine bilaterale Manifestation bei renaler sowie zerebrovaskulärer FMD und seltener Aneurysmen und atherosklerotische Läsionen aufwiesen, sich aber häufiger endovaskulären und/oder chirurgischen Interventionen unterziehen mussten (Tab.1).6
Tab. 1: Fokale FMD im Vergleich zu multifokaler FMD (adaptiert nach Pappaccogli et al., 2021)6
Beim Vergleich der Geschlechter zeigte sich, dass Männer bei Diagnosestellung (FMD und Hypertonie) jünger waren als Frauen, häufiger eine fokale FMD und seltener bilaterale zerebrovaskuläre Läsionen, aber eine höhere Prävalenz von arteriellen Dissektionen hatten (Tab.2).6
Tab. 2: Männer im Vergleich zu Frauen (adaptiert nach Pappaccogli et al., 2021)6
Prädiktoren für Komplikationen
Die multivariate Regressionsanalyse (Vorwärtsanalyse) ergab folgende Prädiktoren.
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für eine Multigefäss-FMD: Alter bei der FMD-Diagnose (OR pro Jahr: 1,02 [95% CI: 1,00–1,03]; p=0,001), Schlaganfall/zerebrovaskuläre Präsentation (OR: 2,42 [1,39–4,18]; p=0,001), eGFR (OR pro ml/min: 0,99 [0,98–0,99]; p=0,007), Vorhandensein mindestens eines Aneurysmas (OR: 4,31 [3,05–6,13]; p<0,001) resp. einer Dissektion (OR: 2,92 [1,56–5,64]; p=0,001), multifokale FMD (OR: 3,00 [2,03–4,55]; p=0,001) und positive Familienanamnese für FMD (OR: 3,15 [1,43–7,11]; p=0,005);6
-
für das Vorliegen von Aneurysmen: Multigefäss-FMD (OR: 3,99 [2,89–5,57]; p<0,001), multifokale FMD (OR: 1,91 [1,26–2,98]; p=0,003);6
-
für das Vorliegen von Dissektionen: Alter bei FMD-Diagnose (OR pro Jahr: 1,02 [1,01–1,05]; p=0,03), männliches Geschlecht (OR: 4,35 [2,33–7,69]; p=0,005), Schlaganfall/neurovaskuläre Präsentation (OR: 2,19 [1,01–4,52]; p=0,04), Multigefäss-FMD (OR: 3,15 [1,74–5,87]; p=0,001).6
Im Unterschied dazu zeigte sich für Hypertonie und renovaskuläre Präsentation eine negative Korrelation mit dem Vorhandensein von Aneurysmen (OR: 0,63 [0,42–0,96]; p=0,03) oder Dissektionen (OR: 0,30 [0,16–0,56]; p=0,001)6
Abb. 1: Die fibromuskuläre Dysplasie ist eine systemische arterielle Erkrankung (adaptiert nach Persu und Gornik, 2020; Gornik et al., 2019)3,4
FMD-Screening
Gemäss Konsensus sollte in folgenden Situationen immer nach einer renalen FMD gesucht werden:4
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Hypertonie bei <30-Jährigen, insbesondere bei Frauen;
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Grad-3-Hypertonie, therapieresistente oder maligne Hypertonie;
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Verdacht auf Dissektion der Nierenarterie oder Niereninfarkt;
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einseitig kleine Niere ohne urologische Abnormalität;
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abdominelles Geräusch bei Fehlen einer Atherosklerose;
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FMD in mindestens einem anderen Gefässgebiet.
«Wichtig wäre auch ein FMD-Screening bei hypertensiven Frauen, die eine Schwangerschaft planen. In einer Analyse der FEIRI-Daten hat sich nämlich gezeigt, dass Frauen mit einer FMD ein höheres Risiko für Komplikationen wie Schwangerschaftshypertonie (25%), Frühgeburtlichkeit (20%) und Präeklampsie (7,5%) haben. Das Risiko für eine Dissektion oder die Ruptur eines Aneurysmas beträgt glücklicherweise weniger als 1%»,7 ergänzte Persu.
Nach der renalen FMD ist die zerebrovaskuläre FMD die zweithäufigste Form. Eine solche sollte man suchen bei Patienten4
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mit schwerer und/oder chronischer Migräne, insbesondere wenn noch andere verdächtige Symptome vorhanden sind;
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mit pulsierendem Tinnitus;
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mit zervikalem Geräusch;
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mit Schlaganfall, TIA, Amaurosis fugax;
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mit einseitigen Kopf- oder Nackenschmerzen oder fokalen neurologischen Befunden (zervikale arterielle Dissektion).
Goldstandards für die Diagnose einer renalen FMD sind die katheterbasierte Angiografie und die nicht invasive CT-Angiografie oder MR-Angiografie.4 «Die Duplex-Doppler-Untersuchung ist ebenfalls hilfreich, aber nicht spezifisch», so der Referent.
Behandlung der FMD
Für die Behandlung der Hypertonie sind insbesondere RAS-Inhibitoren geeignet.4 «In den USA wird zusätzlich häufig niedrig dosiertes Aspirin (75mg) verschrieben. Wir verwenden es eigentlich nur bei schwerer FMD oder zerebrovaskulärer Manifestation sowie sekundär nach Dissektion», sagte Persu. Sehr wichtig ist der Rauchstopp, da Rauchen bei FMD sowohl mit einer FMD-Progression8 als auch einem erhöhten Aneurysmarisiko9 assoziiert ist.
Studien zeigen, dass der Blutdruck mit einer renalen Angioplastie nur bei 36% der Patienten normalisiert werden kann, wobei das Outcome sehr stark vom Alter der Patienten abhängt. Junge FMD-Patienten mit therapieresistenter Hypertonie könnten deshalb von einer Angioplastie profitieren.10 Idealerweise wird vor der Intervention eine Messung des Gradienten durchgeführt, um sicherzustellen, dass eine Revaskularisation überhaupt hilfreich sein kann. «Da es sich dabei um eine invasive Untersuchung handelt, wird sie jedoch nur selten durchgeführt. Wir arbeiten momentan an einer nicht invasiven Methode zur Bestimmung des Gradienten», so Persu. Nicht angezeigt ist die Einlage eines Stents, da diese mit einem erhöhten Risiko für ein Abknicken, Brechen oder eine Thrombosierung des Stents mit nachfolgendem Niereninfarkt einhergeht.4
Bei zerebrovaskulärer FMD wird bei Patienten mit asymptomatischer Karotisstenose unabhängig vom Schweregrad der Stenose keine chirurgische oder endovaskuläre Therapie empfohlen.4 Bei der Behandlung von Kopfschmerzen/Migräne müssen vasokonstriktive Medikamente vermieden werden.4 Wichtig ist, dass bei solchen Patienten wegen der Gefahr einer zervikalen arteriellen Dissektion alles vermieden wird, das zu einer Belastung der Gefässe führen kann, wie eine chiropraktische Behandlung des Nackens, Streckung/Traktion des Nackens, Fahren auf einer Achterbahn, Krafttraining, Heben von Lasten oder Kampfsport.4 «Dies zu wissen ist auch für Sie als Nephrologen wichtig, da etwa 50% der Patienten mit einer renalen FMD auch eine sekundäre zerebrovaskuläre FMD haben», betonte Persu.
Follow-up-Untersuchungen sollten bei allen FMD-Patienten in jährlichem Abstand durchgeführt werden, und zwar bis an deren Lebensende.4
Quelle:
Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Nephrologie (SGN/SSN), 7. und 8. Dezember 2023, Lausanne
Literatur:
1 Herrmann SM, Textor SC: Current concepts in the treatment of renovascular hypertension. Am J Hypertens 2018; 31: 139-49 2 Persu A et al.: Beyond atherosclerosis and fibromuscular dysplasia: rare causes of renovascular hypertension. Hypertension 2021; 78: 898-911 3 Persu A, Gornik HL: Brain-to-pelvis imaging substantially impacts management of patients with fibromuscular dysplasia. Hypertension 2020; 75: 945-7 4 Gornik HL et al.; Working Group ‘Hypertension and the Kidney’ of the European Society of Hypertension (ESH) and the Society for Vascular Medicine (SVM): First international consensus on the diagnosis and management of fibromuscular dysplasia. J Hypertens 2019; 37: 229-52 5 Hendricks NJ et al.: Is fibromuscular dysplasia underdiagnosed? A comparison of the prevalence of FMD seen in CORAL trial participants versus a single institution population of renal donor candidates. Vasc Med 2014; 19: 363-7 6 Pappaccogli M et al.; European/International FMD Registry and Initiative (FEIRI), and the Working Group ‘Hypertension and the Kidney’ of the European Society of Hypertension (ESH): The European/International Fibromuscular Dysplasia Registry and Initiative (FEIRI)-clinical phenotypes and their predictors based on a cohort of 1000 patients. Cardiovasc Res 2021; 117: 950-9 7 Pappaccogli M et al.; European/International Fibromuscular Dysplasia Registry and Initiative (FEIRI) and the Working Group ‘Hypertension and the Kidney’ of the ESH: Pregnancy-related complications in patients with fibromuscular dysplasia: a report from the European/International Fibromuscular Dysplasia Registry. Hypertension 2020; 76: 545-53 8 Savard et al.: Association of smoking with phenotype at diagnosis and vascular interventions in patients with renal artery fibromuscular dysplasia. Hypertension 2013; 61: 1227-32 9 O’Connor S et al.: Smoking and adverse outcomes in fibromuscular dysplasia: U.S. Registry Report. J Am Coll Cardiol 2016; 67: 1750-1 10 Trinquart L et al.: Efficacy of revascularization for renal artery stenosis caused by fibromuscular dysplasia: a systematic review and meta-analysis. Hypertension 2010; 56: 525-32
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