Sinn und Unsinn der altersadaptierten Definition der chronischen Nierenerkrankung
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Die Nierenfunktion nimmt mit dem Alter physiologisch ab, was von der CKD-Klassifikation nicht abgebildet wird. Prof. Dr. med. Elke Schaeffner, Berlin, und Prof. Dr. med. Roland Schmitt, Hannover, diskutierten Pro und Kontra zur altersadaptierten Definition der chronischen Nierenerkrankung (CKD).
Pro: altersadaptierte CKD-Definition
Die Niere und andere Organe verändern sich mit dem Alter, so dass die healthy life expectancy (HALE) heute deutlich niedriger ist als die Gesamtlebenserwartung. Für die Risikoeinschätzung der CKD wurde vor 20 Jahren das CKD-Stadiensystem eingeführt. Seit 10 Jahren wird das relative Risiko der Nierenfunktion über die Stadien G1-G5 der glomulären Filtrationsrate (GFR) und die Albuminurie-Stadien A1-A3 definiert. Die Klassifikation hat sich zwar erfolgreich durchgesetzt, ist aber für den individuellen Patienten nicht immer geeignet. Die Kritik an dem Stadiensystem betrifft insbesondere Patienten in der Kategorie G3a ohne Proteinurie (A1), die fast ein Drittel aller Patienten mit CKD ausmachen, erklärte Schaeffner als Pro-Sprecherin für die altersadaptierte CKD-Definition. Unter den Gründen für den fixen, also Alters-unabhängigen Grenzwert von 60 ml/min per 1,73m2, wird die Simplizität angeführt – im Zeitalter von Hochleistungsrechnern vielleicht ein überholtes Argument. Auch die Biologie als Argument, mit Berufung darauf, dass eine GFR <60 bei gesunden, jungen Individuen 50% der Nierenfunktion ausmacht, kann Schaeffner mit neuen Studien entkräften – die Zahl stammt aus einer Erhebung im Jahr 1969, wogegen neuere und größere Studien einen durchschnittlichen Wert von 107 ml/min per 1,73m2 bis zu einem Alter von 40 Jahren beobachteten.1 Das am häufigsten verwendete Argument für die Erhaltung der Kriterien ist die Prognose der Mortalität, obwohl die Klassifikation zur Schätzung der Nierenfunktion und nicht als Pädiktionsfaktor entwickelt wurde. Auch hier zeigte Schaeffner Daten, die eine erhöhte Mortalität bei einem eGFR <60ml/min per 1,73m2 nicht bestätigen. Mit dem GFR-Wert könne nicht zwischen einer Niereninsuffizienz und einer alternden Niere unterschieden werden. Die Mortalität sei bei jüngeren Menschen ab einem GFR<75 ml/min per 1,73m2, bei älteren Menschen aber erst bei Werten <45ml/min per 1,73m2 erhöht.2 Durch eine alters-adaptierte Definition würden somit deutlich weniger ältere CKD-Patienten ausgewiesen, aber dafür mehr CKD-Diagnosen im jüngeren Alter gestellt werden.
Contra: altersadaptierte CKD-Definition
Schmitt stimmte im Wesentlichen zu. Die CKD-Klassifikation bilde die Alterung der Niere nicht ab, sei aber schon kompliziert genug und eigne sich sowieso nicht gut zur Risikostratifizierung einzelner Patienten. Eine Altersadaptierung wäre daher nicht wirklich zielführend. Schon jetzt, so konnte in einer Metaanalyse gezeigt werden, ist sich nur ein Viertel der Menschen mit einer eGFR <60 dessen auch bewusst.3 Dieser Sachverhalt hat an Bedeutung gewonnen, da es nun eine erste Zulassung für einen SGLT2-Inhibitor zur Behandlung erwachsener Patienten mit CKD gibt.4 Allerdings war die fehlende Proteinurie ein Einschlusskriterium der Zulassungsstudie. Es bedürfe also einer einfachen Klassifikation, um die Awareness zu verbessern, die aber präzise genug ist, um ein echtes Risiko zu erkennen. Schmitt sprach sich deshalb für neue Biomarker aus, die helfen könnten, das Alters-CKD-Dilemma zu lösen. Hier bietet sich Dickkopf-3 (DKK3) an. DKK3 wird von gestressten Tubulusepithelzellen in den Urin sezerniert und ist mit ELISA im zentrifugierten Urin messbar.5 Ein Vorteil: Der Urin-DKK3 steigt auch im Alter nicht signifikant an.
Quelle:
„Kontroversen in der Nephrologie“, 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 30. April 2022
Literatur:
1 Pottel H et al. Nephron 2017; 135: 105-119
2 Delanaye P et al. J Am Soc Nephrol 2019; 30: 1785-1805
3 Chu CD et al. Kidney Med 2021; 3: 576-585.e1
4 Fachinformation Forxiga®
5 Zewinger S et al. J Am Soc Nephrol 2018; 29: 2722-2733
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