
Insomnie bei Multipler Sklerose
Autoren:
Prof. Dr. med. Ulf Kallweit
Benedicte Finger
Klinische Schlaf- und Neuroimmunologie Institut für Immunologie
Universität Witten/Herdecke
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. Ulf Kallweit
E-Mail: ulf.kallweit@uni-wh.de
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Bei vielen neurologischen Erkrankungen bestehen Schlaf- und/oder Wachstörungen.1 Bei der Multiplen Sklerose (MS) liegen, je nach Diagnosekriterien und Erhebungsinstrument, bei zwischen 25 und 95% der Betroffenen Schlaf- und Wachstörungen, insbesondere Insomnien und Fatigue, vor.2,3 Eine Übersicht zu häufig auftretenden Schlaf- und Wachstörungen bei MS gibt Tabelle 1.
Tab. 1: Hauptergebnisse von Metaanalysen und systematischen Reviews zu Schlaf- und Wachstörungen bei Multipler Sklerose12
Insomnie und MS
Eine Insomnie ist als eine Schlafstörung definiert, bei der Betroffene über einen Zeitraum von mindestens einem Monat Ein- und/oder Durchschlafstörungen haben und diese mit einer Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit bzw. der Leistungsfähigkeit tagsüber einhergehen.
Bei MS besteht bei 25–54% der Betroffenen eine Insomnie.2,3 Die Insomnie tritt mit zunehmender Dauer der MS und dem Vorliegen einer Fatigue auf.4,5
Eine Insomnie kann verschiedene Ursachen haben. Hierzu zählen neben den primären Insomnien, v.a. der psychophysiologischen Insomnie, auch Insomnien, die aufgrund von anderen Schlaferkrankungen (Tab.1) oder Störungen, die im Rahmen der MS auftreten, wie die neurogene Blasenfunktionsstörung mit Nykturie oder Schmerz bedingt durch Spastik. Auch besteht bei einer Depression sehr häufig eine Insomnie. Selten können auch Nebenwirkungen von MS-spezifischen Therapien Schlaf- oder Wachstörungen verstärken, wie z.B. die grippeartigen Nebenwirkungen von Interferon-beta-Präparaten. Diese Nebenwirkungen halten oftmals nur kurz an und treten oft nur zu Beginn der entsprechenden Therapie auf.
Bei vielen MS-Patienten liegen kognitive Einschränkungen vor. Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass Insomnien auch mit körperlichen und funktionellen Beeinträchtigungen einhergehen. In Studien gaben schlafgestörte MS-Patienten stärkere kognitive Einschränkungen an.6
Eine MRI-Studie konnte diesen Befund anhand einer reduzierten thalamischen funktionellen Konnektivität unterstützend belegen.7 Zudem wurde durchschnittlich ein höheres Niveau des Grads der Aktivierung des zentralen Nervensystems («arousal») dokumentiert.8
Behandlung der Insomnie bei MS
Die Behandlung der Insomnien bei MS orientiert sich zunächst einmal an den allgemeinen Insomnie-Therapieleitlinien:9
-
Informationen zu Schlafhygiene,
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Psychoedukation zu Schlafstörungen (u.a. Entwicklung eines Einschlafrituals),
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Entspannungsübungen, Meditation u.a.,
-
kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I),
ggf. kurzzeitiger Einsatz von GABA-A- Rezeptor-Agonisten («Z-Medikamente»).
Einige Studien konnten auch bei MS-Patienten positive Effekte einer KVT-I belegen.10
Etwaig vorliegende andere neurologisch, internistisch oder psychiatrisch bedingte Schlafstörungen müssen berücksichtigt werden und ggf. entsprechend spezifisch (mit-)behandelt werden. Liegt beispielsweise ein RLS vor, muss ggf. auch hier eine spezifische medikamentöse RLS-Therapie eingesetzt werden.
Bei MS gilt es zudem, Symptome zu bedenken, die durch die Erkrankung bedingt sein können bzw. hierbei häufig auftreten können. Dazu zählen beispielsweise Nykturie, Spastik/Schmerz oder Schlafapnoe.
Falls eine medikamentöse Behandlung erfolgen muss, sollte idealerweise eine Therapie ausgewählt werden, die gleichzeitig auf die verschiedenen Störungen wirkt (z.B. ein schlafförderndes Antidepressivum bei Depression und Insomnie). Bei MS-Patienten mit Insomnie wurde in einer Studie durch den Einsatz von Melatonin ein positiver Effekt auf die Schlafqualität beschrieben.11
Literatur:
1 Mayer G, Happe S, Evers S et al.: Insomnia in neurological diseases. Neurol Res Pract 2021; 3: 15 2 Braley TJ, Boudreau EA: Sleep disorders in multiple sclerosis. Curr Neurol Neurosci Rep 2016; 16: 50 3 Veauthier C: Sleep disorders in multiple sclerosis. Review. Curr Neurol Neurosci Rep 2015; 15: 21 4 Kotterba S, Neusser T, Norenberg C et al.: Sleep quality, daytime sleepiness, fatigue, and quality of life in patients with MS treated with interferon beta 1b: results from a prospective observational study. BMC Neurol 2018; 18: 123 5 Sadeghi Bahmani D, EsmaeiliL, Shaygannejad V et al.: Stability of mental toughness, sleep disturbances, and physical activity in patients with multiple sclerosis (MS). Frontiers in Psychiatry 2018; 9: 182 6 Hare CJ, Crangle CJ, Carney CE et al.: Insomnia symptoms, subjective appraisals, and fatigue: a multiple mediation model. Behav Sleep Med 2017; 17: 1-12 7 van Geest Q, Westerik B, van der Werf YD et al.: The role of sleep on cognition and functional connectivity in patients with MS. J Neurol 2017; 264: 72-80 8 Schellaert V, Labauge P, Lebrun C et al.: Psychological processes associated with insomnia in patients with multiple sclerosis. Sleep 2018; 41 9 Riemann D, Baglioni C, Bassetti CL et al.: European guideline for the diagnosis and treatment of insomnia. J Sleep Res 2017; 26: 675-700 10 Clancy M, Drerup M, Sullivan AB: Outcomes of cognitive-behavioral treatment for insomnia on insomnia, depression, and fatigue for individuals with multiple sclerosis: a case series. Int J MS Care 2015; 17: 261-7 11 Adamczyk-Sowa M, Pierzchala K, Sowa P et al.: Melatonin acts as antioxidant and improves sleep in MS patients. Neurochem Res 2014; 39: 1585-93 12 Kallweit U: Multiple sclerosis and other autoimmune disorders. In: ESRS Sleep Medicine Textbook. Hrsg.: Bassetti, Dogas, Peigneux; 2. Auflage, ESRS, in Druck 13 Kallweit U, Baumann CR, Harzheim M et al.: Fatigue and sleep-disordered breathing in multiple sclerosis: a clinically relevant association? Multiple Sclerosis International 2013, 286581 14 Peyronnet B, Krupp LB, Reynolds WS et al.: Nocturia in patients with multiple sclerosis. Rev Urol 2019; 21: 63-73
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