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Covid-19-mRNA-Impfung

Einfluss hämatologischer und onkologischer Therapien

Nachdem die Covid-19-mRNA-Impfung auch dank intensiver vorhergehender Grundlagenforschung in der Onkologie realisiert werden konnte, wird nun ihre Wirksamkeit bei onkologischen und hämatologischen Patient:innen getestet. ErsteErgebnisse zeigen: In den meisten Fällen lohnt sich die Impfung.

Die zügige Entwicklung und klinische Erprobung von Covid-19-mRNA-Impfstoffen fußte auf langjähriger Forschung im Bereich der mRNA-Impfstofftechnologie, insbesondere in der Onkologie.1

Die Anwendung des Covid-19-Impfstoffs erbrachte erstmalig Nachweise, dass mRNA-basierte Impfstoffe auch von Personen mit komplexen Komorbiditäten gut vertragen werden. Allerdings führte der Ausschluss von Individuen mit spezifischen immunologischen Defiziten aus den klinischen Phase-II/III-Studien zu einem Mangel an Evidenz bezüglich der Impfantwort in immungeschwächten Populationen.

Die zukünftige Forschung konzentriert sich nun auf die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen für Krebspatient:innen. Mehrere klinische Studien, wie die Untersuchung eines mRNA-Impfstoffs bei Patient:innen mit kolorektalen Tumoren, sind bereits in Phase II.2

Entwicklung von mRNA-Impfstoffen für Krebspatient:innen

Eine wichtige Studie von Lopez J et al. evaluiert die Effektivität von RO7198457, einer personalisierten mRNA-Vakzine, im Vergleich zur Strategie des „Watchful Waiting“ bei Patient:innen mit hohem Risiko eines Tumorrezidivs, die sich einer chirurgischen Resektion von Rektumkarzinomen im Stadium II/III oder Kolonkarzinomen im Stadium II (hohes Risiko)/Stadium III unterzogen haben. Voraussetzung für einen Studieneinschluss ist der Nachweis von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) und die Identifizierung von mindestens fünf Tumor-Neoantigenen in den Tumorproben von der Operation.3

Weitere klinische Studien, etwa zu Melanomen oder Glioblastomen, erproben mRNA-basierte Therapien in Verbindung mit zusätzlichen immunmodulatorischen Behandlungen.1,4

BNT162b2 bei onkologischen und hämatologischen Patient:innen

Auf dem DHGO-Kongress 2023 wurde eine Studie präsentiert, die insbesondere die humorale und T-Zell-Antwort von onkologischen und hämatologischen Patient:innen beleuchtet. Die Studie analysierte die Auswirkungen verschiedener onkologischer und hämatologischer Therapien auf die T-Zell-Antwort und die humorale Antwort in zeitlichem Zusammenhang mit der zuletzt erhaltenen systemischen Therapie.5

In die Studie wurden 237 Krebspatient:innen und 21 gesunde Individuen eingeschlossen. Die Teilnehmer:innen erhielten zwei Dosen des mRNA-Impfstoffs BNT162b2 und standen unter systemischen Therapien wie Chemotherapie, Immuncheckpoint-Inhibitoren, monoklonalen Antikörpern, Tyrosinkinaseinhibitoren, B-Zell-depletierenden Therapien, hochdosiertem Kortikosteroid oder Chemoimmuntherapie.

Die Patient:innen wurden in Gruppen unterteilt, basierend auf dem Zeitintervall zwischen der letzten systemischen Therapie und der Impfung. Für die Analyse der zellulären Immunantwort wurde die Sekretion des Zytokins Interferon-γ (IgG) der CD4+ und CD8+ T-Zellen mittels Durchflusszytometrie gemessen. Die humorale Impfantwort und quantitative Bestimmung von spike-spezifischen IgG-Antikörpern erfolgte im Serum mithilfe des Immunassays Anti-SARS-CoV-2 S von Roche Diagnostics.

Es wurde festgestellt, dass die T-Zell- und Anti-Spike-IgG-Antworten bei Personen, die eine Immuncheckpoint-Inhibitoren(ICI)-Therapie erhalten hatten, denen gesunder Proband:innen ähnelten, ähnlich den Ergebnissen, die bereits für den mRNA-1273-Impfstoff von Moderna gezeigt wurden. Dies deutet darauf hin, dass es keine Beeinträchtigung der humoralen und zellulären Immunantwort gibt, was von großer Bedeutung ist, da mRNA-basierte Krebsimpfstoffe häufig in Kombination mit ICI-Therapien eingesetzt werden könnten.

In Patient:innenpopulationen unter immunsuppressiver Therapie wurde eine deutliche Beeinträchtigung sowohl der humoralen als auch der zellulären Immunantworten erwartet. Die Studie zeigte, dass Patient:innen, die eine Chemotherapie oder hochdosierte Steroidtherapie erhielten, eine reduzierte Seropositivität und eine verminderte T-Zell-Antwort aufwiesen. Es wurde festgestellt, dass sich Anti-Spike-IgG-Antikörper erst sechs Monate nach Abschluss einer solchen Therapie entwickeln, während T-Zell-Reaktionen sogar länger als sechs Monate nach Therapieende beeinträchtigt blieben. Insbesondere bei Behandlungen, die sechs Monate vor der Impfung verabreicht wurden, war die T-Zell-Antwort stärker betroffen.

Bei Patient:innen unter B-Zell-depletierenden Therapien wurde eine verminderte Serokonversion und somit eine nachhaltig beeinträchtigte humorale Immunantwort beobachtet, die auch zwölf Monate nach Therapieabschluss anhält. Dennoch zeigten solche Patient:innen eine zelluläre Immunantwort, was durch IFNγ-produzierende CD8+ und CD4+ T-Zellen belegt wurde.

mRNA-Impfung und B-Zell-depletierende Therapien

Diese Ergebnisse wurden auch in der vorgängigen Studie von Keppler-Hafkemeyer A et al. in Nature Cancer bestätigt, in der ein neutralisierender Antikörper-Assay zum Einsatz kam.6 Die Studie umfasste 60 zuvor nicht infizierte Personen mit B-Zell-Lymphomen und multiplem Myelom.

Hier zeigte sich, dass trotz signifikant niedrigerer Anti-Spike-IgG-Titer schnell eine potente Neutralisierungsfähigkeit gegen verschiedene besorgniserregende Virusvarianten (VoCs) entwickelt wurde. Alle untersuchten Personen mit hämatologischen Malignitäten, einschließlich derjenigen mit B-Zell-Depletion und Patient:innen mit multiplem Myelom, zeigten robuste T-Zell-Reaktionen auf Peptide des Spike-Proteins der VoCs Delta und Omicron (BA.1). Durchbruchinfektionen führten in der beobachteten Kohorte überwiegend zu milden bis moderaten Krankheitsverläufen.6 Patient:innen, die dennoch erkranken, können sich für eine passive Immunisierung qualifizieren.

Fazit

Die Studienergebnisse legen nahe, dass Patient:innen, unabhängig von der Art ihrer hämatologischen oder onkologischen Behandlung, von einer mRNA-Impfung deutlich profitieren und zumindest eine der beiden Immunantworten (zellulär oder humoral) ausbilden, wobei die Stärke der Immunantwort mit dem zeitlichen Abstand zur letzten systemischen Therapie korreliert.2

Diese bereits gewonnenen Erkenntnisse könnten insbesondere für Studien von Bedeutung sein, die mRNA-Impfstoffe einsetzen, die auf Lipid-Nanopartikel-Technologie basieren und intramuskulär verabreicht werden.

Zukünftige Forschung muss klären, welche Patient:innen von mRNA-basierten Therapien profitieren, insbesondere wenn sie bereits eine oder mehrere systemische Therapien erhalten haben.

1 Polack FP et al.: Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine. New England Journal of Medicine 2020; 383(27): 2603-15 2 Donhauser LV et al.: Responses of patients with cancer to mRNA vaccines depend on the time interval between vaccination and last treatment. J Immunother Cancer 2023; 11(9): e007387 3 Lopez JS et al.: Abstract CT301: A phase Ib study to evaluate RO7198457, an individualized Neoantigen Specific immunoTherapy (iNeST), in combination with atezolizumab in patients with locally advanced or metastatic solid tumors. Cancer Res 2020; 80(16_Supplement): CT301 4 Guterres A et al.: The role of immune subtyping in glioma mRNA vaccine development. Immunotherapy 2023; 15(13): 1057-72 5 Hempel L et al.: Next-generation sequencing identifiziert molekulare Alterationen für personalisierte Therapien bei Cancer of Unknown Primary (CUP). Oncol Res Treat 2023; 46(Suppl 5): 1-3546 Keppler-Hafkemeyer A et al.: Potent high-avidity neutralizing antibodies and T cell responses after Covid-19 vaccination in individuals with B cell lymphoma and multiple myeloma. Nat Cancer 2022

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