Erste prospektive Studie zur Krebsfrüherkennung mittels Bluttest MCED
Bericht:
Dr. Ine Schmale
Dr. Kassandra Settele
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Der MCED konnte eine hohe Spezifität und guten PPV vorweisen. Die getesteten Personen wurden ein Jahr lang begleitet und neben dem Ausmaß der durchgeführten Diagnostik nach einem positiven Krebssignal wurde u.a. auch die Aussagekraft des Tests ausgewertet.
Zwischen Dezember 2019 und Dezember 2020 wurden 6621 Menschen ≥50 Jahre, mit oder ohne zusätzlichem Krebsrisiko, einem validierten Bluttest zur Früherkennung von Krebs (MCED, multi-cancer early detection) unterzogen. MCED detektiert und analysiert zellfreie DNA (cfDNA) im Blut mittels NGS (next generation sequencing) und kann dabei den wahrscheinlichen Ursprung des Krebssignals vorhersagen, also einen Hinweis auf die anatomische Lokalisation des Tumors oder die veränderte Zelllinie geben. Hauptziel von PATHFINDER war zu untersuchen, welches Ausmaß an Diagnostik nach Detektion eines positiven Krebssignals erforderlich war, um zu einer definitven Diagnose zu gelangen. Weitere Ziele waren die Auswertung der Testleistung sowie die Erhebung von Stresssymptomen, Angstgefühlen und Zufriedenheit der Teilnehmer*innen.
Bei 92 der getesteten Personen (1,4%) wurde ein Krebssignal gesehen. Von den auswertbaren 90 Teilnehmer*innen hatten 33 ein richtig-positives und 57 ein falsch-positives Testergebnis. Bei den richtig-positiv bewerteten Tests wurden median 57 Tage gebraucht, bis die Diagnose gestellt wurde; bei Personen mit falsch-positivem Ergebnis dauerte die diagnostische Lösung median 162 Tage. Die finale Diagnose konnte bei 73% der richtig-positiven Fälle und 42% der falsch-positiven Fälle innerhalb von drei Monaten gestellt werden. Bei den meisten Personen erfolgte die Diagnostik durch Bildgebung. Während bei 82% der richtig-positiven Fälle eine invasive Diagnostik durchgeführt wurde, war dies bei den falsch-positiv bewerteten Tests in 30% der Fall.
Von 35 Personen mit richtig-positivem MCED-Signal (0,5% der Studienteilnehmer) wurden 18 mit einem soliden Tumor und 17 mit einer hämatologischen malignen Erkrankung diagnostiziert. Durch eine hohe Übereinstimmung mit der vorhergesagten und der tatsächlichen Lokalität des Primarius wurde eine gezielte diagnostische Evaluierung unterstützt – bei 97,1% der richtig-positiven Fälle mit bestimmbarem wahrscheinlichem Ursprung war der am meisten wahrscheinliche oder zweitwahrscheinlichste Ursprung korrekt. Von den 36 detektierten Krebsarten handelte es sich bei 26 um solche, für die derzeit kein standardisiertes Screening existiert.
Alle Teilnehmer*innen wurden nach 12 Monaten bezüglich des Krebsstatus evaluiert. Insgesamt wurde bei 121 der Studienteilnehmer*innen innerhalb des Studienjahres eine Krebserkrankung festgestellt, 29% davon hatten auch einen positiven MCED-Test. Die Spezifität des MCED lag in dieser Auswertung bei 99,1%. Der positive predictive value (PPV) betrug 38,0%. Es mussten 189 Personen dem Screening unterzogen werden, um einen Krebsfall zu detektieren.
Die archivierten Proben wurden außerdem mit einer angepassten Version des MCED-Tests erneut analysiert: Mit dem angepassten Test wurde in 0,9% ein Krebssignal detektiert, die Spezifität konnte auf 99,5% und der PPV auf 43,1% gesteigert werden.
Fazit
Bei PATHFINDER handelt es sich um die erste prospektive Studie zur Detektion von Krebserkrankungen mittels dem MCED, in der der Test auch bei Personen, die nicht zuvor an Krebs erkrankt waren, angewendet wurde. Die Autor*innen resümierten aus den Ergebnissen, dass die Früherkennung von Krebserkrankungen durch Bluttests machbar ist: Die Studie zeige, dass es Hoffnung am Horizont gebe auch jene Krebsarten zu detektieren, auf die bisher nicht gescreent werden kann, so Vortragende Deborah Schrag.
Weitere Arbeit ist jedoch notwendig, um Gründe für die falsch-positiven und falsch-negativen Ergebnisse aufzudecken. Mögliche Ursachen für falsch-positive Ergebnisse könnten das Shedding von cfDNA aufgrund von Inflammation, benignen oder paraneoplastischen Vorgängen sowie technische Artefakte sein, wie Diskutantin Federica di Nicolantonio anführte. Was die falsch-negativen Fälle angeht, könnte es sich um individuelle Situationen handeln, bei denen kein Shedding von cfDNA auftritt, oder sehr seltene Malignome, die der Assay nicht abdeckt sowie – am wahrscheinlichsten – um schnell wachsende Tumoren. Auch gab sie zu bedenken, dass der MCED-Test bei 2/3 falsch-positiven Ergebnissen zu 1/3 richtig-positiven Ergebnissen noch lange nicht perfekt sei: Die Balance zwischen Sensitivität und Spezifität sei eben eine Gratwanderung.
Ein in Zukunft wichtiger zu untersuchender Parameter wird darüber hinaus der Einfluss des MCED-Screenings auf die Mortalität sein, denn dieser ist noch unklar. Daher muss die Teilnahme an den etablierten Screeningprogrammen weiterhin sichergestellt werden, wie die Vortragende Deborah Schrag betonte.
Ausblick
In PATHFINDER2 werden mit dem angepassten MCED weitere 20 000 Proband*innen auf Krebserkrankungen gescreent werden. Des Weiteren läuft in Großbritannien eine randomisierte Studie an 140 000 Erwachsenen im Alter von 50 bis 77 Jahren: Hier wird über drei Jahre die Inzidenz von fortgeschrittenen Erkrankungen bei Proband*innen, die ein jährliches MCED-Screening erhalten, mit der Inzidenz unter der Standardversorgung verglichen.
In Anbetracht des Potentials von Früherkennungstests wie dem MCED ist es wichtig für Fabrice André, Scientific Co-Chair am ESMO 2022, das Bewusstsein für die Zukunft zu schärfen: Die Veränderungen, die sich aufgrund der zukünftig möglichen Früherkennung bestimmter Krebsarten ergeben werden, müssten vorausgesehen werden. Es werde mehr personelle und infrastrukturelle Ressourcen brauchen, um die Versorgung von Patient*innen sicherzustellen, die bisher erst in viel späteren Stadien diagnostiziert werden.
Quelle:
Schrag D et al. PATHFINDER: A prospective study of a multi-cancer early detection blood test. ESMO 2022, Abstr. #903O
Pressemitteilung der European Society for Medical Oncology, 11. September 2022
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