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Lokale endoskopische Verfahren versus chirurgische Resektion
Jatros
Autor:
Assoc. Prof. PD Dr. Erwin Rieder
Universitätsklinik für Chirurgie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: erwin.rieder@meduniwien.ac.at
30
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05.03.2020
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<p class="article-intro">Die chirurgische Ösophagusresektion zählte auch bei mukosalen Frühkarzinomen des Ösophagus bis vor wenigen Jahren noch zur kurativen Standardtherapie. Heute können lokale endoskopische Verfahren wie die endoskopische Submukosa-Dissektion, die endoskopische Mukosa-Resektion und die Radiofrequenz-Ablation die Organresektion suffizient ersetzen. Diese organerhaltenden Methoden bringen bei adäquater Anwendung enorme Vorteile für den Patienten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die onkologische Ösophagusresektion war über viele Jahre auch bei hochgradig dysplastischen Epithelveränderungen das kurative Standardverfahren.<sup>1</sup> Heute erscheinen lokale endoskopische Verfahren beim Frühkarzinom des Ösophagus die „invasive“ Chirurgie bereits abgelöst zu haben. Mit Verfahren wie der endoskopischen Submukosa-Dissektion (ESD), der endoskopischen Mukosa-Resektion (EMR) oder der Radiofrequenz-Ablation (RFA) können oberflächliche maligne Läsionen beziehungsweise dysplastische Areale der Ösophagusschleimhaut onkologisch suffizient therapiert werden.<br /> Die drei Techniken unterscheiden sich in ihrer Herangehensweise und ihrer Resektionstiefe. Bei der RFA werden zirkumferenziell oder lokal hohe Energien zur Gewebedestruktion von maximal 1 mm Tiefe verabreicht (Abb. 1). Dadurch bleibt der Ablationseffekt auf die Mukosa beschränkt.<sup>2, 3</sup> Während die RFA ein rein destruierendes Verfahren ohne Möglichkeit der histologischen Analyse ist, können durch endoskopische Resektionen über teils große Areale die komplette Mukosa/Submukosa lokal „en bloc“ reseziert werden. Man unterscheidet hier die EMR von der ESD.<br /> Bei der EMR wird, um die Perforationsgefahr zu reduzieren, die Läsion zunächst unterspritzt, um diese anschließend mit einer Aufsatz-Kappe am Endoskop einzusaugen und konsekutiv mit einer Elektroschlinge zu resezieren. Alternativ kann das Gewebe auch mit einer Gummibandligatur abgebunden und anschließend mit einer Elektroschlinge reseziert werden. Hiermit können Läsionen über 20 mm allerdings nur in mehreren Stücken, oft inkomplett, abgetragen werden.<br /> Mit unterschiedlichen, sich immer weiter entwickelnden, speziellen endoskopischen Messern ist die ESD im Vergleich zur EMR sicher das technisch aufwendigere und auch komplikationsreichere „Freihand- Verfahren“. Sie ermöglicht jedoch auch bei größeren Läsionen eine „En bloc“- Resektion und hat wahrscheinlich das geringere Risiko für Lokalrezidive.<sup>4</sup> Es konnte auch gezeigt werden, dass die „En bloc“- Resektion der ESD mit eindeutigeren pathologischen Befunden korreliert (Abb. 2).<sup>5</sup> Für eine suffiziente Therapie ist es allerdings notwendig, die endoskopische Resektion und die RFA konsekutiv anzuwenden und Areale der restlichen Barrett-Metaplasien mittels RFA zu behandeln.<sup>6</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s51_abb1_rieder.jpg" alt="" width="425" height="326" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s51_abb2_rieder.jpg" alt="" width="425" height="367" /></p> <h2>Lymphknotenmetastasierung</h2> <p>Der mögliche kurative Ansatz dieser flexibel-endoskopischen Verfahren wurde erst durch die Erkenntnis der nicht homogenen Verteilung der Lymphgefäße in den unterschiedlichen Schichten der Ösophaguswand erkannt.<sup>7</sup> Dies resultiert in einer direkten Korrelation zwischen Infiltrationstiefe und dem Risiko der lokoregionären Lymphknoten-Metastasierung.<br /> Die TNM-Klassifikation der American Joint Commission on Cancer Staging und der International Union against Cancer beginnt beim Carcinoma bzw. Tumor in situ (Cis, Tis) gefolgt vom T1-Karzinom, wenn die Lamina propria oder Muscularis mucosae (T1a) beziehungsweise die Submukosa (T1b) involviert ist.<br /> Die japanische Klassifikation der intramukosalen Ösophagus-Karzinome klassifiziert weiter folgende Subgruppen:</p> <ul> <li>T1a m1: intraepitheliales Karzinom (Tis, HGD oder Carcinoma in situ)</li> <li>T1a m2: Infiltration der Lamina propria</li> <li>T1a m3: Infiltration der Lamina muscularis mucosae</li> <li>T1b sm1 bis 3: bei Infiltration des 1., 2., oder 3. Drittels der Submukosa</li> </ul> <p>Während das Risiko von Lymphknotenmetastasen bei den mukosalen Karzinomen gering ist, steigt die Wahrscheinlichkeit ab der Infiltration der Submukosa mit zunehmender Tiefe an.<sup>8</sup> Hölscher et al. beschrieben 70 Patienten mit mukosalem Karzinom ohne Lymphknotenmetastasen, allerdings hatten bereits 56 % der 45 Patienten mit sm3-Tumoren Lymphknotenmetastasen.<sup>9</sup> Die Übersichtsarbeit einer asiatischen Arbeitsgruppe gibt die Wahrscheinlichkeit von Lymphknotenmetastasen bei Plattenepithel- und Adenokarzinomen des Ösophagus ab dem m3-Stadium mit bis zu 3 % an. Diese stieg beim sm1-Stadium auf teilweise über 20 % . Das gesamte sm-Stadium zeigte Lymphknotemetastasen bis zu 50 % beim Plattenepithelkarzinom und bis zu 40 % beim Adenokarzinom.<sup>10</sup></p> <h2>Behandlungsalgorithmus</h2> <p>Aus dem mit der mukosalen beziehungsweise submukosalen Tumor-Eindringtiefe korrelierenden Risiko für Lymphknotenmetastasen ergeben sich auch die Empfehlungen der unterschiedlichen Gesellschaften zur endoskopischen Therapie. Für die Japan Esophageal Society und die European Society for Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) gilt die endoskopische R0-Resektion eines m1- oder m2-Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus, welches weniger als zwei Drittel der Zirkumferenz umfasst als kurativ. Als relative Indikation wird noch das m3- und das sm1-Karzinom mit weniger als 200 μm Eindringtiefe angegeben, wohingegen die S3-Leitlinien hier bereits eine Ösophagusresektion empfehlen. Die ESGE und die aktuellen S3-Leitlinien erachten für das Adenokarzinom die endoskopische Resektion beim mukosalen Karzinom (m1–3) ohne histologische Risikofaktoren wie Lymph-, Blutgefäßinvasion oder schlechte Differenzierung (G3) als kurativ. Bei gut oder moderat differenzierten (G1/2) sm1-Karzinomen ohne Lymphgefäßinvasion (potenziell kurativ) wird ein für den Patienten adaptiertes Vorgehen bezüglich der weiteren Behandlung empfohlen.<sup>11–13</sup> Dem in manchen Arbeiten angegebenen geringen, aber doch vorhandenen Risiko für Lymphknotenmetastasen bei mukosalen Karzinomen von bis zu 3 % steht hierbei allerdings auch ein Mortalitätsrisiko von bis zu 4 % bei der Organresektion gegenüber.<sup>14</sup> Dass bei mukosalen Karzinomen die lokal endoskopische Resektion der onkologischen Organresektion ebenbürtig erscheint, wird von immer mehr Autoren beschrieben. Zeng et al. konnten in einer retrospektiven Analyse anhand von 1200 Patienten zeigen, dass bei Tis und T1N0M0-Karzinomen des Ösophagus die lokale endoskopische Therapie ein vergleichbares krankheitsspezifisches und Gesamtüberleben ergab wie die Ösophagusresektion.<sup>15</sup> Zu gleichen Ergebnissen kam auch eine koreanische Arbeitsgruppe, welche diese Frage für das Plattenepithelkarzinom zu klären versuchte.<sup>16</sup> Cummings und Kollegen konnten zeigen, dass bei Patienten mit einem Alter von über 66 Jahren die Hospitalsierungs- und Komplikationsrate in der konventionell chirurgisch behandelten Gruppe signifikant höher war. Gleichzeitig war das Gesamtüberleben der lokal endoskopisch therapierten Gruppe innerhalb von 2 Jahren signifikant besser.<sup>17</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>In den letzten Jahren gab es einen enormen Fortschritt hinsichtlich der endoskopischen organerhaltenden Therapie bei frühen Ösophagusneoplasien. Die endoskopische Resektion, gemeinsam mit der Radiofrequenzablation, ermöglicht heute die kurative Behandlung von frühen Karzinomstadien und scheint bei Einhaltung gewisser Indikationskriterien die Organresektion sicher und effektiv ersetzen zu können.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Sujendran V et al.: Oesophagectomy reains the gold standard for treatment of high-grade dysplasia in Barrett’s esophagus. Eur J Cardothorac Surg 2005; 28: 763-66 <strong>2</strong> Johnston MH: Technology insight: ablative techniques for Barrett’s esophagus--current and emerging trends. Nat Clin Pract Oncol 2005; 2: 323-30 <strong>3</strong> Madisch A et al.: Radiofrequenzablation bei neoplastischem Barrett-Ösophagus – erste Erfahrung mit dem HALO-System. Endo heute 2008; 21: 4 <strong>4</strong> Terheggen G et al.: A randomised trial of endoscopic submucosal dissection versus endoscopic mucosal resection for early Barrett’s neoplasia. Gut 2017; 66: 783-93 <strong>5</strong> Podboy A et al.: Endoscopic submucosal dissection is associated with less pathologic uncertainty than endoscopic submucosal resection in diagnosing and staging Barrett’s related neoplasia. Dig Endosc 2019; doi:10.1111/ den.13487 [epub ahead of print] <strong>6</strong> de Matos MV et al.: Treatment of high grade dysplasia and intramucosal carcinoma using radiofrequency ablation or endoscopic mucosal resection + radiofrequency ablation: meta-analysis and systematic review. World J Gastrointest Endosc 2019: 11: 239-48 <strong>7</strong> Yajin S et al.: The normal configuration and interindividual differences in intramural lymphatic vessels of theesophagus. J Thorac Cardiovasc Surg 2009; 137: 1406- 14 <strong>8</strong> Stein HJ et al.: Limited resection for early adenocarcinomani Barrett’s esophagus. Ann Surg 2000; 232: 733-42 <strong>9</strong> Hölscher AH et al.: Prognostic impact of upper, middle, and lower third mucosal or submucosal infiltration in early esophageal cancer. Ann Surg 2011; 254: 802-08 <strong>10</strong> Cho JW et al.; Korean ESD Study Group: Lymph node metastasis in esophageal cancer: an endoscopist’s view. Clin Endosc 2014; 47: 523-29 <strong>11</strong> S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus. Konsultationsfassung Oktober 2018 (www. awmf.org) <strong>12</strong> Pimentel-Nunes P et al.: Endoscopic submucosal dissection: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Guidelines. Endoscopy 2015; 47: 829-54 <strong>13</strong> Kitagawa Y et al.: Esophageal cancer practice guidlies 2017 edited by the Japan esophageal society: part 2. Esophagus 2019; 16: 25-43 <strong>14</strong> Jiang W et al.: Post-treatment mortality after definitive chemoradiotherapy versus resection for esophageal cancer. Dis Esophagus 2019; doi:10.1093/dote/doz073 [Epub ahead of print] <strong>15</strong> Zeng Y et al.: Endoscopic treatment versus esophagectomy for early stage esophageal cancer: a population based study using propensity score matching. J Gastrointest Surg 2017; 21: 1977-83 <strong>16</strong> Min YW et al.: Comparison of endoscopic submucosal dissection and surgery for superficial esophageal squamous cell carcinoma: a propensity score-matched analysis. Gastrointest Endosc 2018, 88: 624-33 <strong>17</strong> Cummings LC et al.: Outcomes after endoscopic versus surgical therapy for early esophageal cancers in an older population. Gastrointest Endosc 2016; 84: 232-40</p>
</div>
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