Nuklearmedizinische Diagnostik und Radionuklidtherapie
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Gabriel
Institut für Nuklearmedizin und Endokrinologie
Kepler Universitätsklinikum GmbH
Med Campus III, Linz
Die Nuklearmedizin ermöglicht beim Management von Patienten mit einem neuroendokrinen Tumor Diagnostik und Therapie aus einer Hand. Die Grundlage dafür ist die Überexpression von Somatostatinrezeptoren auf den Tumorzellen. Sowohl die 68Ga-SSA-PET/CT wie auch die darauf basierende Radionuklidpeptidtherapie sind Grundpfeiler in der Behandlungsstrategie für diese Patienten. Das Zusammenspiel von Diagnostik und Therapie wird auch unter dem Begriff „Theranostik“ zusammengefasst.
Keypoints
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Die 68Ga-SSA-PET/CT ist die tragende Säule in der NET-Diagnostik.
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Die kombinierte Anwendung mit der 18F-FDG-PET/CT ist sinnvoll bei G3-Tumoren bzw. bei diskrepanten Befunden (z.B. CT-positiv/68Ga-PET-negativ).
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Die PRRT wird derzeit in erster Linie bei der ersten Progression von G1/G2-NET und ausgewählten G3-NET angewendet.
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Eine wiederholte Anwendung ist bei primärem Ansprechen durchaus vertretbar.
Es gibt eine Vielzahl an klinischen Szenarien betreffend Patienten mit einem neurodendokrinen Tumor (NET). Als besonderes Spezifikum der Nuklearmedizin ist die Möglichkeit gegeben, auf Basis der funktionellen Bildgebung und des daraus resultierenden Nachweises einer vermehrten Somatostatinrezeptor(SSTR)-Expression in den Tumorläsionen eine rezeptorbasierte Systemtherapie bei inoperablen bzw. metastasierten Krankheitsstadien anbieten zu können. Diese Therapie wird auch als Radionuklidpeptidtherapie (PRRT) bezeichnet.
NET-Diagnostik: Goldstandard 68Ga-SSA-PET/CT
In der Diagnostik ist mittlerweile die PET/CT (Positronen-Emissionstomografie/Computertomografie) mit einem Gallium(Ga)-68-markierten Somatostatinanalogon (68Ga-SSA) der Goldstandard bei nachgewiesenen bzw. suspizierten NET. Diese 68Ga-SSA finden bei diversen Neoplasien neuroendokrinen Ursprungs mit hoher diagnostischer Genauigkeit Anwendung. Lediglich bei Insulinomen kann in bis zu 50% der Fälle ein falschnegativer Befund vorkommen. Ein neu entwickelter Tracer, 68Ga-exendin-4, welcher derzeit nur an bestimmten Zentren verfügbar ist, weist eine deutlich höhere Sensitivität auf. Alternativ kann auch die 18F-DOPA-PET/CT angewendet werden. Zum Ausschluss multipler pankreatischer Tumoren im Rahmen eines „Multiple endokrine Neoplasie Typ 1“(MEN1)-Syndroms sollte bei biochemischem Verdacht auf alle Fälle die nuklearmedizinische Bildgebung miteinbezogen werden.
Neben der Anwendung bei klinischem und biochemischem Verdacht auf Vorliegen eines NET im Sinne einer Primäruntersuchung sollte dieses diagnostische 68Ga-PET/CT-Verfahren regulär bei histologisch nachgewiesenen gut differenzierten NET mit lokalisierter bzw. lokoregionaler Ausbreitung durchgeführt werden. Falls sich durch diese Diagnostik ein fortgeschrittenes Tumorstadium nachweisen lässt, kann die weitere OP-Planung entscheidend beeinflusst werden. Ggf. können unnötige operative Eingriffe dadurch auch vermieden werden, obgleich selbst in einem oligometastatischen Stadium u.U. auch die Resektion des Primärtumors bzw. von Lymphknotenmetastasen zur Vermeidung einer mesenterialen Fibrose sowie die Entfernung der Gallenblase im Hinblick auf eine Therapie mit einem langwirksamen Somatostatin (SST) Sinn macht. Auf alle Fälle sollte die 68Ga-PET/CT vor jeder größeren OP durchgeführt werden.
Bei Patienten mit einem mäßiggradig bzw. geringgradig differenzierten Tumor spielt auch die 18F-Fluordesoxyglucose(FDG)-PET/CT eine wichtige Rolle. Diese ergänzende nuklearmedizinische Untersuchung sollte speziell bei einem Ki-67 von >10% in Erwägung gezogen werden. Wenn einzelne Tumormanifestationen FDG-positiv sind und 68Ga negativ ist, sollte von einer PRRT Abstand genommen werden, es sei denn, dass diese SSTR-negativen Läsionen durch eine Operation oder Radiofrequenzablation selektiv vor der systemischen Radionuklidtherapie entfernt werden können.
68Ga-SSA-PET/CT zur Verlaufskontrolle
Auch in der Verlaufskontrolle von NET-Patienten hat die 68Ga-SSA-PET/CT einen wichtigen Stellenwert. Abhängig vor allem vom Risikoprofil sollte diese Diagnostik großzügig Anwendung finden. Demnach sind die Kontrollintervalle individuell von drei Monaten bis zu einem Jahr nach erfolgter Behandlung, abhängig auch von den Vortherapien bzw. der Metastasierungswahrscheinlichkeit, festzulegen. Jedenfalls sollte die 68Ga-PET/CT bei klinischem oder biochemischem Rezidivverdacht durchgeführt werden.
Radionuklidpeptidtherapie (PRRT)
Die PRRT ist grundsätzlich indiziert zur systemischen Behandlung von SSTR-2-positiven NET im metastasierten bzw. inoperablen Stadium. In erster Linie handelt es sich dabei um Tumoren ausgehend vom gastroenteropankreatischen (GEP) bzw. Bronchialsystem. Vorzugsweise sind gut differenzierte Tumorentitäten (Grad-1- bzw. Grad-2-Tumoren) für diese Behandlungsform geeignet. Die Traceranreicherung in den entsprechenden Tumorläsionen soll auf alle Fälle höher als der Uptake in der Leber sein. Auch eine ausreichende Nierenfunktion sowie Knochenmarksreserve sollte gegeben sein. In sehr fortgeschrittenen Tumorstadien sollte die Anwendung dieser nuklearmedizinischen Therapie aufgrund der verhältnismäßig langen Wirkungslatenz kritisch hinterfragt werden. Eine Lebenserwartung von mindestens drei Monaten sollte vorausgesetzt werden. Als mögliche Zweit- bzw. Drittlinientherapie kommt diese Therapie grundsätzlich auch bei mäßigbzw. geringdifferenzierten NET (Grad 3) mit einem Ki-67-Index von >20% (und <50%) infrage. Auch bei diesen Tumoren sind durchaus Ansprechraten vergleichbar mit jenen, die bei gut differenzierten Tumoren beobachtet werden, möglich. Das bedeutet, dass esbei ca. 80% der Patienten zu einer Stabilisierung bzw. einem objektiven Therapieansprechen kommt. Ca. 20% der Patienten zeigen auch nach erfolgter Therapie einen weiteren Progress der Tumorerkrankung. Non-Responder weisen im kurz- bzw. mittelfristigen Beobachtungsintervall eine deutlich schlechtere Prognose auf als jene Gruppe, welche ein initial gutes Therapieansprechen aufweist. Dazu werden auch Patienten mit einer Stabilisierung der Erkrankung gezählt. Auch bei einem neuerlichen Progress kann in diesen Fällen eine Wiederholung der PRRT in Betracht gezogen werden.1
Erstmalig konnte 2017 in einer großangelegten Phase-III-Studie die deutlich bessere klinische Wirksamkeit der PRRT unter Anwendung von 177Lu-DOTATATE im Rahmen der sogenannten NETTER-1-Studie gezeigt werden, welche in weiterer Folge auch zur Zulassung der Therapiesubstanz geführt hat.2
Die Leitlinie der European Society for Medical Oncology (ESMO)empfiehlt die PRRT bei der ersten Progression von G1–G2-GEP-NET und ausgewählten G3-NET anzuwenden.3 Insbesondere soll die PRRT als Zweitlinientherapie, speziell nach Anwendung eines langwirksamen SSA, für gastrointestinale NET im inoperablen bzw. metastasierten Stadium Anwendung finden. Bei einem guten Therapieansprechen der PRRT mit signifikanter Verringerung der Tumorlast kann nach Beendigung dieser ggf. auch noch eine Operation mit kurativer Intention in Erwägung gezogen werden. Eine PRRT-Wiederanwendung sollte frühestens bei stabiler Erkrankung für mindestens ein Jahr nach Abschluss der Therapie und neuerlichem Progress erfolgen.
Generell gilt die Empfehlung, die Rezeptor-mediierte Therapie mit einem langwirksamen „kalten“ SSA im Sinne einer Erhaltungstherapie nach erfolgter PRRT fortzusetzen;4 diesbezüglich Verweis auch auf Abbildung 1. Subjektiv wird die Radionuklidtherapie von den allermeisten Patienten gut vertragen und spielt auch in puncto längerfristiger Verbesserung der Lebensqualität eine wichtige Rolle. Neben Blutbildveränderungen sind Nebenwirkungen vonseiten der Nierenfunktion aufgrund der obligatorischen Anwendung von sogenannten Nierenschutzinfusionen mit basischen Aminosäuren (Lysin, Arginin) selten zu beobachten.
Abb. 1: PRRT + lang wirksames SSA. 46-jährige Patientin mit metastasiertem NET des terminalen Ileums; 3 x 90Y-DOTA-TOC von Oktober 2011 bis März 2012 (12,8 GBq); anschließend lang wirksames SSA; seither stabile Tumorerkrankung!
Ausblick
Nicht nur bei gering bzw. schlecht differenzierten NET scheint die Kombination von PRRT mit verschiedenen Chemotherapien sinnvoll, auch die Kombination mit neuen Therapieverfahren, wie bspw. der Immuntherapie, lassen durchaus Erfolgversprechende neuartige Konzepte erwarten (Tab. 1). Ebenso sind neue Targets, insbesondere die Anwendung von SSTR-Antagonisten, in klinischer Erprobung. Auch bei Patienten, welche unter der bisher etablierten PRRT progredient geworden sind, lassen neue Isotope wie z.B. Bi-213 als Vertreter der Alphastrahler die Erfolgsaussichten verbessern.
Tab. 1: Kombinationen der PPRT mit anderen systemischen Therapieformen. 5-FU, 5-Fluorouracil; BRCA1, „breast cancer 1“; PARP-1, Poly(ADP-Ribose)-Polymerase-1; PD-L1, „programmed cell death 1 ligand 1“; PFS, progressionsfreies Überleben (modifiziert nach5–7)
Literatur:
1 Gabriel M et al.: J Nucl Med 2019; 60: 524-29 2 Strosberg JR et al.: N Engl J Med 2017; 376: 125-35 3 Pavel M et al.: Ann Oncol 2020; 31: 844-60 4 Yordanova A et al.: Clin Cancer Res 2018; 24: 4672-9 5 Kong G, Hicks RJ: Curr Treat Options Oncol 2019; 29: 77 6 Yordanova A et al.: Clin Cancer Res 2018; 24: 4672-9 7 Nonnekens J et al.: Theranostics 2016; 6: 1821-32
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