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Nodal-positives Mammakarzinom

„Targeted axillary dissection“ nach neoadjuvanter Chemotherapie bei nodal-positivem Mammakarzinom

<p class="article-intro">Bei einer „targeted axillary dissection“ (TAD) wird bei axillärem Lymphknotenbefall eine Clipmarkierung der befallenen Lymphknoten durchgeführt. Diese Clips werden nach neoadjuvanter Chemotherapie im Falle einer klinischen Komplettremission gezielt entfernt. Damit kann in vielen Fällen eine Axilladissektion vermieden werden. Zu diesem Vorgehen debattierten am diesjährigen European Breast Cancer Congress (EBCC) in Barcelona Michael Knauer (CH), M. Vrancken-Peeters (NL), H. M. Kuerer (USA) und T. Kühn (DE).</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Nach neoadjuvanter Chemotherapie ist die Falsch-negativ-Rate der &bdquo;Sentinel node&ldquo;-Biopsie abh&auml;ngig von der Anzahl der Lymphknoten und der Markierungstechnik.</li> <li>Die Markierung der Lymphknoten mit bioptisch gesicherter Metastase erm&ouml;glicht nach der neoadjuvanten Therapie eine selektive Entfernung. Zus&auml;tzlich zur SLND kann dies die FNR gem&auml;&szlig; explorativen Studien von gut 10 % auf 2 % senken. Damit k&ouml;nnte die TAD die erhebliche Morbidit&auml;t durch die ALND vermindern helfen.</li> <li>Somit hat die TAD das Potenzial, die Rate an unn&ouml;tigen Axilladissektionen und somit relevante Morbidit&auml;t deutlich zu reduzieren.</li> <li>Prospektive Langzeitdaten zur Sicherheit fehlen allerdings noch und idealerweise wird diese Technik in prospektiven Registern und Studien evaluiert.</li> </ul> </div> <h2>Deeskalation in der Axillachirurgie</h2> <p>Die SNB (&bdquo;Sentinel node&ldquo;-Biopsie) hat das chirurgische axill&auml;re Staging revolutioniert und ist fester Bestandteil in der klinischen Praxis bei Patientinnen mit klinisch negativer Axilla. Bei gleichzeitiger Beibehaltung der onkologischen Sicherheit konnten Studien eine deutlich reduzierte Morbidit&auml;t durch die alleinige SNB zeigen.<sup>1</sup> Selbst bei limitiertem Befall des W&auml;chterlymphknotens konnte die ACOSOG-Z0011-Studie<sup>2</sup> zeigen, dass unter bestimmten Voraussetzungen (brusterhaltende OP, T1/2 und max. 1 &ndash; 2 positive &bdquo;sentinels&ldquo;, Radio- und Systemtherapie) auf eine axill&auml;re Lymphonodektomie verzichtet werden kann, ohne negativen Einfluss auf die lokoregion&auml;re und systemische Kontrolle. Dies reiht sich ein in die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit einer zunehmenden Reduktion der chirurgischen Radikalit&auml;t sowohl bei der Mammachirurgie als auch bei der Axillachirurgie. Aktuelle Indikationen f&uuml;r eine Axilladissektion (ALND) sind:</p> <ul> <li>klinisch (oder sonografisch) positive Axilla</li> <li>=3 positive Sentinellymphknoten mit Makrometastasen</li> <li>Patientinnen, welche nicht den Z0011- Kriterien entsprechen (z.B. Mastektomie, neoadjuvante Chemotherapie, T3- Karzinome, keine Radiotherapie geplant etc.)</li> <li>fehlende pathologische Komplettremission axill&auml;r nach neoadjuvanter Chemotherapie</li> </ul> <p>Ob die operative Therapie der Axilla eine Staginguntersuchung oder eine tats&auml;chlich f&uuml;r die lokoregion&auml;re Rezidivkontrolle notwendige Operation ist, wurde h&auml;ufig kontrovers diskutiert.</p> <h2>Sentinelbiopsie nach neoadjuvanter Chemotherapie</h2> <p>Trotz der zunehmenden Datenlage bleiben noch viele offene Fragen. Eine noch nicht abschlie&szlig;end gekl&auml;rte Frage ist die der Integration der SNB in das Konzept einer neoadjuvanten Behandlung. Wichtigster Parameter zur Beurteilung der Effektivit&auml;t einer neoadjuvanten Chemotherapie ist die Beurteilung der Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR, in Brust und Axilla).<br /> Die Frage, ob alle Patientinnen, welche unter neoadjuvanter Chemotherapie ein Downstaging von pN1 auf ycN0 erzielten, dennoch eine ALND brauchen, wird weiterhin kontrovers diskutiert.<br /> Zur Durchf&uuml;hrung einer SNB nach neoadjuvanter Chemotherapie liegen Daten aus zwei Studien zur Detektions- und Falsch-negativ-Rate (FNR) vor:<br /> In der ACOSOG Z1071<sup>3</sup>, einer prospektiven Phase-II-Studie mit 649 Patientinnen, zeigte sich bei nodal-positiven Patientinnen und folgender neoadjuvanter Chemotherapie eine FNR bei einer SNB von 12,6 % . Die FNR war stark abh&auml;ngig von der Anzahl der entfernten Sentinellymphknoten und betrug bei 3 entfernten Lymphknoten 10 % . &Auml;hnliche Resultate zeigte die deutsche SENTINA-Studie<sup>4</sup> mit einer FNR von 14,3 % , bei =3 entfernten &bdquo;sentinels&ldquo; sank die FNR auf 5 % . Die FNR war in beiden Studien von der Markierungstechnik abh&auml;ngig und bei alleiniger Radionuklid- Markierung doppelt so hoch wie bei der Kombination mit Patentblau-Markierung. Eine somit erreichte FNR von deutlich unter 10 % wird als akzeptabel interpretiert<br /> Als Kritikpunkt wurde von den Debattierenden betont:</p> <ul> <li>Beide Studien sind nicht randomisiert.</li> <li>Aus fr&uuml;heren Studien (NSABP-B32)1 wissen wir, dass im Durchschnitt bei einer SNB 1,3 Lymphknoten und nicht =3 Lymphknoten entfernt werden. Ein unkontrolliertes Axillasampling sollte jedoch unbedingt vermieden werden.</li> <li>Langzeitdaten zur onkologischen Sicherheit fehlen.</li> </ul> <p>Es stellt sich die Frage, wie wichtig eine FNR unter 10 % bei einer SNB &uuml;berhaupt ist. Bei der Standard-SNB wissen wir bereits seit der Z0011-<sup>5</sup> und der NSABP-B32- Studie<sup>1</sup>, dass trotz des Verbleibens weiterer positiver Lymphknoten in der Axilla nach einer SNB die lokalen axill&auml;ren Rezidive mit &lt;1 % auch in der Langzeitbeobachtung extrem niedrig bleiben. Die Systemtherapien und Radiotherapien tragen sicher einen Gro&szlig;teil dazu bei. Diese Schlussfolgerung kann jedoch nicht &uuml;bernommen werden bei einer SNB nach neoadjuvanter Chemotherapie. M&ouml;glicherweise braucht es genau in dieser Situation wegen zur&uuml;ckgebliebener eventuell resistenter Tumorzellen mehr Lokaltherapie? Und brauchen wir die ALND hier als Staging- Methode, um prognostische Information daraus zu ziehen?<br /> Zur Sicherheit der SNB nach NAC gibt es bisher lediglich retrospektive Daten mit kleinen Fallzahlen.<sup>6, 7</sup> Auch in naher Zukunft kann hierzu keine Evidenz erwartet werden &ndash; hier wurde diskutiert, ob wir wirklich noch 10 Jahre oder mehr warten wollen, bis neue prospektive Studien durchgef&uuml;hrt wurden mit entsprechender Nachbeobachtung.</p> <h2>Methode &bdquo;targeted axillary dissection&ldquo; (TAD) und MARI-Prozedur</h2> <p>Zwei Studien hatten das Ziel, mehr Sicherheit bei einer SNB nach NAC durch eine weitere Senkung der FNR zu erreichen. In prospektiven Studien wurde bei Patientinnen mit bioptisch gesicherten Lymphknotenmetastasen der entsprechende Lymphknoten mit einem Clip (I-125 seed) markiert (Abb. 1). Die holl&auml;ndische Gruppe aus dem Netherlands Cancer Institute um M. Vrancken-Peeters (MARIProzedur) untersuchte die alleinige Entfernung des geclippten Lymphknotens,<sup>8</sup> die amerikanische Gruppe aus dem MD Anderson Cancer Center (TAD) untersuchte die kombinierte Entfernung, d.h. geclippter Lymphknoten plus Sentinellymphknoten. <sup>9</sup> Nach neoadjuvanter Therapie erfolgten die ALND und die Untersuchung des geclippten Lymphknotens. Die FNR von TAD und SNB alleine wurde anschlie&szlig;end auf Basis einer kompletten Achselausr&auml;umung (ALND) bestimmt.<br /> Von 191 Patientinnen, welche anschlie&szlig;end eine ALND erhielten, lie&szlig; sich bei 120 (63 % ) ein Tumorresiduum feststellen (Abb. 2). Der markierte Lymphknoten zeigte bei 115 Patientinnen eine Metastase, das Clipping f&uuml;hrte also zu einer FNR von 4,2 % , wenn nur der markierte Lymphknoten alleine entfernt wurde (95 % CI: 1,4&ndash;9,5). Patientinnen, bei denen nur eine SNB durchgef&uuml;hrt worden war (n=118), wiesen eine FNR von 10,1 % auf (95 % CI: 4,2&ndash;19,8; 7 falsch-negative Ergebnisse). Der markierte Lymphknoten w&auml;re in 23 % der F&auml;lle mit der SLND alleine nicht entdeckt worden. Eine TAD erfolgte vor der ALND bei 85 Patientinnen. Hier lag die FNR bei 2,0 % (1 von 50). Damit k&ouml;nnte die TAD die erhebliche Morbidit&auml;t durch die ALND vermindern helfen.<br /> Obwohl dieses Vorgehen in den meisten internationalen Guidelines noch nicht etabliert ist, scheint es sich in der klinischen Praxis bereits weitgehend durchgesetzt zu haben. Der St. Gallen Konsensus 2017 bewertete das Vorgehen der TAD mit 50 % (21 % Enthaltung) im Falle cN1&ndash;ycN0 noch relativ zur&uuml;ckhaltend.<sup>10</sup><br /> Nach der Debatte am EBCC 2018 erfolgte eine Befragung des Publikums bez&uuml;glich des individuellen Vorgehens. Es zeigte sich, dass eine sehr deutliche Mehrheit die TAD bereits routinem&auml;&szlig;ig anwendet. Ungekl&auml;rt ist in diesem Zusammenhang die Rolle der Radiotherapie. Der Trend zum Ersatz der Axillachirurgie durch eine Strahlentherapie der Axilla kann in diesem Zusammenhang nur als ein Anachronismus gesehen werden, der im Widerspruch steht zur Reduktion der chirurgischen Radikalit&auml;t in der Axillachirurgie und welcher der Biologie einer Brustkrebserkrankung nicht Rechnung tr&auml;gt. Radioonkologische Studien bef&uuml;rworten bislang meistens eine Eskalation der Therapie &ndash; eine Deeskalierung wird noch zu wenig untersucht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1803_Weblinks_s10_abb1.jpg" alt="" width="1416" height="465" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1803_Weblinks_s10_abb2.jpg" alt="" width="1457" height="1872" /></p> <h2>Axillachirurgie in der Zukunft?</h2> <p>Einen Schritt weiter geht die geplante TAXIS-Studie, eine Phase-III-Studie der SAKK, welche 1500 Patientinnen einschlie&szlig;en soll, mit geplantem Start 07/2018.<sup>11</sup> Hierbei wird prospektiv das axill&auml;re Management beim High-Risk- Spektrum der nodal-positiven Patientinnen untersucht. Eingeschlossen werden Patientinnen mit bioptisch gesicherten Lymphknotenmetastasen (pN1 oder ypN1), egal, ob die Detektion bildgebend oder klinisch erfolgt ist. Verglichen wird dann die ALND versus die TAD plus SNB mit einem Langzeit-Follow-up und einer standardisierten, qualit&auml;tskontrollierten region&auml;ren Radiotherapie.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Krag DN et al.: Sentinel-lymph-node resection compared with conventional axillary-lymph-node dissection in clinically node-negative patients with breast cancer: overall survival findings from the NSABP B-32 randomised phase 3 trial. Lancet Oncol 2010; 11: 927-33 <strong>2</strong> Giuliano AE et al.: Axillary dissection vs no axillary dissection in women with invasive breast cancer and sentinel node metastasis: a randomized clinical trial. J Am Med Assoc 2011; 305: 569-75 <strong>3</strong> Boughey JC et al.: Sentinel lymph node surgery after neoadjuvant chemotherapy in patients with node-positive breast cancer: the ACOSOG Z1071 (Alliance) clinical trial. JAMA 2013; 310(14): 1455-61 <strong>4</strong> Kuehn T et al.: Sentinel-lymph-node biopsy in patients with breast cancer before and after neoadjuvant chemotherapy (SENTINA): a prospective, multicentre cohort study. Lancet Oncol 2013; 14(7): 609-18 <strong>5</strong> Giuliano AE et al.: Effect of axillary dissection vs no axillary dissection on 10-year overall survival among women with invasive breast cancer and sentinel node metastasis: the ACOSOG Z0011 (Alliance) randomized clinical trial. JAMA 2017; 318(10): 918-26 <strong>6</strong> Martelli G e t a l.: S entinel n ode b iopsy a fter p rimary chemotherapy in cT2 N0/1 breast cancer patients: longterm results of a retrospective study. Eur J Surg Oncol 2017; 43(11): 2012-20 <strong>7</strong> Galimberti V et al.: Sentinel node biopsy after neoadjuvant treatment in breast cancer: fiveyear follow-up of patients with clinically node-negative or node-positive disease before treatment. Eur J Surg Oncol 2016; 42(3): 361-8 <strong>8</strong> Donker M et al.: Marking axillary lymph nodes with radioactive iodine seeds for axillary staging after neoadjuvant systemic treatment in breast cancer patients: the MARI procedure. Ann Surg 2015; 261(2): 378-82 <strong>9</strong> Caudle AS et al.: Improved axillary evaluation following neoadjuvant therapy for patients with node-positive breast cancer using selective evaluation of clipped nodes: implementation of targeted axillary dissection. J Clin Oncol 2016; 34(10): 1072-8 <strong>10</strong> Curigliano G et al.: De-escalating and escalating treatments for earlystage breast cancer: the St. Gallen International Expert Consensus Conference on the Primary Therapy of Early Breast Cancer 2017. Ann Oncol 2017; 28(8): 1700-12 <strong>11</strong> SAKK 23/16: Tailored axillary surgery with or without axillary lymph node dissection followed by radiotherapy in patients with clinically node-positive breast cancer (TAXIS). A multicenter randomized phase III trial (PI: Weber W)</p> </div> </p>
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