Exazerbationen bei ILD: häufig und katastrophal
Bericht: Reno Barth
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Kommt es im Rahmen einer interstitiellen Lungenerkrankung zu einer akuten Exazerbation, so ist die Prognose extrem ungünstig. Antifibrotische Therapien reduzieren das Risiko. Evidenzbasierte Therapien gibt es nicht, auf Basis von Expertenmeinung werden Steroide eingesetzt. Klinische Studien zu unterschiedlichen Therapieansätzen verliefen negativ.
Akute Exazerbationen interstitieller Lungenerkrankungen (ILD) sind potenziell katastrophale Ereignisse, die in der Regel zu irreversiblen Verschlechterungen der Erkrankung oder zum Tod des Patienten führen. Die Einjahresmortalität beträgt bei IPF-Patienten im ersten Jahr nach einer akuten Exazerbation 80 bis 90 Prozent, das mediane Überleben beträgt 2,2 Monate. Jeder zweite Betroffene stirbt bereits während der Exazerbation im Krankenhaus. Evidenz zur Behandlung dieser Ereignisse ist rar und wenn überhaupt vorhanden, dann für die idiopathische Lungenfibrose (IPF), die am besten untersuchte ILD. Viele offene Fragen bleiben, so Prof. Dr. Michael Kreuter von der Universität Heidelberg. Nach aktueller Definition liegt eine akute Exazerbation vor, wenn es innerhalb eines Monats zu einer deutlichen Zunahme der Dyspnoe kommt, die von einer entsprechenden Verschlechterung in der Bildgebung begleitet wird, und die Verschlechterung nicht durch Herzversagen oder Ödem erklärt werden kann.1 Die Inzidenz wird mit fünf bis 20 Prozent pro Jahr angegeben. Erfahrungen zu anderen progredienten ILD kommen aus der INBUILD-Studie, in der es bei 8,7 Prozent der Patienten innerhalb eines Jahres zu Exazerbationen kam. Die Prognose war auch hier sehr ungünstig, mit einer Mortalität von 37 Prozent innerhalb von 180 Tagen.2
Akute Exazerbationen können auf verschiedene Trigger wie zum Beispiel Infektionen zurückführbar sein oder ohne bekannte Ursache idiopathisch auftreten. Der wesentliche Unterschied liegt in der Vermeidbarkeit der relevanten Trigger. Das bedeutet unter anderem Impfungen (Influenza, Pneumokokken) und nach Möglichkeit die Vermeidung thoraxchirurgischer Eingriffe. Letzteres kann insbesondere beim Auftreten eines Lungenkarzinoms zum Dilemma werden. Die Rolle bakterieller Infektionen ist nicht geklärt. Im Rahmen akuter Exazerbationen werden sowohl eine Zunahme der bakteriellen Besiedelung als auch eine Verschiebung im Spektrum vorhandener Bakterien beobachtet. Ob Antibiose einen protektiven Effekt hat, ist nicht geklärt.
Antifibrotische Medikamente sind hilfreich. Nintedanib reduziert einerseits die Inzidenz von Exazerbationen3 und verbessern darüber hinaus auch deren Prognose.4 In den Zulassungsstudien mit Pirfenidon waren Exazerbationen kein Endpunkt. Mittlerweile liegen jedoch Daten vor, die eine Reduktion der Hospitalisierungen aus respiratorischen Gründen unter Therapie mit Pirfenidon zeigen, was auf eine Reduktion der Exazerbationen schließen lässt.5
Im Falle einer einmal eingetretenen akuten Exazerbation sind die Optionen sehr begrenzt, zumal es aktuell keine Evidenz aus klinischen Studien zum Management dieser Ereignisse gibt. In internationalen Guidelines wird auf Basis von Expertenmeinungen eine schwache Empfehlung für den Einsatz von Steroiden gegeben.6 Allerdings fehlen sämtliche Empfehlungen zu Dosis, Behandlungsdauer oder Applikationsweg. Auch gibt es keine Empfehlungen zu einer Anpassung der antifibrotischen Therapie. Eine vor rund zehn Jahren durchgeführte Befragung zeigt, dass praktisch alle Behandler Steroide einsetzen, dass daneben aber auch Antibiotika bzw. Immunsuppression mit Cyclophosphamid zum Einsatz kommen.7
Zwischen einzelnen Ländern dürften erhebliche Unterschiede bestehen. So wird in Japan auf Basis retrospektiver Daten rekombinantes humanes Thrombomodulin eingesetzt, mit dem mittlerweile auch die erste klinische Studie in der Indikation Exazerbationen bei IPF durchgeführt wurde. Leider verlief die Studie negativ und konnte keinerlei Wirkung der Therapie zeigen.8 Man könne daraus nicht zuletzt lernen, so Kreuter, dass sich aus retrospektiven Daten keine Schlüsse für die Therapie ableiten lassen. Auch für Cyclophosphamid konnte mittlerweile in einer französischen Studie keine Wirksamkeit und sogar eine numerisch leicht erhöhte Mortalität gezeigt werden.9 Im Gegensatz dazu konnte mittels Lungentransplantation das Outcome verbessert werden,10 wobei jedoch ausschließlich jene Patienten profitierten, die sich bei Eintreten der Exazerbation bereits auf der Transplantationsliste befanden. Dies sei, so Kreuter, ein Argument dafür, bei Patienten mit progredienten interstitiellen Lungenerkrankungen rechtzeitig auch in Richtung Transplantation zu denken.
Quelle:
State of the Art Session “Interstitial lung diseases”, “Acute exacerbations of fibrosing ILDs: controversies and new insights”; Vortrag von Prof. Dr. Michael Kreuter, Heidelberg; ERS 2022 am 5. September 2022
Literatur:
1) Collard HR et al.: Am J Respir Crit Care Med 2007; 176(7): 636-43
2) Kreuter et al.: ATS Conference 2022
3) Richeldi L et al.: Respir Med 2016; 113: 74-9
4) Collard HR et al.: Eur Respir J 2017; 49(5): 1601339
5) Ley B et al.: Am J Respir Crit Care Med 2017; 196(6): 756-61
6) Raghu G et al.: Am J Respir Crit Care Med 2011; 183(6): 788-824
7) Antoniou KM, Wells AU: Respiration 2013; 86(4): 265-74
8) Kondoh Y et al.: Am J Respir Crit Care Med 2020; 201(9): 1110-9
9) Naccache JM et al.: Lancet Respir Med 2022; 10(1): 26-34
10) Chizinga M et al.: Thorax 2022; 77(4): 364-9
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