Was chronischer Husten und chronischer Schmerz gemeinsam haben
Bericht: Reno Barth
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Experimentelle Studien zeigen große Gemeinsamkeiten zwischen dem refraktären chronischen Husten und dem chronischen neuropathischen Schmerz. Dies kann sich sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie des chronischen Hustens als hilfreich erweisen.
Eine rezente Kohortenstudie zeigt, dass chronischer Husten häufig mit einem anderen Symptom assoziiert ist, an das man zunächst wohl nicht denken würde: mit chronischem Schmerz.1 Und je ausgeprägter der chronische Husten in der Studie war, desto ausgeprägter war auch der chronische Schmerz. Ein Blick auf die pathophysiologischen Hintergründe kann die Zusammenhänge erklären, so Prof. Dr. Jaclyn Smith von der University of Manchester, da an beiden Zustandsbildern ähnliche neuronale Schaltkreise mit aufsteigender Reizleitung und (potenziell dysfunktionaler) absteigender Inhibition beteiligt sind. Ein experimenteller Hustenreiz durch inhaliertes Capsaicin produziert im Gehirn ähnliche Aktivierungsmuster wie ein Hitzereiz an der Hand. Smith: „Sowohl chronischer Husten als auch chronischer Schmerz können durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen verursacht werden. Aber sie können sich auch quasi selbstständig machen und für sich Krankheitswert bekommen“. Im Falle eines refraktären und unerklärbaren chronischen Hustens (RCC) gehe man davon aus, dass man es mit einer Form der Übererregbarkeit zu tun habe, so Smith. Das Gleiche ist auch beim chronischen neuropathischen Schmerz der Fall. Man geht heute davon aus, dass neuropathischer Schmerz durch eine Läsion oder Erkrankung des somatosensorischen Nervensystems entsteht und sowohl spontan als auch evoziert auftreten kann. Dabei kann es sowohl zu einer verstärkten Reaktion auf einen Schmerzreiz (Hyperalgesie) als auch zu einer schmerzhaften Reaktion auf einen nicht schmerzhaften Stimulus (Allodynie) kommen.
Dies sei beim chronischen Husten ähnlich – wenn auch noch nicht so genau beschrieben. Auch chronischer Husten wird durch eine Dysfunktion des somatosensorischen Nervensystems verursacht. Dabei kann es zur verstärkten Reaktion auf einen Hustenreiz (Hypertussis) oder zu Husten infolge eines Reizes, der normalerweise keinen Husten auslöst (Allotussis), kommen.2 Husten kann bei den Betroffenen jedoch auch völlig spontan und ohne Stimulus auftreten.
Experimentelle Studien bestätigen diese Hypothese. So führt eine Inhalation von Capsaicin sowohl bei Gesunden als auch bei Patienten mit RCC zu Husten. Allerdings ist der Hustenreiz bei den RCC-Patienten bei jeder Capsaicindosis ausgeprägter als bei den gesunden Kontrollen.3 Mit unterschiedlichen Stimuli wurde immer das gleiche Ergebnis beobachtet: Sie führten bei RCC-Patienten zu mehr Husten als bei den Kontrollen. Bei diesem Phänomen handle es sich um Hypertussis, so Smith. Mittlerweile konnte jedoch auch Allotussis experimentell ausgelöst werden, und zwar durch hypotone Kochsalzlösung, die bei Gesunden keinen Hustenreiz verursacht, bei Personen mit RCC jedoch zu Husten führt. Diese Form der Stimulation könnte in der Zukunft als diagnostischer Test auf RCC genützt werden. Mechanistisch dürfte dahinter eine Freisetzung von ATP, ausgelöst durch die Stimulation von TRPV4-Rezeptoren, stehen. Dieser Mechanismus scheint spezifisch für chronischen Husten zu sein. Angesichts dieser Befunde verwundert es auch nicht, dass viele beim chronischen Husten eingesetzte Medikamente auch Schmerzmedikamente sind. Das betrifft selbstverständlich die Opioide oder Lidocain, aber auch die P2X3-Antagonisten, die ursprünglich als neue Analgetika konzipiert waren. Diese Zusammenhänge erklären jedoch auch den ausgeprägten Placeboeffekt, der in Studien zum chronischen Husten beobachtet wurde4 und der, so Smith, zum Problem in der Entwicklung von Medikamenten für diese Indikation werden könne. Das gleiche Phänomen sei auch beim neuropathischen Schmerz aufgetreten. Hier hat der in den verschiedenen Studien beobachtete Placeboeffekt seit den 1980er-Jahren allerdings beständig zugenommen und mittlerweile sei es sehr schwierig geworden, mit Verum eine noch ausgeprägtere Wirkung zu erzielen, so die Expertin.
Quelle:
State of the Art Session Airway diseases: „Precision medicine for asthma, chronic obstructive pulmonary disease and chronic cough: new drugs, biomarkers“; „The interrelatedness of chronic cough and chronic pain“; Vortrag von Prof. Dr. Jaclyn Smith, UK; ERS 2022 am 4. September 2022
Literatur:
1) Arinze JT et al.: Eur Respir J 2021; 57(5): 2002651
2) Morice AH: Lung 2021; 199(4): 433-4
3) Holt et al.: Thorax 2014; 69: Suppl 2 A77
4) McGarvey LP et al.: Lancet 2022; 399(10328): 909-23
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