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Ursachen, Folgen und Chancen

Umweltkrisen und psychische Gesundheit

Die Klimakrise gefährdet nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit. Es liegt in unserem ureigenen Interesse, möglichst rasch und entschieden entgegenzusteuern. Dabei lassen sich Lösungen finden, die sowohl das Wohlbefinden verbessern als auch der Umwelt nutzen.

Die Welt ist mit schwerwiegenden menschengemachten Umweltkrisen konfrontiert. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen spricht von einer dreifachen planetaren Krise. Gemeint sind damit die Klimakrise, das Artensterben und die weltweit zunehmende Verschmutzung. Die weltweite Durchschnittstemperatur liegt mittlerweile 1,1°C höher als in der vorindustriellen Zeit, was unter anderem mit vermehrten und intensiveren Hitzewellen, Dürren, Wald- und Buschbränden und Starkregenereignissen mit Überschwemmungen einhergeht. Im gleichen Zeitraum ist die Aussterberate von Arten drastisch gestiegen, sodass mittlerweile weltweit etwa ein bis zwei Millionen Arten vom Aussterben bedroht sind. Und während Todesfälle durch «traditionelle» Formen von Verschmutzung zwar zurückgehen, steigen Todesfälle durch «moderne» Formen von Verschmutzung weiter an. Alle drei Umweltkrisen sind eng miteinander verknüpft. Sie bedingen sich teilweise gegenseitig oder gehen auf gemeinsame Ursachen zurück. Beispielsweise heizt die Klimakrise das Artensterben weiter an. Und «moderne» Formen von Verschmutzung – wie Feinstaub – gehen genau wie die Klimakrise zu einem grossen Teil auf die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Öl, Kohle und Gas zurück.

Umweltkrisen als Gesundheitsrisiko

Dass Hitzewellen eine Gesundheitsgefahr darstellen, ist in den letzten Jahren auch in den vormals eher gemässigten Breiten Mitteleuropas vermehrt ins Bewusstsein getreten. Auch die Effekte von Luftverschmutzung auf Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems sind vielen Menschen bekannt. Weniger Beachtung finden dagegen die Effekte der Umweltkrisen auf die psychische Gesundheit. Dies liegt sicherlich mit darin begründet, dass die Forschung zu diesen Zusammenhängen noch in den Kinderschuhen steckt. Doch in den letzten Jahren mehren sich grosse epidemiologische Studien und auch Metaanalysen, die negative Effekte der Umweltkrisen auf die psychische Gesundheit belegen. Auch psychiatrische Fachgesellschaften haben die Problematik erkannt und Positionspapiere zu den Zusammenhängen veröffentlicht, so beispielsweise das Royal College of Psychiatrists aus dem Vereinigten Königreich, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde oder die European Psychiatric Association.

Hitze belastet die Psyche

Hitzewellen sind mit einem Anstieg der Inzidenz zahlreicher psychischer Erkrankungen assoziiert. Eine Metaanalyse konnte zeigen, dass die Inzidenz psychischer Erkrankungen im Rahmen von Hitzewellen mehr als 6% erhöht ist. Viele Studien belegen ausserdem einen Zusammenhang zwischen Hitze und Suizidraten sowie zwischen Hitze und Aggression. Daneben beeinflusst Hitze die Psyche, auch bevor das Niveau einer psychischen Erkrankung erreicht ist: Die meisten Menschen haben wahrscheinlich schon am eigenen Leib erfahren, dass sich Hitzewellen negativ auf die Konzentration oder den Schlaf auswirken.

Hitzewellen erhöhen aber nicht nur das Risiko für psychische Erkrankungen, sie stellen auch eine besondere Gefahr für bereits psychisch erkrankte Menschen dar. So scheint die Mortalität von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Rahmen von Hitzewellen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht zu sein, mehr noch als bei Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen. Dies liegt zum Teil an Medikamenten, die Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig einnehmen, zum Teil aber auch an Effekten der psychischen Erkrankungen selbst, die beispielsweise die Fähigkeit einschränken, sich effektiv gegen Hitze zu schützen.

Psychische Folgen von Extremwetter und Verschmutzung

Andere Extremwetterereignisse wie Wald- und Buschbrände oder Starkregenereignisse mit Überschwemmungen, die im Rahmen der Klimakrise häufiger und intensiver werden, sind vor allem mit einer erhöhten Inzidenz von affektiven Erkrankungen und posttraumatischen Belastungsstörungen assoziiert. Je stärker ein solches Extremwetterereignis ist und je stärker ein Mensch davon betroffen ist, desto höher ist das Risiko für die Entstehung einer psychischen Erkrankung.

Verschmutzung – insbesondere Luftverschmutzung – hat ebenfalls negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Metaanalysen zeigen, dass Luftverschmutzung mit einem erhöhten Risiko für Depression, Suizide und Demenzerkrankungen assoziiert ist. Auch hier gilt – ähnlich wie für Hitze –, dass Luftverschmutzung die Psyche beeinflusst, auch bevor das Niveau einer psychischen Erkrankung erreicht ist. So zeigt sich beispielsweise ein Effekt auf die kognitive Leistung von Kindern in Gegenden, die stark von Luftverschmutzung betroffen sind.

Klimaangst

Nicht zuletzt machen diese Umweltveränderungen zu Recht Angst und können dadurch neue psychische Belastungsformen bedingen. Eine grosse Umfrage unter jungen Menschen aus zehn Ländern ergab einen hohen Anteil an Personen, die aufgrund der Umweltkrisen sehr oder sogar extrem besorgt waren. In Ländern, die bereits jetzt besonders stark von Umweltkrisen betroffen sind, gaben fast drei Viertel der Befragten an, dass sich diese Besorgnis negativ auf ihr Funktionsniveau auswirkte. In bisher weniger stark betroffenen Ländern wie den USA oder Grossbritannien war dies immerhin noch bei mehr als einem Viertel der Befragten der Fall.

Indirekte psychische Folgen

Dazu kommt, dass Umweltkrisen nicht nur direkte negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben. Höhere Temperaturen, vermehrte Extremwetterereignisse oder der steigende Meeresspiegel zwingen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen – mit allen negativen Konsequenzen für die psychische Gesundheit, die unfreiwillige Migration mit sich bringt. Daneben führen Dürren oder Starkregenereignisse zu Ernteausfällen und damit einhergehend zu Mangelernährung, die wiederum negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat.

Lösungsansätze fördern die psychische Gesundheit

Diese Erkenntnisse verdeutlichen, dass die Umweltkrisen nicht nur irgendeine Umwelt betreffen, sondern dass wir untrennbarer Teil dieser Umwelt sind, sodass wir ganz unmittelbar selbst betroffen sind. Auch zeigt es, dass es beim Klimaschutz nicht darum geht, «das Klima» zu retten, sondern uns selbst. Glücklicherweise gibt es Lösungsansätze für die Bewältigung der Umweltkrisen. Manche dieser Lösungsansätze haben dabei unabhängig von ihrer Wirkung auf die Umwelt einen positiven Effekt für die psychische Gesundheit.

Dazu zählt beispielsweise die Ernährung. Die Art und Weise, wie wir uns aktuell ernähren und Nahrungsmittel produzieren, verursacht mehr als ein Viertel der globalen Treibhausgase. Dieser Anteil liesse sich durch einen höheren Anteil pflanzlicher Nahrungsmittel in der Ernährung reduzieren. Gleichzeitig ist eine mediterrane Ernährung, die sich durch einen im Vergleich zu aktuell vorherrschenden Ernährungsweisen höheren Anteil pflanzlicher Nahrungsmittel auszeichnet, mit einem geringeren Risiko für Depressionen assoziiert. Mehr pflanzliche Lebensmittel in die Ernährung zu integrieren, könnte also nicht nur dabei helfen, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den Bedarf landwirtschaftlicher Flächen zu reduzieren, sondern hätte auch das Potenzial, die psychische Gesundheit direkt zu verbessern.

Ein weiteres Beispiel für einen solchen Bereich ist die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen. Das Auto als bevorzugtes Fortbewegungsmittel trägt nicht nur zu Treibhausgasemissionen, Luftverschmutzung und Flächenverbrauch bei, es befördert auch Bewegungsmangel. Dieser ist nicht nur ein Risikofaktor für körperliche Erkrankungen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass Depressionen 40% der Erkrankungsfälle ausmachen, die auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind. Körperliche Aktivität senkt im Gegensatz dazu nachweislich das Risiko für die Entstehung von Depressionen. Die gute Nachricht ist, dass sich der deutlichste Effekt von Bewegung auf die Inzidenz von Depressionen besonders dann zeigt, wenn körperlich inaktive Menschen damit beginnen, sich mehr zu bewegen.

Auch Biodiversität und Kontakt mit der Natur sind förderlich für die psychische Gesundheit. Grünflächen in Städten, intakte Naturräume und Biodiversität sind Resilienzfaktoren für die psychische Gesundheit. So kann Naturerleben beispielsweise Symptome von Stress, Angst und Depression verbessern. Diese Erkenntnisse liefern die Grundlage für naturbasierte Interventionen zur Behandlung psychischer Erkrankungen, aber auch einen zusätzlichen Grund für die Erhaltung von Biodiversität und Naturräumen.

Die Rolle von Gesundheitsfachkräften

Ärztinnen und Ärzte, gerade auch aus dem psychiatrischen Bereich, sollten diese Erkenntnisse offensiv kommunizieren, um das Wohl ihrer Patientinnen und Patienten zu erhalten. Dafür sind sie besonders qualifiziert, nicht nur weil Gesprächsführung eine zentrale ärztliche Kompetenz darstellt, sondern auch, weil Gesundheitsfachkräften in Umfragen im Vergleich mit anderen Berufsgruppen immer wieder eine besonders hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen wird. Hierfür ist es nützlich, wenn Ärztinnen und Ärzte selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Auch in der klinischen Praxis können Anpassungen dazu beitragen, Umweltkrisen nicht selbst noch weiter zu befeuern. Der nationale Gesundheitsdienst Grossbritanniens NHS hat beispielsweise festgestellt, dass 20% seiner CO2-Emissionen auf die Verordnung von Medikamenten zurückzuführen sind. Daneben führen Medikamente und ihre Produktion häufig zu Umweltverschmutzung, die negative Effekte auf die Biodiversität oder sogar Verunreinigungen von Trinkwasser zur Folge haben kann. Demnach kommt einer umweltsensiblen Verordnung von Medikamenten eine grosse Bedeutung zu. Im psychiatrischen Bereich kommt hier beispielsweise die leitliniengerechte Anwendung von nichtmedikamentösen Massnahmen oder medikamentösen Monotherapien in Betracht. Auch dem Absetzen von Psychopharmaka wird häufig noch zu wenig Beachtung geschenkt.

Umweltkrisen als Chance

Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet die Klimakrise als grösste Bedrohung für die Gesundheit in diesem Jahrhundert. Auch für die psychische Gesundheit gilt, dass ein ungebremstes Voranschreiten der Umweltkrisen grosse Risiken birgt, die ohnehin angespannte Lage bei der Versorgung psychischer Erkrankungen weiter zu verschärfen. Es bietet sich aber auch eine einmalige Chance: Wenn jetzt die richtigen Weichenstellungen getroffen werden, besteht die Möglichkeit, nicht nur die Umweltkrisen zu bewältigen, sondern auch die psychische Krankheitslast zu senken und die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden aller zu fördern.

Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag des Autors am European Congress of Psychiatry 2024 in Budapest.

beim Verfasser

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