Methodik fragwürdig und mangelhaft
Autor:
Prof. Dr. med. Christof Specker
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie
Evangelische Kliniken Essen-Mitte
E-Mail: c.specker@kem-med.com
aufgezeichnet von Dr. Felicitas Witte
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Chinesische Forscher haben Stammzellen aus dem Fettgewebe gegen Sjögren-Syndrom getestet.1 Die Therapie linderte Trockenheitssymptome in Auge und Mund besser als Placebo. Warum man die Studie nicht nur wegen des Studienaufbaus kritisch sehen muss, erklärt Prof. Dr. Christof Specker, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.
Es wundert mich, dass dieser Artikel in einem – wenn auch nur untergeordneten – Journal der Nature-Gruppe veröffentlicht wurde. Zum einen finde ich die Methodik ziemlich präliminär und fast fragwürdig. 74 nicht gut klinisch beschriebene Patient:innen mit Sjögren-Syndrom bekamen einmalig Stammzellen aus dem Fettgewebe von irgendeinem gesunden Spender in die Ohrspeicheldrüsen injiziert. Nur 64 Patient:innen beendeten die Studie. Es fällt auf, dass zwei von vier Studienabbrechern der Verumgruppe, also von denen, die Stammzellen bekommen haben, dies wegen SideEffects getan haben. In der Placebogruppe brach kein Patient die Studie wegen SideEffects ab. Im Ergebnisteil wurde dann aber nichts über die Safety berichtet, worunter ja auch SideEffects fallen. Es gibt zwar im Methodikteil einen längeren Abschnitt zu allen möglichen Safety-Untersuchungen im Rahmen der Studie, aber Ergebnisse hierzu fehlen gänzlich. Selbst so ein Satz wie „Es wurden keine SideEffects beobachtet“ (was ja angesichts der 2/4 Drop-outs auch nicht stimmen würde) fehlt.
Hinzu kommt, dass die Arbeit in einem zum Teil sehr schlechten Englisch abgefasst wurde. So bedeutet zum Beispiel „bilateral glands“ beidseitige Drüsen und nicht, dass in beide („both sides“) injiziert wurde, was aber wohl der Fall war.
Bei den berichteten Ergebnissen zu den Immunparametern – deren Bestimmungen im Methodikteil übrigens nicht aufgeführt sind (ein weiterer Mangel) – wird nicht diskutiert, über welchen Mechanismus sich diese ändern können sollen, wenn man Stammzellen in die Ohrspeicheldrüsen spritzt. Hier fällt auch auf, dass sich die beiden Effekte für IgG und C3/C4 konträr zeigen: Normalerweise spiegelt sich eine Besserung der Erkrankung in einem Abfall des IgG und einem Anstieg der Komplementfaktoren C3 und C4 wider. Hier sinken aber C3/C4 und die IgG-Spiegel, was die Autoren als Effekt der Intervention interpretieren.
Bei den grafisch dargestellten Ergebnissen fällt auf, dass der Speichelfluss – wo man am ehesten einen Effekt der Injektion von Stammzellen in die Speicheldrüsen erwarten würde – nur zu einem Zeitpunkt, nämlich nach drei Monaten, verbessert war. Der Tränenfluss wurde zu mehr Zeitpunkten als gebessert eingestuft, aber in die Tränendrüsen wurden keine Stammzellen injiziert. Es wird hier auch nicht die Möglichkeit diskutiert, dass dies durch ein eventuelles „Auswandern“ von Stammzellen aus den Ohrspeicheldrüsen in die Tränendrüsen zu erklären sein könnte.
Zur Einordnung des neuen Therapieansatzes ist auch noch wichtig zu wissen: Das Sjögren-Syndrom ist eine meist eher harmlose Kollagenose, verglichen mit dem verwandten systemischen Lupus erythematodes. Ein Sjögren-Syndrom kann zwar in einen systemischen Lupus erythematodes übergehen, und es kann sich manchmal bei einem Sjögren-Syndrom nach vielen Jahren ein malignes Lymphom (B-NHL) oder eine Kryoglobulinämie entwickeln. Solange das alles nicht der Fall ist, kann und muss man bei dieser Erkrankung, die sich vor allem in einer vermehrten Mund- und Augentrockenheit ab etwa der vierten bis fünften Lebensdekade äußert, nicht viel machen. Das sehen aber zugegebenermaßen manche Rheumatolog:innen auch anders.
Vielversprechende Therapieansätze beim Sjögren-Syndrom sind am ehesten solche, die gegen B-Zellen gerichtet sind. Diese sind aber aufwendig in Relation zum Ausmaß der Symptome Mund- und Augentrockenheit. Abgesehen davon müssen sich solche Therapien erst einmal beim Lupus beweisen. Für aggressivere Therapien – etwa die derzeit gegen einzelne schwere Kollagenosen eingesetzten CAR-T-Zellen – ist die Krankheitslast bzw. der „medical need“ beim Sjögren-Syndrom meines Erachtens nicht hoch genug. Das sehen natürlich viele Betroffene und vor allem Selbsthilfegruppen oft anders, aber diese haben ja auch nicht den Vergleich mit anderen Kollagenosepatient:innen.
Literatur:
1 Li F et al.: Effect of adipose tissue-derived stem cells therapy on clinical response in patients with primary Sjogren’s syndrome. Sci Rep 2023; 13: 13521
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