„Ein neuer Therapieansatz in Aussicht“
Unsere Gesprächspartnerin:
Prof. Dr. Diana Ernst
Oberärztin und Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Versorgung, Epidemiologie und Klinische Rheumatologie
Medizinische Hochschule Hannover
Das Interview führte:
Dr. Felicitas Witte
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In einer Phase-II-Studie aus China linderten Stammzellen aus dem Fettgewebe Trockenheitssymptome eines Sjögren-Syndroms besser als Placebo.1 Was das Interessante am neuen Ansatz ist, erklärt Prof. Dr. Diana Ernst aus Hannover.
Prof. Ernstleitet eine Sjögren-Syndrom-Sprechstunde und bearbeitet als Forschungsschwerpunkt v.a. klinische Fragestellungen zum Sjögren-Syndrom.
Was sind die Limitierungen der derzeitigen Therapien beim Sjögren-Syndrom?
D. Ernst: Aktuell stehen uns kaum Medikamente zur Verfügung, die die Sekretion der Speichel- und Tränendrüsen nachhaltig verbessern. Pilocarpin kann effektiv sein, sofern noch funktionsfähiges Drüsengewebe vorhanden ist. Es kommt jedoch oft zu nicht tolerablen Nebenwirkungen. Andere systemische Therapien sind erst gar nicht zugelassen.
Was halten Sie von dem Ansatz mit den Stammzellen aus dem Fettgewebe und wie beurteilen Sie die Studienqualität?
D. Ernst: Es ist auf jeden Fall eine interessante Arbeit, da sie einen neuen Therapieansatz in Aussicht stellt. Es gibt aktuell einige, vor allem asiatische Arbeitsgruppen, die sich u.a. mit Organoid-Engineering und Drüsengewebskultivierung beschäftigen. Hauptsächlich war dies zunächst für die Rekonstruktion von Drüsengewebe gedacht, etwa nach einer Bestrahlung. Aber es könnte auch ein hochinteressanter Ansatz für Patienten mit Sjögren-Syndrom sein.
Es ist eine der ersten größeren, placebokontrollierten Studien zu diesem Thema am Menschen. Größere Gruppen und eine längere Nachbeobachtungszeit wären wünschenswert. Ich hätte auch noch Fragen an die Autoren: Hat man auf Komedikation wie Pilocarpin verzichtet und hat man darauf geachtet, wann vor Messung des Tränenflusses zuletzt die Augen getropft worden sind? Denn das sind Faktoren, die die Tränensekretion beeinflussen. Die Gruppengröße der Studie ist zu klein, um wichtige Fragen zur Subgruppenanalyse zu beantworten. Ich würde gerne wissen, welche Patienten besonders von der Therapie profitiert haben, etwa eher die mit vorwiegend lymphozytisch infiltrativen histologischen Veränderungen oder eher die mit positiven SSA-Antikörpern.
Haben die Ergebnisse Sie überrascht?
D. Ernst:Ja und nein. Ja, weil ich es erstaunlich finde, dass wir funktionsfähige Zellen einfach aus dem Fettgewebe gewinnen können, und nein, weil wir wissen, dass mesenchymale Stammzellen (MSC) durchaus antiinflammatorische Effekte haben können. Warum sollten sie sich dann also nicht auch positiv auf lokale Entzündungsmechanismen auswirken?
Halten Sie die in der Studie beobachteten Effekte für klinisch relevant?
D. Ernst: Ich halte sie zumindest für so relevant, dass größere Studien folgen sollten, und ich hoffe, dass die Autoren ihre Probanden noch länger nachbeobachten. Es wäre interessant zu wissen, wie lange der Effekt auf die Tränendrüse anhält.
Wie ordnen Sie den Ansatz im Vergleich zu anderen neuen Ansätzen ein?
D. Ernst: Immunmodulatorische Effekte von MSC wurden in vitro und in Tierversuchen in den letzten zwei Jahren viel untersucht. Man weiß, dass im Mausmodell durch Injizieren von MSC eine vermehrte Differenzierung von regulatorischen T-Zellen induziert wird und auch die Produktion von IL-10 zunimmt.2,3 Beide Effekte wirken sich hemmend auf die Autoimmunität aus. Es ist also ein anderer Ansatz als gezielte Antikörpertherapien oder eine Hemmung der Signaltransduktion. Andere vielversprechende Wirkstoffe zielen auf die B-Zellen, deren pathophysiologischer Einfluss auf entzündliche Prozesse beim Sjögren-Syndrom bekannt ist. Aktuell erwarten wir Ergebnisse einer Phase-III-Studie mit Ianalumab beim Sjögren-Syndrom. Der Wirkstoff hemmt die B-Zellen indirekt über eine Blockade des BAFF-Rezeptors und depletiert die B-Zellen zusätzlich direkt.4
Wie sehen Sie die Therapie der Zukunft?
D. Ernst: Es wird am Ende nicht die eine Therapie geben, sondern man wird sich am Phänotyp des Sjögren-Syndroms individuell orientieren müssen. Bei schweren, lebensbedrohlichen Verläufen kann ich mir durchaus auch sehr innovative Therapieansätze, wie z.B. eine CAR-T-Zell-Therapie, vorstellen. Dies wird jedoch sicherlich die Ausnahme bleiben, da beim Sjögren-Syndrom eher selten so schwere therapierefraktäre Verläufe vorkommen. Aktuell laufen sehr viele Therapiestudien und ich hoffe, dass wir schon bald ein erstes zugelassenes systemisch wirkendes immunsuppressives Medikament zur Verfügung haben.
Literatur:
1Li F et al.: Sci Rep 2023; 13(1): 13521 2 Liu Y et al.: Mod Rheumatol 2021; 31: 186-96 3 Li B et al.: Stem Cell Res Ther 2021; 12: 478 4 Bowman SJ et al.: Lancet 2022; 399: 161-71
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