
Aktuelle Entwicklungen und Erkenntnisse beim Urothelkarzinom
Autor:innen:
Dr. Katharina Oberneder
Dr. Kilian Gust
Medizinische Universität Wien
Abteilung für Urologie, Comprehensive Cancer Center
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Auf dem diesjährigen Genitourinary Cancers Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO-GU-Kongress) wurden bedeutende Fortschritte in der Diagnose und Behandlung des Urothelkarzinoms (UC) präsentiert. Von Langzeitdaten über neue Therapieansätze beim nichtmuskelinvasiven (NMIBC) und muskelinvasiven Blasenkrebs (MIBC) bis hin zu innovativen Strategien für das metastasierte UC wurden vielfältige Studien vorgestellt, die das Behandlungsspektrum erweitern könnten.
Keypoints
-
Biomarker-basierte Therapien gewinnen an Bedeutung – die frühzeitige Bestimmung z.B. von Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor (FGFR) 3 kann gezielte Behandlungsoptionen ermöglichen.
-
Intravesikale Therapien wie Nadofaragene Firadenovec und Kominationstherapien mit N-803 (Anktiva) zeigen vielversprechende Ansprechraten beim NMIBC.
-
Perioperative Kombinationstherapien mit Checkpoint-Inhibitoren und ADC verbessern die Prognose beim MIBC.
-
Enfortumab Vedotin + Pembrolizumab bestätigt seine Effektivität in der Erstlinientherapie des mUC.
-
Biomarker wie NECTIN-4 und HER2 ermöglichen vielversprechende Ansätze zur personalisierten Therapieplanung beim UC.
Neue Erkenntnisse zum NMIBC
Während internationale Guidelines beim nichtmuskelinvasiven Blasenkrebs (NMIBC) mit höchstem Risiko und bei Versagen der intravesikalen Standardtherapie beim High-Risk-NMIBC weiterhin die radikale Zystektomie empfehlen, suchen viele Patient:innen nach blasenerhaltenden Alternativen.
In einer europäischen Studie zum Bacillus-Calmette-Guérin-unempfänglichen NMIBC (BCG-unempfänglichen NMIBC) bevorzugten nur 11% der Patient:innen die Zystektomie, während 89% der Betroffenen alternative Therapien wählten.1 Neue intravesikale Therapieoptionen wie die Gentherapie Nadofaragene Firadenovec oder der Interleukin(IL)-15-Rezeptor-Agonist N-803 (Anktiva) + BCG zeigen vielversprechende Ergebnisse.2,3
Eine Multicenter Studie analysierte die realen Behandlungsergebnisse von Nadofaragene Firadenovec bei Patient:innen mit BCG-unempfindlichem NMIBC im Real-World-Setting. Die Studie zeigte eine hohe Komplettremissionsrate von 79% nach drei Monaten bei Patient:innen mit klinisch isoliertem Syndrom (CIS) sowie eine hohe Rezidivfreiheit (68%) bei Patient:innen mit papillärem Tumor.4Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 8,2 Monaten betrug die Zystektomie-freie Überlebensrate 95%. Insgesamt zeigte sich ein günstiges Sicherheitsprofil, wobei die häufigsten Nebenwirkungen Blasenkrämpfe (61%) waren.
Es wurden auch Kombinationstherapien für Patient:innen mit NMIBC mittleren Risikos untersucht. Die Ergebnisse aus der Phase-II/III-Studie QUILT-3.032 zeigten eine Rate an kompletten Remissionen von 71% bei Patient:innen mit BCG-unempfindlichem NMIBC und eine Wahrscheinlichkeit für krankheitsfreies Überleben von 55,4% nach 12Monaten bei hochgradigem BCG-unempfindlichen Ta/T1-NMIBC.3 Angesichts der BCG-Knappheit könnte Gemcitabin in Kombination mit N-803 eine praktikable Behandlungsalternative darstellen. Die ResQ132A-Studie wurde als Studie in Progress vorgestellt und vergleicht Gemcitabin + N-803 mit BCG + N-803.
Ein neuer Therapieansatz für „humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2“-(HER2)-positiven NMIBC mit hohem Risiko wurde in einer Phase-II-Studie mit Disitamab Vedotin + BCG untersucht. Die Remissionsrate betrug bei dieser Studie nach 10 Monaten 82,5%, mit einer Rate an krankheitsfreiem Überleben von 60% nach 12 Monaten. Jedoch ziegte sich hier bei 10% der Patient:innen eine Progression zum MIBC.5
Neue Erkenntnisse zum MIBC
Der aktuelle Standard beim MIBC umfasst eine neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von einer radikalen Zystektomie, ergänzt durch eine etwaige adjuvante Immuntherapie. Auf dem ASCO GU 2025 wurden neue Strategien präsentiert, um diese Standardtherapie weiter zu optimieren.
Die aktualisierten Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten der NIAGARA-Studie sowie eine explorative Analyse zur Bedeutung einer pathologischen Komplettremission (pCR) für die Langzeitergebnisse wurden vorgestellt. Die NIAGARA-Studie untersuchte die Kombination aus Durvalumab + cisplatinbasierter neoadjuvanter Chemotherapie im perioperativen Setting. Nach 24,7 Monaten Nachbeobachtung reduzierte diese Kombination das Risiko für Fernmetastasen oder Tod um 33% (Hazard-Ratio [HR]: 0,67; 95%-Konfidenzintervall [CI]: 0,54–0,83) im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie. Patient:innen mit einer pCR (ypT0 ypN0) hatten ein um 60% geringeres Risiko für Progression oder Rezidiv.6
Die RC48-C017-Studie untersuchte Disitamab Vedotin + Toripalimab als neoadjuvante Option bei HER2-positivem MIBC. Nach 15,4 Monaten Nachbeobachtung erreichten 67% eine pathologische Komplettremission, 81% ein Downstaging. Die 2-Jahres-Gesamtüberlebensrate lag bei 85%, die Rate für progressionsfreies Überleben bei 78%. Die Therapie war gut verträglich und stellt potenziell in Zukunft eine wirksame Alternative für HER2-positive Patient:innen dar.7
Die CheckMate 274-Studie zeigte, dass die adjuvante Gabe von Nivolumab bei Patient:innen mit hohem Risisko für Blasenkarzinom nach radikaler Zystektomie das krankheitsfreie Überleben (DFS) signifikant verlängert (HR 0,71; 95% CI, 0,58–0,87; p<0,001). Besonders ausgeprägt war der Vorteil bei „programmed death-ligand1“(PD-L1)-positiven Patient:innen (HR 0,55). Die 3-Jahres-Gesamtüberlebensrate lag bei 64% (vs. 54% mit Placebo). Diese Ergebnisse bestätigen den langfristigen klinischen Nutzen von Nivolumab als adjuvante Therapie.8
Die neuen Therapien bieten vielversprechende Perspektiven für einen blasenerhaltenden Ansatz bei MIBC-Patient:innen. Die RETAIN-2-Studie ist eine Phase-II-Studie zur risikoadaptierten Therapie nach neoadjuvanter Chemo-Immuntherapie. Ziel war es, Patient:innen zu identifizieren, bei denen ein Organerhalt sicher möglich ist.
72Patient:innen erhielten eine Kombination aus Gemcitabin, Cisplatin und Atezolizumab. Die Entscheidung für eine Zystektomie oder eine blasenerhaltende Therapie basierte auf einer Tumorbiopsie nach Induktionstherapie. Nach 24 Monaten Nachbeobachtung zeigten 59% eine komplette Remission, 89% der organerhaltend behandelten Patient:innen waren nach 12Monaten progressionsfrei. Die Rate des krankheitsfreien Überlebens nach 24 Monaten betrug 78%, die Gesamtüberlebensrate 85%. 11% entwickelten eine Krankheitsprogression meist innerhalb von 18 Monaten.9 Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine risikoadaptierte Therapie eine effektive Alternative zur sofortigen Zystektomie sein könnte.
Neue Erkenntnisse zum metastasierten Urothelkarzinom
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) sind verstärkt in den Fokus der Therapie des mUC gerückt. Eine zentrale Rolle spielte die Phase-III-Studie EV-302, welche die Kombination aus Enfortumab Vedotin und Pembrolizumab (EV+P) mit einer Standard-Chemotherapie verglich.10 Die aktualisierte Analyse zeigt, dass die Kombinationstherapie eine vielversprechende Alternative für Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom darstellt.
Das Gesamtüberleben verlängerte sich signifikant unter EV+P (HR: 0,47; 95% CI: 0,38–0,58; p<0,001). Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug 31,5 Monate (vs. 16,1 Monate unter Chemotherapie).11
Aktuelle Fortschritte zur HER2-ADC-Therapie, einer vielversprechenden neuen Behandlungsoption für Patient:innen mit HER2-positivem metastasiertem Urothelkarzinom (mUC), wurden ebenfalls präsentiert.
Erste Ergebnisse aus klinischen Studien mit Disitamab Vedotin zeigten eine objektive Ansprechrate (ORR) von 50,5% (95% CI: 40,6–60,3) und ein medianes progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben von 5,9 Monaten (95% CI: 4,3–7,2) bzw. 14,2 Monaten (95% CI: 9,7–18,8) bei Patient:innen mit HER2-überexprimierendem Blasenkrebs.12
Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) zeigte ein medianes progressionsfreies Überleben von 7,0 Monaten (95% CI 4,2–9,7) und ein medianes Gesamtüberleben von 12,8 Monaten (95% CI 11,2–15,1).13 Basierend auf den Ergebnissen wurde T-DXd 2024 für die Behandlung von Patient:innen mit inoperablen oder metastasierten HER2-positiven Tumoren freigegeben. Beide ADC erwiesen sich als gut verträglich, wobei die häufigsten Nebenwirkungen Hautreaktionen (30–40%), periphere Neuropathie (25%) und Fatigue (20%) waren. HER2-gerichtete ADC stellen eine vielversprechende therapeutische Option für Blasenkrebs dar, insbesondere in der Zweit- und Drittlinientherapie.
Auch die Bedeutung von molekularen Subtypen basierend auf NECTIN4- und HER2-Expression sowie deren Einfluss auf klinische Ergebnisse bei Patient:innen mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom (aUC) und MIBC wurden untersucht. Die vorgestellten Daten basieren auf Ergebnissen der JAVELIN-Bladder-100-Studie sowie der TEMPUS-Datenbank, um potenzielle Biomarker für zielgerichtete Therapien zu identifizieren. Die Untersuchung zeigte, dass eine hohe NECTIN4-Expression bei 68% der Patient:innen mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom nachgewiesen wurde und mit einer höheren Ansprechrate auf EV assoziiert war. HER2-Überexpression wurde bei 29% der Patient:innen beobachtet und könnte ein potenzieller Prädiktor für die Wirksamkeit von HER2-gerichteten Therapien wie Disitamab Vedotin oder T-DXd sein.14 Die Ergebnisse unterstreichen die Relevanz von NECTIN4 und HER2 als potenzielle prädiktive Marker, um Patient:innen gezielt für ADC- oder zielgerichtete Therapien zu selektieren.
Literatur:
1 Collacott H et al.: Patient preferences for treatment of Bacillus Calmette-Guerin-unresponsive non-muscle-invasive bladder cancer: A cross-country choice experiment. Eur Urol Open Sci 2023; 49: 92-9 2 Boorjian SA et al.: Intravesical nadofaragene firadenovec gene therapy for BCG-unresponsive non-muscle-invasive bladder cancer: a single-arm, open-label, repeat-dose clinical trial. Lancet Oncol 2021; 22(1): 107-17 3 Chamie K et al.: IL-15 superagonist NAI in BCG-unresponsive non-muscle-invasive bladder cancer. NEJM Evid 2022; 2(1): EVIDoa2200167 4 Moyer J et al.: Real-world outcomes of nadofaragene firadenovec in BCG-unresponsive non-muscle invasive bladder cancer. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2025 5 Shen Y et al.: Preliminary efficacy and safety of disitamab vedotin (DV) combined with Bacillus Calmette-Guérin (BCG) in the treatment of high-risk non-muscle invasive bladder cancer with HER2 expression: A prospective, open label, single-center study. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2025 6 Galsky M et al.: Additional efficacy and safety outcomes and an exploratory analysis of the impact of pathological complete response (pCR) on long-term outcomes from NIAGARA. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2025 7 Sheng X et al.: Neoadjuvant treatment with Disitamab Vedotin plus perioperative Toripalimab in patients with muscle-invasive bladder cancer (MIBC) with HER2 expression: updated efficacy and safety results from the phase II RC48-C017 trial. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2025 8 Milowsky MI et al.: Adjuvant Nivolumab (NIVO) vs placebo (PBO) for high-risk muscle-invasive uro- thelial carcinoma (MIUC): Additional efficacy outcomes including overall survival (OS) in patients (pts) with muscle-invasive bladder cancer (MIBC) from CheckMate 274. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2025 9 Ghatalia P et al.: A phase 2 trial of risk enabled therapy after neoadjuvant chemo-immunotherapy for muscle-invasive bladder cancer (RETAIN-2). ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2025 10 Powles T et al.: Enfortumab Vedotin and Pembrolizumab in untreated advanced urothelial cancer. N Engl J Med 2024; 390(10): 875-88 11 Powles T et al.: EV-302: Updated analysis from the phase 3 global study of Enfortumab Vedotin in combination with Pembrolizumab (EV+P) vs. chemotherapy (chemo) in previously untreated locally advanced or metastatic urothelial carcinoma (la/mUC). ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2025 12 Sheng X et al.: Efficacy and safety of Disitamab Vedotin in patients with human epidermal growth factor receptor 2-positive locally advanced or metastatic urothelial carcinoma: a combined analysis of two phase II clinical trials. J Clin Oncol 2024; 42(12): 1391-402 13 Meric-Bernstam F et al.: Efficacy and safety of Trastuzumab Deruxtecan in patients with HER2-expressing solid tumors: primary results from the DESTINY-PanTumor02 Phase II Trial. J Clin Oncol 2024; 42(1): 47-58 14 Eckstein M et al.: Molecular subtypes, NECTIN4/HER2 expression, and clinical outcomes in patients (pts) with advanced urothelial carcinoma (aUC) or muscle invasive bladder cancer (MIBC): exploratory analyses from JAVELIN Bladder 100 and the Tempus database. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2025
Das könnte Sie auch interessieren:
PCa-Früherkennung in Deutschland: individualisiert, risikoadaptiert, erfolgreich
Die Früherkennung des Prostatakarzinoms sollte personalisiert und risikoadaptiert gestaltet werden. Durch ein risikoadaptiertes Vorgehen, das PSA-Tests, ergänzende MRT-Bildgebung und ...
Aktuelles aus der 7. Version der S3-Leitlinie: wesentliche Leitlinienänderungen
Im Mai 2024 wurde die Prostatakarzinom-S3-Leitlinie unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie in ihrer 7. ...
Neues vom ASCO GU zum Prostatakarzinom
Im Rahmen des ASCO GU 2025 in San Francisco wurden eine Vielfalt von neuen praxisrelevanten Studien zum Prostatakarzinom präsentiert. Mit Spannung wurde unter andem auch auf die finalen ...