Biologika oder Chirurgie?
Autor:
Reno Barth
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Die Hidradenitis suppurativa, früher als Acne inversa bezeichnet, ist eine schmerzhafte Entzündung der Talgdrüsen und äußeren Wurzelscheiden der Terminalhaarfollikel mit rezidivierendem, schubförmigem und oft chronisch progredientem Verlauf. In der Therapie stehen medikamentöse und chirurgische Optionen zur Verfügung, deren Vor- und Nachteile Thema einer Kontroverse-Session waren.
Obwohl man die Pathogenese der Hidradenitis suppurativa (HS) noch nicht im Detail versteht, sei die Wurzel aller Probleme, die diese Erkrankung verursacht, die Entzündung, erklärte Prof. Dr. Robert Gniadecki, University of Alberta, Kanada, und dieser Entzündung könne chirurgisch nicht begegnet werden. Dementsprechend intensiv werden Modulatoren dieser Entzündung, unter anderem gegen unterschiedliche Zytokine gerichtete Biologika, erforscht. Die wichtigsten Angriffspunkte sind laut Gniadecki die Zytokine IL-17, IL-36, IL-23 und IL-1A. Darüber hinaus laufen jedoch auch Studien mit antimikrobiellen Peptiden, PDE-4-Inhibitoren, JAK-Inhibitoren etc. Aktuell gibt es 36 Studien zu medikamentösen Therapien der HS, betonte Gniadecki, der auch darauf hinwies, dass die HS keine reine Hautkrankheit, sondern eine systemische Erkrankung mit zahlreichen Komorbiditäten ist. So tritt die HS häufig assoziiert mit einem metabolischen Syndrom auf, das kardiovaskuläre Risiko ist erhöht. Häufig bessert sich die HS bei Gewichtsverlust deutlich, so Gniadecki. Nicht selten wird auch eine Assoziation mit Autoimmunerkrankungen wie Spondyloarthritis oder rheumatoider Arthritis beobachtet. Lebensstil und medikamentöse Therapien seien daher der bevorzugte Weg im Management der Erkrankung. Gniadecki: „Wir haben es nicht mit gesunden Personen mit isolierten Entzündungen zu tun.“
Hohe Rezidivraten nach chirurgischen Eingriffen
Dementsprechend hoch sind auch die Rezidivraten nach chirurgischen Interventionen. Ein rezenter Review fand zudem beträchtliche Komplikationsraten bei den verschiedenen Eingriffen, wobei die Technik des „Deroofing“ mit dem höchsten Risiko für eine wiederkehrende Erkrankung verbunden war. Ein weiterer ungünstiger Prognosefaktor waren multiple Läsionen.1 Nach Inzision und Drainage kommt es praktisch immer zum Rezidiv. Gniadecki: „Das ist genau das, wovor die Patienten Angst haben.“ Die Heilungszeit kann, in Abhängigkeit von der Methode, bis zu drei Monate betragen. Das chirurgische Management der HS verlange also zumindest sorgfältige Patientenselektion.
Dementsprechend ungünstig ist der Effekt einer rezidivierenden Erkrankung auf die Lebensqualität. Neben den Schmerzen konnten die Unsicherheit und die Angst vor Rezidiven als besonders belastende Faktoren identifiziert werden.2 Gniadecki wies besonders auf die Bedeutung des Lebensstils bei der Hidradenitis suppurativa hin. Klinische Erfahrung zeigt günstige Effekte einer mediterranen Ernährung mit Verzicht auf Milchprodukte und hochgradig verarbeitete Lebensmittel. Geflügel, Obst und Gemüse haben sich hingegen als hilfreich erwiesen.3 In der medikamentösen Therapie zeigt von allen untersuchten Optionen bislang Adalimumab den deutlichsten Effekt.4
Mechanische Ursachen der Inflammation beheben
Univ.-Prof. Dr. Clemens Rappersberger, Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien, forderte hingegen, die Kausalkette, die zur Hidradenitis suppurativa führt, über die Inflammation hinaus zu verfolgen. Der Entzündung gehen nämlich Hyperkeratose, Ruptur der Haarfollikel und Fistelbildung voraus. Diese Fisteln stellen eine permanente proinflammatorische Irritation dar und bedingen die für die HS typische Entzündung. Da der Entzündung also ein mechanisches Problem zugrunde liege, könne ihre Behandlung mit antiinflammatorischen Medikamenten keine permanente Lösung sein. Die Ursache der Inflammation müsse chirurgisch behoben werden. Voraussetzung für den Erfolg sei jedoch eine weite Exzision, deren Ränder drei Zentimeter in das scheinbar gesunde Gewebe reichen. Rappersberger berichtete von guten Erfahrungen mit dieser Technik mit einer Heilungsrate von 80 % und relativ seltenen Rezidiven (18,9 %). Mehr als 70 % der Patienten waren mit dem kosmetischen Ergebnis sehr zufrieden.5 Die Komplikationsrate lag zwar bei fast 50 %, dabei habe sich allerdings nur um gut beherrschbare postoperative Probleme und „nichts Ernstes“ gehandelt, so Rappersberger. Ein großer Vorteil der Exzision liege auch darin, dass die Entfernung der Läsion Plattenepithelkarzinome verhindere. Bei lokalisierter moderater bis schwerer HS sei die Chirurgie daher in Erwägung zu ziehen, da sie in bestimmten Fällen zu einer echten Heilung führen könne. Voraussetzung sei allerdings, dass der Eingriff an einem Zentrum mit entsprechender Erfahrung durchgeführt werde.
Quelle:
Session „Controversies VII“, EADV 2023, am 13. Oktober in Berlin
Literatur:
Tang B et al.: Int Wound J 2023; 20(4): 1253-61
Chadha SA et al.: Arch Dermatol Res 2023; 315(9): 2555-60
Weber I et al.: Am J Clin Dermatol 2023; 24(3): 343-57
Tsa YC et al.: Pharmaceutics 2023; 15(5): 1351
Posch C et al.: J Am Acad Dermatol 2017; 77(1): 123-9.e5
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