Aufholbedarf in mehreren Bereichen
Bericht:
Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
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Im Zuge der Session über Frauengesundheit in Österreichbei der diesjährigen Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) trafen Vertreter:innen der Bundes- und Landespolitik sowie Gynäkolog:innen aufeinander, um im Anschluss an diverse Impulsvorträge zu dieser Thematik über bestehende Bedürfnisse, Mängel, Tabuisierungen und Verbesserungsbedarf in diesem Bereich zu diskutieren.
Dabei haben sich mehrere zentrale Themen herauskristallisiert, in denen definitiv Verbesserungsbedarf herrscht. Eines davon war das Thema „Wahlärzt:innen“, das zwar nicht ausschließlich, aber auch Gynäkolog:innen betrifft.
Beachtliche Zunahme der Wahlärzt:innenpraxen
Auch im Bereich der Gynäkologie stehen die Ärzt:innen im Spannungsfeld zwischen der Sicherstellung hoher Qualität und Mangel anZeit. „Im Zuge von Urlaubsvertretungen habe ich erlebt, dass es unmöglich ist, alle sieben Minuten eine Patientin zu untersuchen“, konstatierte Dr. Alexandra Ciresa-König, Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, MedUni Innsbruck, die über die Perspektive der Niedergelassenen referierte und kurzfristig für Dr. Hugo Lunzer, niedergelassener Gynäkologe, Kufstein, und Obmann der Fachgruppe Gynäkologie, Tirol, eingesprungen war. Dazu kommt, dass der Termin beim Gynäkologen/bei der Gynäkologin sich nicht nur auf Basisuntersuchungen wie den PAP-Abstrich beschränken, sondern je nach Lebensphase der Frau auch informative Gespräche zu bestimmten Themen umfassen sollte – sei dies bei jungen Frauen über adäquate Verhütung oder sei es, um Frauen im perimenopausalen Alter evidenzbasierten Support zu bieten.
Eine Bedarfsanalyse in Tirol hat ergeben, dass der bestehende Fachärzt:innenmangel auch darauf zurückzuführen ist, dass ein fast 50%iger Shift hin zu Wahlärzt:innen zu orten ist, der im Bereich der Gynäkologie und Dermatologie am stärksten ausgeprägt ist. „Demzufolge haben laut einer Schätzung 20% bis 1/3 der Frauen keinen niederschwelligen Zugang mehr zu Gynäkolog:innen im niedergelassenen Bereich“, berichtete Dr. Theresa Geley, Landesdirektorin Gesundheit, Tirol. Eine der Ursachen für die generelle Zunahme an Wahlärzt:innen ist sicher auch darin zu finden, dass ein Kassenvertrag für viele unzureichend honoriert wird und entsprechend wenig Zeit pro Patient:in vorgesehen ist. Dazu meldete sich eine Zuhörerin aus dem Publikum mit der folgenden Aussage: „Wenn ich in der Fachgruppe frage, höre ich, dass die in diesem Vertrag zu erfüllenden Bedingungen suboptimal sind. Die Gynäkolog:innen benötigen 20–30 Minuten Zeit pro Patientin, um ihrem medizinischen Anspruch gerecht zu werden. Dem kann man mit einem Kassenvertrag de facto nicht gerecht werden, da sonst die Qualität leidet, und das schreckt Ärzt:innen einfach ab!“
Soll Verhütung gratis sein?
Dass Verhütung noch immer auf Kosten der Frauen geht, zeigt die 2019 publizierte Umfrage im Verhütungsreport, wonach fast 50% der Frauen angaben, selbst für die Kosten dafür aufkommen müssen.1 Entgegen anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Belgien, wo Verhütungsmittel vom Staat finanziert werden, ist dies in Österreich nicht der Fall, obwohl definitiv dafür Bedarf besteht. 36,6% der Frauen würden ihr Verhütungsverhalten ändern, wenn eine Finanzierung sichergestellt wäre. Alarmierend ist auch, dass – je nach Altersgruppe – bis zu 40% der Befragten angeben, gar nicht zu verhüten.2
In Vorarlberg wurde nun im Herbst 2024 das Pilotprojekt INVVO (Informiert Verhüten in Vorarlberg) gestartet, im Zuge dessen 3500 Frauen und Mädchen ab 14 Jahren kostenlos Verhütungsmittel beziehen können. Hauptziel dabei ist, die Auswirkungen der kostenfreien Verhütung auf die Gesundheitsversorgung zu evaluieren.3
Menstruation, Endometriose
Themen wie Menstruationsschmerzen und Endometriose sind zwar weit verbreitet, werden jedoch nach wie vor weitgehend tabuisiert. Dabei wirken sich Menstruationsschmerzen nachweislich negativ auf das Sexualleben, Freizeitaktivitäten und die Lebensqualität (QoL) im Allgemeinen aus. 55% der Frauen gaben in einer Umfrage an, regelmäßig Schmerzmittel einzunehmen, und 67% berichteten über mittelstarke bis starke Schmerzen während der Menstruation. Viele Frauen fühlen sich in ihren Schmerzen nicht ernst genommen und glauben, dass sie die Schmerzen aushalten müssen. Was Endometriose anbelangt, besteht ebenfalls ein enormer Aufklärungsbedarf, denn ein Drittel der Frauen gab an, noch nie von dieser Erkrankung gehört zu haben. Jene, die die Diagnose bzw. den Verdacht haben, an Endometriose zu leiden, gaben signifikant häufiger an, starke bis sehr starke Menstruationsblutungen zu haben (Abb.1). Problematisch ist auch die Tatsache, dass es durchschnittlich sieben Jahre dauert, bis die Betroffenen eine adäquate Diagnose erhalten. Um diese Themen aufzugreifen und zu enttabuisieren, wurde heuer der erste Menstruationsgesundheitsbericht veröffentlicht.4
Abb. 1: Umfrage zum Thema Endometriose und Menstruationsstärke (modifiziert nach Menstruationsgesundheitsbericht 2024)4
Menopause – ein bislang zur Gänze vernachlässigtes Thema
Die Menopause als für viele Frauen herausfordernde Lebensphase wurde bislang vernachlässigt und dementsprechend auch gewissermaßen tabuisiert. Dieses Thema wurde auch als „Lücke“ identifiziert. „Wir wissen, dass sich die Menopause erheblich negativ auf das Erwerbsleben und die QoL der Patientinnen auswirken kann – wir sehen einen Rückgang in der Erwerbstätigkeit aufgrund von gesundheitlichen Problemen, mit denen die Betroffenen konfrontiert sind. Es ist daher ganz wichtig, Lösungsansätze zu entwickeln, um diese Gruppe von Frauen stärker zu unterstützen, in der Erwerbstätigkeit zu halten und eine weitere Enttabuisierung zu erreichen“, erläuterte dazu Mag.a Judith Benedics, die gemeinsam mit Johanna Pilwarsch, BSc, MPH, beide GÖG (Gesundheit Österreich GmbH), Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, über die Thematik aus der Public-Health-Perspektive referierte und diskutierte. Das Thema wurde auch im Menstruationsgesundheitsbericht aufgegriffen: 21% der Befragten fühlen sich laut einer repräsentativen Umfrage über die Wechseljahre weniger gut oder gar nicht gut informiert. Um diese Lücke zu schließen, ist ein Aufholbedarf bei der Information gegeben.4 „Wir müssen die Menopause näher in den Fokus rücken und werden das Thema in den nächsten Jahren in Angriff nehmen. Ein erster Schritt des Aufgreifens der Thematik ist im Menstruationsgesundheitsbericht geschehen. Unsere Überlegungen gehen in Richtung evidenzbasierter Informationen für Frauen im perimenopausalen Alter. Als Ernährungswissenschafterin plane ich, mit dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Ernährungskommission ein Fact Sheet mit Empfehlungen zur Ernährung und zu Nahrungsergänzungsmitteln in den Wechseljahren auszuarbeiten, da wir über das Bürgerservice viele Anfragen dazu erhalten – dies einmal als ersten Schritt“, berichtete Benedics über die angepeilten Ziele in diesem Bereich.
Zentralisierung vs. wohnortnahe Versorgung
Etwas kontroversiell diskutiert wurde das Thema der Betreuung von Schwangeren bzw. die Verfügbarkeit von Geburtenstationen: Während sich Prim. Univ.-Prof. Dr. Thorsten Fischer, Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Uniklinikum Salzburg, und Univ.-Prof. Dr. Herbert Kiss, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, MedUni Wien, klar für eine Zentralisierung aussprachen, war dieMeinung in ländlicheren Regionen eine andere. Kiss argumentierte wie Fischer, dass im Sinne der Patientinnensicherheit nur Zentren mit einer hohen jährlichen Geburtenrate eine entsprechende Erfahrung aufweisen können. Die Mobilität sei in der Bevölkerung gegeben und auch ein gutes Netz an Krankentransporten sichergestellt. Bezüglich Spezialfällen fügte er hinzu: „Wir betreuen in Wien Risikoschwangerschaften und Kinder mit Herzkomplikationen aus der gesamten Ostregion“, um so die Relevanz der hohen Spezialisierung aufzuzeigen. Prim.a Priv.-Doz.in Dr.in Birgit Volgger, Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Bezirkskrankenhaus Lienz, relativierte diese Aussagen, indem sie darlegte: „Wir haben in Osttirol ein Einzugsgebiet von 80000 Personen, davon sind 42000 Frauen. Wenn wir von Frauengesundheit sprechen, müssen wir auch von Frauengesundheit in gebirgigen Regionen sprechen.“ Unterstützung in ihrer Argumentation bekam sie von einer Tiroler Kollegin, die berichtete, in einem „sehr peripheren“ Krankenhaus tätig zu sein, und argumentierte: „Ich könnte mir nicht vorstellen, dass wir bei uns keine Geburtshilfe haben. Man muss bei peripheren Häusern auch unterscheiden, wo diese lokalisiert sind, d.h., in welcher geografischen Lage sie sich befinden.“
Quelle:
„Frauengesundheit stärken: Diskussionsrunde mit Vertreter:innen aus der Bundes- und Landespolitik“ am 24. September im Rahmen der OEGGG(Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe)-Jahrestagung (23.–25. September 2024, Salzburg)
Literatur:
1 Fiala C, Parzer E: Österreichischer Verhütungsreport 2019. Gynmed Ambulatorium 2019; verfügbar unter https://www.verhuetungsreport.at/ (zuletzt aufgerufen am 4.11.2024) 2 Gaiswinkler S et al.: Verhütungsbericht 2024. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) 2024; verfügbar unter https://goeg.at/News_Verhuetungsbericht_2024 (zuletzt aufgerufen am 4.11.2024) 3 femail – Verein für Frauenberatung und zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit: INVVO – Informiert Verhüten in Vorarlberg. femail 2024; Informationen verfügbar unter https://www.femail.at/invvo/ 4 Gaiswinkler S et al.: Menstruationsgesundheitsbericht 2024. BMSGPK 2024; verfügbar unter https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=803&attachmentName=Menstruationsgesundheitsbericht_2024.pdf (zuletzt aufgerufen am 4.11.2024)
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