Diagnostik und Therapie des PCO-Syndroms
Autorin:
Dr.med. Naomi Ventura
Leitende Ärztin
Kinderwunschzentrum Fontana
Kantonsspital Graubünden, Chur
E-Mail: naomi.ventura@ksgr.ch
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Das PCO-Syndrom (PCOS) ist die häufigste endokrinologische Erkrankung der Frau und betrifft 15% der Frauen im reproduktiven Alter.1 Es tritt meistens zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auf und kann sich ganz unterschiedlich manifestieren. Mit der Menopause können die Beschwerden von allein nachlassen.
Keypoints
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PCOS ist die häufigste endokrinologische Erkrankung der Frau im fertilen Alter.
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PCOS kann sich primär durch den Androgenexzess oder die ovulatorische Dysfunktion oder beide bemerkbar machen.
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Sehr oft ist das Syndrom mit einer Insulinresistenz und deren Konsequenzen vergesellschaftet.
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Die Behandlung kann neben Änderungen des Lifestyles auf die Bedürfnisse der Patientin abgestimmt werden (Zyklusregulierung, Prävention langfristiger metabolischer Folgen, Kinderwunsch).
Hintergrund
Mehrere Organisationen haben schon Kriterien zusammengestellt, die das PCOS definieren, besonders gemäss den verschiedenen Ausprägungen und Typen. Die gebräuchlichsten sind jedoch immer noch die Rotterdam-Kriterien von 2003 (ESHRE/ASRM, Abb. 1).
Abb. 1: Definition der verschiedenen Ausprägungen und Typen des PCOS
PCOS ist eine komplexe Erkrankung und je nach Situation schwierig zu therapieren, da einerseits ihre Ausprägung so unterschiedlich sein kann und die Erkrankung andererseits durch zum Beispiel eine assoziierte Insulinresistenz (bei 95% der übergewichtigen und bei 75% der normalgewichtigen PCOS-Patientinnen) langfristige schwerwiegende metabolische Folgen haben kann.
Obwohl es einige Kontroversen und Diskussionen rund um diese Kriterien gibt undsie zum Beispiel durch die Androgen Excess & PCOS Society im Jahr 2006 oder die Endocrine Society 2016 durch zusätzliche endokrine Parameter ergänzt wurden, empfehlen die meisten reproduktionsmedizinischen Gesellschaften und Kliniker, weiterhin diese Kriterien zu verwenden.2
Natürlich müssen andere Ursachen wie zum Beispiel die Pathologie der Hypophyse, Nebennierenrinde oder andere Pathologien der Eierstöcke ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose eines PCO-Syndroms gestellt werden kann.
Derzeit ist immer noch unklar, was die genaue Ursache des PCO-Syndroms ist.3 Klar ist die gestörte Steuerung körpereigener Regulationsmechanismen – ob diese nun primär vom Eierstock, vom Glukosestoffwechsel oder von beidem ausgehen, ist unklar. Man sieht in verschiedenen Studien eine familiäre Häufung, was zumindest einen genetischen Faktor nicht ausschliesst. Des Weiteren spielen aber auch Umwelteinflüsse, Toxine, eine mögliche Darmdysbiose, Lifestyle und Ernährung eine bedeutende Rolle und beeinflussen die hormonelle Dysbalance, die Hyperandrogenämie und die Insulinresistenz, was schlussendlich zur unterschiedlichen Ausprägung des PCO-Syndroms führt.
Mögliche klinische Ausprägungen im Falle der vorherrschenden Hyperandrogenämie sind:
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Hirsutismus
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Akne
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Viszerale Adipositas oder auch Alopezie
Die metabolische Ausprägung erhöht langfristig das Risiko für metabolische Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus. Die reproduktive Ausprägung kann von Oligo- über Anovulation bis zur Subfertilität reichen.
Diagnostik
Die Anamnese gibt uns Aufschluss über die Menstruationshäufigkeit bzw. über eine möglicherweise vorliegende Oligo- bis Amenorrhö. Wichtig hierbei ist jedoch im Verlauf die laborchemische Differenzialdiagnose zur hypothalamischen Amenorrhö, da sich bei beiden Entitäten gewisse Laborparameter überlappen (Tab. 1).
Tab. 1: Laborchemische Differenzialdiagnose zur hypothalamischen Amenorrhö. Bei beiden Entitäten können sich Laborparameter überlappen
Die Anamnese wie auch die körperliche Untersuchung im Hinblick auf einen Hirsutismus gemäss Ferriman und Gallwey, eine allfällige androgene Alopezie oder auch die androide Fettverteilung im Rahmen der viszeralen Adipositas geben Aufschluss über die androgene Überfunktion. Auch hierbei helfen uns die Laborparameter weiter. Im Labor sehen wir nämlich häufig erhöhte Androgene, vor allem Androstendion, das ovarielle Androgen.
Die Diagnose einer PCO-Morphologie (PCOM) im Ovar beinhaltet im Ultraschall mehr als 20 randständig angeordnete Antralfollikel (2–9mm) mit einer zentralen Hyperfibrose und/oder einem Ovarvolumen von >10ml.3 Dies ist aber nicht aussagekräftig bei Kontrazeptivaeinnahme. Ebenso ist die Ultraschalluntersuchung bis zu 8 Jahren nach Menarche für die Diagnose eines PCOS nicht geeignet.4
Durch den HOMA-Index (>2,5) ist eine Aussage über eine begleitende Insulinresistenz möglich und eine entsprechende Therapie kann eingeleitet werden.
Basierend auf den Rotterdam-Kriterien ergeben sich durch die unterschiedliche Ausprägung vier Phänotypen des PCOS (Tab. 2).5
Tab. 2:Phänotypen des PCOS
Schwangerschaftsrisiken und Spätfolgen für die Kinder6
PCOS ist ein unabhängiger Risikofaktor für Schwangerschaftskomplikationen wie:
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Schwangerschaftshypertonie
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Schwangerschaftsdiabetes
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Präeklampsie
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Vorzeitigen Blasensprung
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Frühgeburt
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Plazentaablösung
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Sectio caesarea
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Wochenbetthypertonie
Frauen mit PCOS haben häufig schon in der Adoleszenz mit Übergewicht zu kämpfen, natürlich unterstützt durch einen ungesunden Lebensstil. Wenn sie später schwanger werden, haben sie ein erhöhtes Risiko, an einer Schwangerschaftshypertonie zu leiden. Dies fördert das Risiko für einen Insult in der fetomaternalen Einheit und führt zu intrauteriner Wachstumsretardierung (IUGR). Dabei wird beim Fötus die metabolische Funktion falsch programmiert, was zu einem «small for gestational age» (SGA) Kind führt. Dieses Kind hat nun wiederum das erhöhte Risiko, schon im Jugendalter an Übergewicht und einer metabolischen Dysfunktion zu leiden. Somit beginnt die Spirale wieder von vorn. Knaben von Frauen mit PCOS haben häufig im Teenageralter einen höheren Cholesterin- und LDL-Wert und Mädchen höhere Triglyzeride als Kinder von Frauen ohne PCOS.
Behandlungsoptionen
Zunächst geht es darum, zu eruieren, was das primäre Ziel der Behandlung sein soll. Geht es um die Zyklusstörung, die Androgenisierung, den unerfüllten Kinderwunsch oder die Prävention langfristiger Folgen? Ist die Problematik in erster Linie die Zyklusregulierung, sind sicherlich zyklische Gestagene, gegebenenfalls ergänzt durch transdermale Östrogene, optimal. Dadurch bewirkt man langfristig eine Reduktion der Endometriumhyperplasie und wirkt dem erhöhten Risiko für ein Endometriumkarzinom durch die chronische nichtantagonisierte E2-Exposition und fehlende Transformation entgegen.7
Beinhaltet das Therapieziel neben der Zyklusregulierung auch die metabolische Komponente, sind die Behandlung mit gewichtsadaptierter Metformin-Gabe (Biguanid) im Off-Label Use und eine Änderung des Lifestyles sehr zielführend.8,9
Bereits ein Gewichtverlust von 10% bringt eine Verbesserung des Glukose-/Insulinstoffwechsels und der reproduktiven Gesundheit mit sich.
Sechs Monate Metformin reduzieren signifikant:
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Gewicht und BMI (nur bei BMI >25),
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Nüchterninsulin und HOMA-Index,
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Testosteronspiegel,
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Akne,
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Zyklusunregelmässigkeiten, womit die Fertilität verbessert wird.
Die gastrointestinalen Nebenwirkungen werden bei vorheriger Aufklärung und einschleichender Medikation meist gut toleriert. Die Leber- und Nierenfunktion vor Therapiebeginn sowie eine allfällige Vitamin-B12-Malabsorption sollten im Verlauf überprüft werden. Die Behandlung mit Metformin führt nicht zu Hypoglykämien. Während der Therapie sollte möglichst kein Alkohol konsumiert und keine Nulldiät durchgeführt werden. Perioperativ ist Metformin abzusetzen.
Ist die vorherrschende Problematik der unerfüllte Kinderwunsch, kann mittels reproduktionsmedizinischer Massnahmen (nur nach Prüfung der Spermaqualität des Partners) die Follikelreifung medikamentös unterstützt werden.
Literatur:
1 S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie des polyzystischen Ovarsyndroms (PCOS). Verfügbar unter https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/089-004 (zuletzt aufgerufen am 1.2.2024) 2 Azziz R et al.: Positions statement: criteria for defining polycystic ovary syndrome as a predominantly hyperandrogenic syndrome: an Androgen Excess Society guideline. J Clin Endocrin Metab 2006; 91(11): 4237-45 3 Williams T et al.: Diagnosis and treatment of polycystic ovary syndrome. Am Fam Physician 2016; 94(2): 106-13 4 Teede HJ et al.: Recommendations from the international evidence-based guideline for the assessment and management of polycystic ovary syndrome. Clin Endocrinol (Oxf) 2018; 89(3): 251-68 5 Hoeger KM et al.: Update on PCOS: consequences, challenges, and guiding treatment. J Clin Endocrinol Metab 2021; 106(3): e1071-83 6 Mills G et al.: Polycystic ovary syndrome as an independent risk factor for gestational diabetes and hypertensive disorders of pregnancy: a population-based study on 9.1 million pregnancies. Hum Reprod 2020; 35(7): 1666-74 7 Schwenkhagen A, Schaudig K: PCOS - Muss ich Patientinnen mit einer Oligo-/Amenorrhoe therapieren? Frauenarzt 2022; 63(9): 602-5 8 Schaudig K: Vortrag «PCOS und Differentialdiagnosen» (Basiskurs Endokrinologie). gyntogo, 20.9.2023 9 Tan S et al.: Metformin improves polycystic ovary syndrome symptoms irrespective of pre-treatment insulin resistance. Eur J Endocrinol 2007; 157(5): 669-76
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