Genitale Schönheitschirurgie bei der Frau
Autorin:
A.o. Univ.-Prof. Dr. Petra Kohlberger, MSc
Stv. Klinikleitung, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien
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Der Artikel beschäftigt sich mit der Frage des Bedarfs und der Gründe für die genitale Schönheitschirurgie bei der Frau und fasst die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und die aktuellen nationalen und internationalen Leitlinien zusammen.
Keypoints
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Medizinische Indikation muss nachvollziehbar und dokumentiert sein.
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Aufklärung über Komplikationen und Langzeitfolgen
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Fehlende Evidenz („high-quality data“) über die Effektivität dieser kosmetischen Operationen bzw. Eingriffe
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CAVE: gestörtes Selbst- und/oder Körperbild bzw. unrealistische Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse des Eingriffs
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CAVE: Druck und Zwang vonseiten Dritter
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Einholen einer Expertise für das Erkennen von psychischen Ursachen für den Wunsch nach OP bzw. Eingriff
Die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen war bis 2012 gesetzlich nicht explizit geregelt. 2012 trat das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG) in Kraft. Dieses neue Gesetz legt sowohl den Begriff der „medizinischen Indikation“ als auch die Qualifikation der durchführenden Personen fest. Mittels Verordnung der Österreichischen Ärztekammer werden die Qualifikationsvoraussetzungen auf Ebene von Mindestfallzahlen festgeschrieben. Weiters müssen Ärzt*innen für Allgemeinmedizin über eine Anerkennung der Österreichischen Ärztekammer für die Durchführung bestimmter Eingriffe oder Behandlungen verfügen.
Die Notwendigkeit für dieses damals neue Gesetz ergab sich aus der Tatsache, dass die Nachfrage nach schönheitschirurgischen Eingriffen stark angestiegen war. Die Verfügbarkeit von Informationen aus dem Internet, die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild und neue TV-Formate aus dem Alltag von plastischen Chirurgen haben dieses Thema in die Mitte unserer Gesellschaft gerückt. Die Veränderung des Körpers im Alterungsprozess und die Schönheitsideale der heutigen Zeit haben nicht nur bei jungen, sondern bei Menschen aller Altersgruppen ein Bedürfnis nach Optimierung geweckt.
Auch vor unserem Fach Frauenheilkunde hat diese Entwicklung nicht Halt gemacht und die Nachfrage nach schönheitschirurgischen Eingriffen an der Brust und am Genitale hat sich im Vergleich zu der Zeit vor der allgemeinen Verfügbarkeit des Internets vervielfacht.
Die genitale Schönheitschirurgie bei der Frau ist vor ca. 20 Jahren in den Fokus getreten, da die Intimrasur von vielen Frauen regelmäßig durchgeführt wird und dadurch anatomische Asymmetrien, die davor gar nicht aufgefallen sind, nun besser sichtbar wurden. Die Frage „Bin ich normal?“ und der direkte Vergleich mit pornografischen Bildern aus dem Internet lassen Unsicherheiten aufkommen und diese werden durch Bewertung von Dritten womöglich noch verstärkt.
Die Einführung des ÄsthOpG war dringend notwendig, da die öffentliche Diskussion dadurch in Gang gebracht wurde und ein neutraler Standpunkt des Gesetzgebers klar und übersichtlich formuliert wurde.
Auf Initiative des Wiener Programms für Frauengesundheit wurde erstmals ein Konsensuspapier erarbeitet, in Kooperation der Ärztekammer für Wien, MA 57 – Frauenabteilung der Stadt Wien, der Österreichischen Gesellschaft für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie, der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe, des Bundesministeriums für Gesundheit und der Medizinischen Universität Wien. Dieses Konsensuspapier zur weiblichen Genitalchirurgie definiert die Indikationen wie folgt:1
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bei ausgeprägter Labienhypertrophie mit objektivierbaren organischen Beschwerden
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bei rezidivierenden Irritationen im Vulvabereich nach Ausschluss anderer Ursachen
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nach Ausschluss einer Body Dysmorphic Disorder
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nach Ausschöpfung des gynäkologischen Behandlungsrepertoires mit begleitender psychologischer Beratung und Diagnostik
Als Kontraindikationen werden folgende Punkte zusammengefasst:
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wenn die Ärztin/der Arzt keine Gewissheit über die freie Willensbekundung der Patientin hat oder ernsthafter Druck oder Zwang vonseiten Dritter vermutet wird
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wenn die Patientin ein gestörtes Selbst- und/oder Körperbild bzw. unrealistische Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse des Eingriffs hat
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wenn die Patientin nicht in der Lage oder bereit ist, die Risiken und Konsequenzen des Eingriffs zu erfassen und zu akzeptieren, nachdem sie von geschultem Personal darüber aufgeklärt wurde
Auch internationale Leitlinien kommen zu ähnlichen Vorgaben, die z.B. vom American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) wie folgt zusammengefasst werden:2
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Operative Eingriffe zur „Veränderung der Sexualfunktion“ sind medizinisch nicht indiziert, außer bei geburtshilflichen oder Unfallverletzungen, Behinderung bei sportlichen Aktivitäten, Operationen nach FGM, Uterus-/Vaginal-/SBS-Prolaps, Inkontinenz oder Trans-X-Operation.
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Es fehlt Evidenz („high-quality data“) über die Effektivität dieser kosmetischen Eingriffe.
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Oft fehlt die Ausbildung der chirurgisch tätigen Ärzte hinsichtlich des Erkennens von psychologischen Ursachen für den Wunsch der Patientin zur Operation.
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Keine Werbung!
Im Fach Frauenheilkunde und Geburtshilfe werden seit einigen Jahren auch Laser-Radiofrequenz-Geräte beworben, die die Vaginalschleimhaut straffen sollen und insbesondere bei Frauen nach vaginalen Geburten und im Wechsel angepriesen werden. Die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hat bereits im Jahr 2017 auf Anfrage des Bundesministeriums folgende Stellungnahme abgegeben: „Die OEGGG lehnt aufgrund fehlender Evidenz und des nicht beurteilbaren Risikos derartige Behandlungen außerhalb von klinischen prospektiv randomisierten Studien ab.“ Im Jahr 2018 wurde aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen und Sicherheitsbedenken eine FDA-Warnung zu „energy-based devices to perform vaginal rejuvenation or vaginal cosmetic procedures“ veröffentlicht.3 Die Anwendung von Geräten zur „Verbesserung der Genitalregion“ hat trotzdem Einzug in manche gynäkologische Ordinationen gehalten und es liegt in der Hand der Patientinnen, evidenzbasierte Daten einzufordern, da der Druck der freien Marktwirtschaft in diesem Graubereich zwischen Medizin und Lifestyle anscheinend für die verantwortlichen Gesundheitsbehörden nicht regulierbar ist.
Das künstlerische Werk von Jamie McCartney, „The Great Wall of Vagina“ (Abb.1), ist ein wunderschönes Beispiel für Variationen der Vulva und soll demonstrieren, dass „Design-Vulven“ aus dem Internet nicht der Realität entsprechen. Es muss unser oberstes Ziel sein, alle Frauen in ihrem Selbstbild und ihrer individuellen Sexualität zu bestätigen und jeglichen Zweifel, der von außen durch das Internet oder durch Dritte kommt, zu ignorieren, nach dem Motto „Ich bin ich!!!“. Es ist besser, man löst sich von Idealen oder von Menschen, die uns diese Ideale aufdrängen, als sich selbst zu verlieren.
Abb. 1:„The Great Wall of Vagina“ von Jamie McCartney
Die Inhalte dieses Artikels waren Thema eines Vortrags bei der 30./31. Jahrestagung der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ), 15.–16. Oktober 2021, Linz
Literatur:
1 Leitlinien zur weiblichen Genitalchirurgie; www.wien.gv.at/gesundheit/beratung-vorsorge/frauen/frauengesundheit/pdf/leitlinien-genitalchirurgie.pdf 2 Elective Female Genital Cosmetic Surgery; www.acog.org/clinical/clinical-guidance/committee-opinion/articles/2020/01/elective-female-genital-cosmetic-surgery 3 https://www.iuga.org/news/fda-warns-against-use-of-energy-based-devices-to-perform-vaginal-rejuvenation-or-vaginal-cosmetic-procedures-fda-safety-communication
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