
Chronische Entzündungen beeinflussen den Alterungsprozess
Autor:
Univ.-Ass. Prof. Dr.med. Markus M. Metka
Facharzt für Frauenheilkunde
Präsident der Österreichischen Anti-Aging-Gesellschaft und Präsident der Österreichischen Meno-/Andropause-Gesellschaft
Wien
E-Mail: office@markusmetka.com
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In der medizinischen Forschung hat sich seit den 1990er-Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen, der die Aufmerksamkeit von akuten Entzündungen hin zu chronischen, subklinischen Entzündungsprozessen lenkt. Diese sogenannte «silent inflammation» wurde erstmals durch die Arbeiten von Barry Sears populär gemacht und zeigt die Verbindung mit Zivilisationskrankheiten auf. So spielt die «silent inflammation» eine Schlüsselrolle in der Pathogenese zahlreicher solcher Krankheiten. Besonders bedeutsam ist die Verbindung dieses Prozesses mit dem Konzept des Inflammaging, das den Zusammenhang zwischen chronischen Entzündungen und dem Alterungsprozess beschreibt.
Die sogenannte «silent inflammation» ist ein chronischer, niedriggradiger Entzündungszustand, der über Jahre oder Jahrzehnte persistiert und mit dem sogenannten «westlichen Lebensstil» in Verbindung gebracht wird. Dieser Lebensstil, geprägt durch eine toxische Umwelt, psychischen Stress, Bewegungsmangel und den Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel, fördert die Entstehung entzündlicher Prozesse. Die Persistenz dieser Entzündungen trägt wesentlich zum Phänomen des Inflammaging bei, bei dem chronische Entzündungen den Alterungsprozess beschleunigen und altersassoziierte Erkrankungen begünstigen.
Folgende Faktoren können entzündliche Prozesse beeinflussen:
1. Ernährung
Hochverarbeitete Lebensmittel, die reich an Zucker, ungesunden Fetten und Zusatzstoffen sind, fördern entzündliche Prozesse im Körper. Besonders problematisch ist ein unausgewogenes Verhältnis von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren, da Omega-6-Fettsäuren entzündungsfördernd wirken können.
2. Bewegungsmangel
Ein sitzender Lebensstil («Sitzen ist das neue Rauchen») führt nicht nur zu Übergewicht, sondern auch zu einem erhöhten Entzündungsstatus. Regelmässige Bewegung hingegen reduziert nachweislich entzündungsfördernde Marker wie das hochsensitive C-reaktive Protein (hs-CRP).
3. Umweltfaktoren
Umweltgifte wie Pestizide, Mikroplastik und Schwermetalle belasten den Körper zusätzlich und fördern stille Entzündungen.
4. Stress
Chronischer psychischer Stress kann ebenfalls Entzündungen hervorrufen. Stressbedingte Entzündungen werden als «stress-induced inflammation» bezeichnet und sind häufig mit einer erhöhten Aktivierung von entzündungsfördernden Signalwegen verbunden.
Pathophysiologische Mechanismen
Die pathophysiologischen Mechanismen hinter «silent inflammation» und Inflammaging umfassen eine dysregulierte Immunantwort sowie eine anhaltende Aktivierung proinflammatorischer Signalwege. Zentral für diesen Prozess sind «Langlebigkeits-Enzyme» wie Sirtuin, mTOR und die AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK). Diese Enzyme modulieren essenzielle Stoffwechsel- und Entzündungsprozesse, die sowohl die Alterung als auch die Entstehung chronischer Krankheiten beeinflussen.
AMPK, ein Schlüsselregulator des Energiestoffwechsels, spielt eine entscheidende Rolle in der Modulation des inflammatorischen Status. Die Subtypen PPAR-alpha, -beta und -gamma, die durch AMPK reguliert werden, sind wesentlich an der Kontrolle von Glukose- und Lipidstoffwechsel beteiligt. PPAR-gamma, das hauptsächlich den Glukosestoffwechsel reguliert, kann durch GLP-1-Agonisten, aber auch Metformin sowie zahlreiche Gewürze aktiviert werden, was zu einer Reduktion des Entzündungsstatus führt. PPAR-alpha hingegen fördert die Lipidoxidation und kann durch Statine oder Capsaicin beeinflusst werden, wodurch ebenfalls eine antiinflammatorische Wirkung erzielt wird.
Sirtuin, ein weiteres «Langlebigkeitsenzym», reguliert Zellfunktionen und wirkt entzündungshemmend. Seine Aktivität wird durch eine gesunde Ernährung und Bewegung gefördert. mTOR hingegen steuert Zellwachstum und Stoffwechsel. Eine Überaktivierung, oft durch übermässigen Zucker- und Fettkonsum, kann Entzündungen fördern.
Klinische Implikationen und therapeutische Ansätze
Die Erkenntnisse über die Verknüpfung von «silent inflammation» und Inflammaging haben zur Entwicklung spezifischer entzündungshemmender Therapien geführt. Insbesondere GLP-1-Agonisten wie Semaglutid (Ozempic) haben in klinischen Studien gezeigt, dass sie nicht nur zur Gewichtsreduktion beitragen, sondern auch inflammatorische Marker signifikant senken können. Diese Reduktion des inflammatorischen Status ist mit einer verringerten Inzidenz beispielsweise von kardiovaskulären Erkrankungen, Hepatopathien, neuroinflammatorischen Erkrankungen (Alzheimer oder Parkinson), aber auch Depressionen und sogar im Weiteren der Infertilität assoziiert.
Langfristig könnte die Modulation des Entzündungsstatus auch eine bedeutende Rolle in der Prävention altersassoziierter Malignome spielen. Erste Studien deuten darauf hin, dass eine langfristige antiinflammatorische Therapie, beispielsweise mit GLP-1-Agonisten, das Risiko für Mammakarzinome um bis zu 20% reduzieren könnte.
Therapie und Prävention
«Silent inflammation» kann durch gezielte Lebensstiländerungen reduziert werden.
1. Antientzündliche Ernährung
Eine Ernährung reich an Gemüse, Obst, Omega-3-Fettsäuren (z.B. aus Fisch, Leinsamen usw.) und entzündungshemmenden Gewürzen wie Kurkuma und Zimt (u.v.m.) ist essenziell. Der Verzicht auf hochverarbeitete Lebensmittel ist entscheidend!
2. Regelmässige Bewegung
Moderate Ausdauersportarten wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren senken Entzündungswerte nachhaltig.
3. Stressmanagement
Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Atemübungen helfen, stressinduzierte Entzündungen zu verringern.
4. Pharmakologische Ansätze
Medikamente wie GLP-1-Agonisten (z.B. Ozempic) haben gezeigt, dass sie nicht nur den Blutzuckerspiegel regulieren, sondern auch entzündungshemmend wirken.
Fazit
«Silent inflammation» und Inflammaging sind zentrale Mechanismen, die den Alterungsprozess und die Entstehung chronischer Erkrankungen massgeblich beeinflussen. Die gezielte Modulation dieser Prozesse durch pharmakologische und lebensstilbezogene Interventionen bietet ein vielversprechendes Potenzial zur Prävention und Therapie altersassoziierter Erkrankungen. Künftige Forschungsarbeiten sollten sich darauf konzentrieren, diese Ansätze weiter zu optimieren, um die gesundheitliche Belastung durch chronisch-entzündliche Zustände zu verringern und den Alterungsprozess positiv zu beeinflussen.
Literatur:
beim Verfasser
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