Pflanzliche Arzneimittel bei rezidivierenden Zystitiden
Autorin:
OÄ Dr. Ida Makovec
Universitätsklinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie
Kepler Universitätsklinikum, Linz
E-Mail: ida.makovec@kepleruniklinikum.at
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Bei Frauen liegt das Risiko, im Laufe ihres Lebens an einer Harnwegsinfektion (HWI) zu erkranken, bei 50% und etwa 20–30% leiden in der Folge an einem Rezidiv.1 Die Behandlung mittels Antibiotika erhöht das Risiko für Resistenzentwicklung, deswegen sollten Alternativen angeboten werden.
Eine 33-jährige Frau wurde zur operativen Endometriosesanierung (#ENZIAN P2 O0/0 T3/1 A3 B3/2 C1) aufgenommen. Eine therapeutische Laparoskopie mit partieller Deperitonealisierung, Exzision Sp. Rectouterinum und Scheidenwand, Uretherolyse links, Adhaesiolyse, Shaving Rektum-Vorderwand und intraoperativer Koloskopie wurde durchgeführt. Im postoperativen Verlauf zeigten sich ein fehlender Harndrang sowie ein Harnverhalt mit Restharnmengen bis über 500ml. Ein Blasendauerkatheter wurde gelegt und Blasentraining begonnen. In der Urikultur zeigte sich Pseudomonas aeruginosa 107, Citrobacter freundii 107 und Enterococcus faecalis 107, somit wurde eine antibiotische Therapie mittels Selexid 2x2 Tabletten für drei Tage verabreicht. Es konnte jedoch weiterhin keine ausreichende Blasenentleerung erreicht werden, weshalb die Patientin mit liegendem Dauerkatheter am siebten postoperativen Tag entlassen wurde. Bei Wiederaufnahme am zehnten postoperativen Tag erfolgte ein Auslassversuch mit einem Katether begleitet von Blasentraining, der Auslassversuch war jedoch frustran. Die Patientin wurde zum Selbstkatheterismus eingeschult, eine Therapie mittels Bethanecol 3x20mg eingeleitet und zur HWI-Prophylaxe wurde ein Kombinationspräparat von D-Mannose und Cranberry mit Vitamin C und D3 etabliert. Das Harndranggefühl besserte sich nach zehn Tagen deutlich, aber Spontanharn war weiterhin nicht möglich. Im Verlauf wurde auch mit Physiotherapie mittels Elektrostimulationsgerät für den Beckenboden begonnen. Bei der Kontrolle zwei Monate postoperativ fand sich eine deutliche Besserung, das Lassen von Spontanharn war möglich. Die Restharnmengen lagen jedoch noch immer bei 100–120ml mit Selbstkatheterismus 3–4x täglich. Die Rezidivprophylaxe wurde von der Patientin nur für gewisse Zeit eingenommen. Nach selbstständigem Absetzen entwickelte sich erneut ein HWI, sodass eine Therapie mit Amoxicillin notwendig wurde. Deswegen wurde die Entscheidung für eine regelmäßige Einnahme der pflanzlichen Prophylaxe getroffen. Es erfolgte eine erneute Kontrolle nach vier Monaten postoperativ. Hier war der Harnstreifentest bland, es bestand kein Blasenentzündungsrezidiv unter der Prophylaxe.
Diskussion
Harnwegsinfektionen treten deutlich häufiger bei Frauen als bei Männern auf, wobei es sich meistens um eine akute Zystitis handelt. 20% der Frauen leiden mindestens einmal im Leben an einer Harnwegsinfektion, 25–30% davon entwickeln ein Rezidiv.2 Es handelt sich dabei um ein weltweit verbreitetes Problem.3 Es ist auch einer der häufigsten Gründe für den Einsatz von Antibiotika weltweit.4
Rezidivierende Infektionen der unteren Harnwege bei Frauen sind eine belastende Erkrankung, für die evidenzbasierte Leitlinien für die Behandlung und Prävention nötig sind, um die Schäden zu minimieren und das Wohlbefinden zu optimieren.5
Die Verwendung einer entsprechenden Terminologie ist für die richtige Diagnose und die Erstellung eines geeigneten Behandlungsplans von entscheidender Bedeutung.
Asymptomatische Bakteriurie beschreibt die Situation bei einer asymptomatischen Person mit zwei aufeinanderfolgenden positiven Urinkulturen mit demselben Organismus (>105 KBE). Hier besteht kein Handlungsbedarf.
Eine Pyelonephritis weist auf eine Beteiligung der Nieren und des oberen Harntrakts hin.
Unkomplizierte Harnwegsinfektionen sind Infektionen, die bei gesunden Männern oder Frauen mit völlig normalem Urogenitalsystem auftreten.
Komplizierte Harnwegsinfektionen betreffen Patienten, die an Grunderkrankungen (z.B. Diabetes mellitus), verschiedenen anatomischen oder funktionellen Anomalien leiden.
Rezidivierende Zystitiden sind definiert als mehr als zwei Episoden in den letzten sechs Monaten oder drei Episoden im letzten Jahr.
Symptomatik
Die klassischen Symptome einer Harnwegsinfektion bei Erwachsenen sind in erster Linie Dysurie mit begleitendem Harndrang und großer Häufigkeit des Harnlassens sowie ein Gefühl der Blasenfülle oder Beschwerden im Unterleib.
Bei bis zu 10% der gesunden Frauen entwickelt sich eine Makrohämaturie, eine sogenannte hämorrhagische Zystitis. Bei solchen Patienten können Fieber, Schüttelfrost und Unwohlsein auftreten.
Vaginaler Ausfluss in der Vorgeschichte deutet darauf hin, dass eine Vaginitis, Zervizitis oder eine andere entzündliche Erkrankung der genitalen Organe für die Symptome einer Dysurie verantwortlich sein könnten, somit ist die Durchführung einer gynäkologischen Untersuchung erforderlich.
Wichtige zusätzliche Informationen wärem außerdem eine Vorgeschichte von sexuell übertragbaren Krankheiten (STD) und mehrere aktuelle Sexualpartner.
Ursachen der Harnwegsinfektionen
Anatomische Unterschiede von Männern und Frauen können erklären, warum Frauen anfälliger für die aufsteigenden Infektionen von Fäkalienbakterien in den Harntrakt sind. Genauer gesagt umfassen diese anatomischen Merkmale eine relative Kürze der Harnröhre, die Nähe des Harnröhrengangs zum Anus und eine im Vergleich zur männlichen Anatomie feuchtere Umgebung. Zu den weiteren bekannten Risikofaktoren zählen Verhütungsmethoden auf Spermizidbasis, Harnwegsinfekte in der Vorgeschichte, erste Harnwegsinfekte vor dem 15. Lebensjahr, eine Mutter mit HWI in der Vorgeschichte, die Verwendung eines Diaphragmas, Geschlechtsverkehr, erhöhte Restharnmengen6 sowie bei peri- und postmenopausalen Patientinnen: Senkung, Atrophie, Östrogenmangel, Mangel an Laktobazillen.7–10
Bei rezidivierenden Zystitiden ist es ratsam, nach der Quelle einer persistierenden Infektion zu suchen, etwa nach einer strukturellen Anomalie wie z.B. Nierensteinen, Abszessen, Erkrankungen der Blase, Fehlbildungen etc.
Differenzialdiagnostisch sollten OAB („overactive bladder“), interstitielle Zystitis und GSM („genitourinary syndrome in menopause“) ausgeschlossen werden.
Die häufigsten Erreger sind gramnegative Bakterien wie E.coli, Staphylococcus saprophyticus, Proteus mirabilis, Klebsiella pneumoniae, Enterococcus faecalis etc.
Therapie
Symptomatische Harnwegsinfekte bei Frauen sollten mit einer Erstlinientherapie (z.B. Nitrofurantoin, TMP-SMX, Fosfomycin11) behandelt werden. Die Therapie sollte auf einem Antibiogramm basieren. Die Dauer der Antibiotikatherapie bei Patienten mit akuten Episoden sollte so kurz wie möglich andauern (normalerweise nicht länger als sieben Tage).
Rezidivierende HWI bei Patienten mit akuter Zystitis, die in der Urinkultur eine Resistenz gegen orale Antibiotika gezeigt haben, können für einen möglichst kurzen Zeitraum (in der Regel nicht länger als sieben Tage) mit kulturgesteuerten parenteralen Antibiotika behandelt werden.
Aufgrund verbreiteter und steigender Antibiotikaresistenz sollten Alternativen angeboten werden.4 Die Patientin sollte über entsprechende Verhaltensmaßnahmen informiert werden, dazu gehören das Trinken von >1,5l Flüssigkeit, Harnlassen nach GV, Intimhygiene, Vermeidung von Spermizid-Gel und Diaphragmata.
Weiters besteht die Möglichkeit der Verwendung von lokalen Östrogenpräparaten, Probiotika, Akupunktur oder Phytotherapie.
Es gibt keine evidenzbasierten Empfehlungen bezüglich Therapie und Prophylaxe mittels Phytotherapeutika, die Daten sind noch immer widersprüchlich. Chinesische Kräuter, Cranberry sowie D-Mannose wurden in randomisierten kontrollierten Studien sowohl zur Behandlung akuter Harnwegsinfektionen als auch als Prophylaxe zur Verhinderung wiederkehrender Harnwegsinfektionen untersucht.
Proanthocyanidine kommen als Bestandteile von Preiselbeeren vor. Sie hemmen die Anhaftung von Escherichia coli an Uroepithelzellen der Blase, verhindern die Anhaftung von Bakterien an der Schleimhautoberfläche des Harntrakts und hemmen dadurch die Bakterienproliferation.12 Da D-Mannose in ihrer Struktur der Bindungsstelle von urothelialen Glykoproteinrezeptoren (wie Uroplakin) ähnelt, kann D-Mannose in ausreichender Konzentration im Urin eine Sättigung der FimH-Adhäsine bewirken und verhindern, dass Bakterien an urotheliale Glykoproteinrezeptoren binden.4
Fazit
In Anbetracht der jährlichen Gesundheitskosten für die Diagnose und Behandlung von Harnwegsinfekten, der steigenden Raten bakterieller Antibiotikaresistenzen und Antibiotikanebenwirkungen sollte bei Frauen mit erhöhtem Risiko eine individuelle multimodale Behandlung der rezidivierenden Zystitiden durchgeführt werden.12
Literatur:
1 Gupta K et al.: Cranberry products inhibit adherence of p-fimbriated Escherichia coli to primary cultured bladder and vaginal epithelial cells. J Urol 2007; 177(6): 2357-60 2 Koradia P et al.: Probiotic and cranberry supplementation for preventing recurrent uncomplicated urinary tract infections in premenopausal women: a controlled pilot study. Expert Rev Anti Infect Ther 2019; 17(9): 733-40 3 Abrahamian FM et al.: Urinary tract infections in the emergency department. Infect Dis Clin North Am 2008; 22(1): 73-87 4 Abrahamian FM et al.: Urinary tract infections in the emergency department. Infect Dis Clin North Am 2008; 22(1): 73-87 5 Smith AL et al.: Treatment and prevention of recurrent lower urinary tract infections in women: a rapid review with practice recommendations. J Urol 2018; 200(6): 1174-91 6 Geller EJ: Prevention and management of postoperative urinary retention after urogynecologic surgery. Int J Womens Health 2014; 6: 829-387 Strom BL et al.: Sexual activity, contraceptive use, and other risk factors for symptomatic and asymptomatic bacteriuria. A case-control study. Ann Intern Med 1987; 107(6): 816-23 8 Foxman B et al.: Epidemiology of urinary tract infection: I. Diaphragm use and sexual intercourse. Am J Public Health 1985; 75(11): 1308-13 9 Scholes D et al.: Family history and risk of recurrent cystitis and pyelonephritis in women. J Urol 2010; 184(2): 564-9 10 Gupta K et al.: Cranberry products inhibit adherence of p-f10mbriated Escherichia coli to primary cultured bladder and vaginal epithelial cells. J Urol 2007; 177(6): 2357-60 11 NICE Guideline [NG109]: Urinary tract infection (lower): antimicrobial prescribing. Published: 31 October 201812 Fu Z et al.: Cranberry reduces the risk of urinary tract infection recurrence in otherwise healthy women: A systematic review and meta-analysis. J Nutr 2017; 147(12): 2282-8
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