Rationale Blutungsdiagnostik bei Blutungsstörungen
Autorin:
Dr. Birgit Bergmeister
Ärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe
4614 Marchtrenk
E-Mail: birgit@frauengesundheit.jetzt
Die Blutungsstörung ist eines der häufigsten Symptome, wegen denen Frauen in der gynäkologischen Praxis vorstellig werden. Laut Literatur sind 10–15% der prämenopausalen Frauen betroffen, wobei man davon ausgeht, dass die Dunkelziffer weit darüber liegt. Der abnormen uterinen Blutung können mannigfaltige Ursachen zugrunde liegen. Eine rationale Diagnostik ist essenziell, um schnell zur Diagnose zu kommen.
Definition
Definitionsgemäß ist eine abnorme uterine Blutung jene, die nicht mit den normalen Parametern des Menstruationszyklus (Häufigkeit, Regelmäßigkeit, Dauer und Volumen) einhergeht.
Ursachen
Die häufigsten Ursachen von Blutungsstörungen können in zweiKategorien eingeteilt werden, wie sie in der PALM-COEIN-Klassifikation der FIGO beschrieben sind:
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Strukturelle Ursachen (PALM): Polypen, Adenomyose, Leiomyome, Malignome und Hyperplasien
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Nichtstrukturelle Ursachen (COEIN):Koagulopathien, ovulatorische Dysfunktionen, Endometriumstörungen, iatrogene Ursachen (z.B. Kontrazeptiva), nicht näher klassifizierte Ursachen
Diese Klassifikation soll bei den differenzialdiagnostischen Überlegungen helfen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei den Koagulopathien gewidmet werden, insbesondere bei Frauen mit einer langen Blutungsgeschichte seit der Menarche oder mit anamnestischen Hinweisen auf eine Gerinnungsstörung (z.B. häufiges Nasenbluten, lange Nachblutungen bei Verletzungen). In diesen Fällen ist eine Abklärung von erblichen Gerinnungsstörungen, wie dem Von-Willebrand-Syndrom, sinnvoll.
Der Weg zur Diagnose
Anamnese
Eine ausführliche Anamnese ist der Schlüssel zur erfolgreichen Diagnose. Folgende Aspekte sind essenziell:
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Alter der Patientin: Prämenarche, reproduktives Alter, Peri-/Postmenopause
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Zyklusmuster: Regelmäßigkeit, Zykluslänge, Blutungsdauer und -intensität
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Begleitsymptome: Schmerzen, Fieber, Ausfluss
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Verhütungsmittel: aktuelle oder frühere Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva
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Geburtshistorie: Schwangerschaften, Fehlgeburten, Geburtskomplikationen
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Medikamentenanamnese: Einnahme von Medikamenten wie Antikoagulanzien oder Hormonen
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Systemerkrankungen: bekannte Gerinnungsstörungen, Schilddrüsenerkrankungen oder Stoffwechselstörungen
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Familiäre Belastung: Vorkommen von Endometriose, Myomen oder Blutungsneigungen, Karzinome
Klinische Untersuchung
Die gynäkologische Untersuchung ist ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik. Sie umfasst:
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Begutachtung des Körpers: Hinweis auf hormonelle Störung wie Hautveränderungen, Androgenisierungszeichen, Galaktorrhö
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Spekulumuntersuchung: Beurteilung von Zervix inkl. Zytologie, Scheidenwand und vaginalem Ausfluss. Hinweis auf die Blutungsursache?
Laboruntersuchungen
Die labordiagnostische Abklärung sollte sich nach den Verdachtsdiagnosen und dem individuellen Patientenprofil richten. Standardmäßig umfassen die Untersuchungen:
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Hämoglobin- und Hämatokritwerte: zur Beurteilung des Blutverlustes und möglicher Anämien
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Gerinnung: Quick/INR, aPTT und Thrombozyten zur Abklärung von Gerinnungsstörungen
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Schilddrüsenfunktion: Bestimmung von TSH zur Erkennung von Schilddrüsendysfunktionen, die den Zyklus beeinflussen können
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Schwangerschaftstest
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Bei speziellen Fragestellungen Hormonstatus: um eine hormonelle Dysregulation, wie sie bei polyzystischem Ovarsyndrom (PCOS) oder in der Perimenopause auftreten kann, zu erkennen
Zusätzlich kann nach Infektionserregern (Chlamydien, Gonokokken) gesucht werden, insbesondere bei jüngeren Patientinnen oder bei gleichzeitigem Vorliegen von Symptomen wie Ausfluss oder Unterbauchschmerzen.
Bildgebung
Die transvaginale Sonografie stellt die Standardmethode zur bildgebenden Abklärung von Blutungsstörungen dar. Sie ermöglicht eine detaillierte Beurteilung der Uterusmorphologie, der Endometriumdicke und der Ovarien. Folgende Befunde sind dabei von Bedeutung:
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Polypen und Myome: Sowohl submuköse Myome als auch Endometriumpolypen sind häufige Ursachen von Hypermenorrhö oder Zwischenblutungen.
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Hinweis auf Adenomyose
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Endometriumhyperplasie oder -atrophie: Eine Endometriumdicke >3mm bei postmenopausalen Blutungen kann ein Hinweis auf Hyperplasie oder Karzinom sein.
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Ovarialzysten: Funktionelle Zysten oder Tumoren können ebenfalls den Zyklus beeinflussen und sollten sonografisch abgeklärt werden.
Bei unklarem oder schwer abgrenzbarem Befund kann zusätzlich eine Hydrosonografie durchgeführt werden.
Bei Verdacht auf maligne Veränderungen kann eine Hysteroskopie oder eine fraktionierte Abrasio angezeigt sein.
Hysteroskopie und Biopsie
Die Hysteroskopie ermöglicht die direkte visuelle Inspektion der Uterushöhle und ist besonders indiziert bei der Abklärung von postmenopausalen Blutungen oder unklaren sonografischen Befunden. Dabei können gezielt Biopsien entnommen werden, um histologische Klarheit zu schaffen.
Insbesondere bei postmenopausalen Frauen ist eine Endometriumbiopsie von großer Bedeutung, um eine Hyperplasie oder ein Endometriumkarzinom auszuschließen. Eine Biopsie sollte erwogen werden, wenn eine Blutung stattgefunden hat und die transvaginale Sonografie eine Endometriumdicke >3mm – oder bei Einnahme einer HRT >5mm – zeigt. Das Risiko, an einem Endometriumkarzinom zu erkranken, steigt mit dem Alter. Somit sollte auch bei perimenopausalen Frauen mit Blutungsstörung an die mögliche Notwendigkeit gedacht werden.
Zusammenfassung
Die rationale Blutungsdiagnostik erfordert ein strukturiertes Vorgehen, das auf einer ausführlichen Anamnese, einer klinischen Untersuchung und gezielten Zusatzuntersuchungen basiert. Die transvaginale Sonografie stellt die Standardmethode zur bildgebenden Abklärung von Blutungsstörungen dar. Eine invasive Diagnostik hat vorwiegend bei peri- bzw. postmenopausalen Blutungsstörungen ihren Stellenwert. Ein individualisierter Behandlungsansatz, der sowohl strukturelle als auch funktionelle Ursachen berücksichtigt, ist entscheidend, um die Lebensqualität der Patientinnen zu verbessern und eine adäquate Therapie einzuleiten.
Literatur:
bei der Verfasserin
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