Rezidiveingriffe in der Prolapschirurgie
Autorin:
Univ.-Prof. Dr. Barbara Bodner-Adler
Leiterin der Ambulanz für Urogynäkologie und Beckenbodenchirurgie
Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie
Medizinische Universität Wien
Prolapseingriffe in der Rezidivsituation stellen eine besondere Herausforderung dar, da vorherige chirurgische Eingriffe nicht den gewünschten langfristigen Erfolg erbracht haben. Die Planung erfordert präzise Diagnostik und eine individuelle Therapie, die die Stabilität und Funktion des Beckenbodens nachhaltig verbessert.
Keypoints
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Das Alter der Patientin spielt inder Prolapschirurgie heute eher eine untergeordnete Rolle.
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Erwartungen und Lebensqualitätsaspekte der Patientin stehen in der Therapieplanung im Vordergrund.
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Für eine defekt- und patientinnenorientierte Prolapschirurgie sollte evidenzbasierte Medizin mit individuellen Faktoren kombiniert werden.
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Ziele: keine Rezidive oder möglichst lange keine Rezidive
Als Descensus genitalis wird im deutschsprachigen Raum ein Tiefertreten der Scheide und des Uterus bezeichnet, wobei ein Tiefertreten über den Hymenalsaum als Prolaps bezeichnet wird (DGGG-Leitlinie).
Im Englischen wird die Bezeichnung POP für „pelvic organ prolapse“ verwendet. Die International Urogynecological Association (IUGA) und die International Continence Society (ICS) haben folgende Definition gewählt: „Pelvic organ prolapse (POP) defines as falling, slipping or downward displacement of the uterus and/or the different vaginal compartments and their neighboring organs such as bladder, rectum or bowel.“
Wann handelt es sich um ein Rezidiv?
Eine generell gültige Definition des Prolapsrezidivs existiert bislang nicht. Der Begriff „Rezidiv“ bedeutet im erweiterten Sinn „failure“ der vorausgegangenen Prolaps-OP, wobei viele verschiedene Definitionen in Verwendung sind. „Failure“ kann subjektiv und/oder objektiv sein, wobei eine weitere Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Rezidiv erforderlich ist:
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direktes Rezidiv: betrifft ein zuvor behandeltes Kompartiment
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indirektes Rezidiv: betrifft ein anderes Kompartiment
Prolapsrezidiv: Definition
Beim Prolapsrezidiv kann es sich entweder um ein direktes oder indirektes Rezidiv handeln, welches objektiv an oder über den Hymenalsaum tritt (POP-Q ≥ Stadium2b) und Prolaps-assoziierte Symptome (subjektives Rezidiv) aufweist.
Prävalenz
Das Lebenszeitrisiko für eine Prolaps-OP liegt allgemein zwischen 13 und 19%, wobei das durchschnittliche Alter zwischen 60 und 65 Jahren liegt. Die Rezidiv-OP-Rate kann bis zu 30% betragen.
Risikofaktoren
Allgemeine Risikofaktoren für die Entwicklung eines Beckenorganprolapses (BOP):
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Multiparität
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Jüngeres Alter
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Erhöhte intraabdominelle Druckerhöhung
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Obstipation
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Exzessive körperliche Arbeit
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Voroperationen des Beckenbodens
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Neurologische Erkrankungen (Diskushernien, Spinalkanalstenose)
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Genetische Prädisposition
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hoher BMI
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Ernährung
Risikofaktoren für ein Prolapsrezidiv inkludieren wiederum:
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Levatoravulsionen
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Ein fortgeschrittenes präoperatives POP-Q-Stadium (≥III)
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Einen weiteren Hiatus genitalis
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Eine vorausgegangene Beckenboden-OP
Eine realistische Aufklärung, ein sinnvolles Therapieangebot sowie gute Präventionsmöglichkeiten stehen hier im Vordergrund.
Therapiemöglichkeiten des Prolapsrezidivs
Konservative Therapie
Die Therapie in der Rezidivsituation kann konservativ oder operativ erfolgen. Konservative Therapiealternativen bestehen in Form von Pessaren, welche als Überbrückungstherapie (vorübergehend bis zu einer OP), Ergänzungstherapie (zu BBT, lokaler E2-Therapie) oder auch Langzeittherapie eingesetzt werden können.
Die Auswahl des richtigen Pessars ist für den Therapieerfolg ganz wesentlich. Pessare sollten groß genug sein, um ihre Aufgabe zu erfüllen, und klein genug, um Diskomfort zu vermeiden. Die Scheide sollte ausreichend lange sein und eine geschulte Anpassung ist eine der Grundvoraussetzungen.
Operative TherapieIndikationen zur operativen Korrektur in der Rezidivsituation umfassen:
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Subjektiven Leidensdruck
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Konservative Behandlungsmöglichkeiten frustran/ausgeschöpft
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Pessar ungeeignet
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Wunsch der Patientin nach OP
Die Ziele einer OP umfassen eine Verbesserung der Lebensqualität (QoL), die Linderung von Symptomen bzw. das Erreichen einer Symptomfreiheit und eine Wiederherstellung der natürlichen Anatomie.
Beim Großteil der Eingriffe in der Rezidivsituation handelt es sich um rekonstruktive Eingriffe am Beckenboden, welche eine gezielte Korrektur anatomischer Defekte des jeweiligen Kompartimentes beinhalten (defektorientiert). Zuvor sollte geklärt werden, welches Kompartiment betroffen ist (isolierte Zystozele, apikaler Deszensus, Rektoenterozele, Kombinationen).
Rezidiveingriffe in der Prolapschirurgie –Operationsverfahren
Die Sakrokolpopexie (abdominal, laparoskopisch, robotisch) gilt als Goldstandard in der Rezidivsituation bei Vorliegen eines apikalen und/oder Multikompartiment-Prolapses mit hohen subjektiven und objektiven Langzeiterfolgsraten sowie einer geringen Rezidivrate (3–8%).
Als Alternative kann die vaginale sakrospinale Fixation (SSF) als „native tissue repair“ angeführt werden. Hier erfolgt die Fixation des Scheidenapex an das Lig. sacrospinale rechts. Eine multizentrische randomisiert kontrollierte Studie (SALTO-2 Trial) verglich diese beiden operativen Methoden, wobei sich zeigte, dass beide Methoden sehr effektiv in der Behandlung des Scheidenblindsack-Prolapses nach 12 Monaten waren.
Vorderes Kompartiment
Die häufigste Lokalisation für ein Rezidiv nach einer Beckenboden-OP betrifft das vordere Kompartiment, wobei die Erfolgsraten einer vorderen Kolporrhaphie zwischen 34 und 97% stark schwanken. Die Rezidivrate in diesem Kompartiment ist unbestritten hoch und kann bis zu 52% betragen. Der Einsatz vaginaler Meshes sollte restriktiv der Rezidivsituation (komplexe Fälle, Level-II-Defekte) unter Abwägen von Nutzen und Risiko zugeordnet bleiben.
Hinteres Kompartiment
Der transvaginale posteriore Repair zeigt deutlich weniger Rezidive (subjektiv und objektiv) im Vergleich zum transanalen Zugang, wobei die hintere Kolporrhaphie als Goldstandard zur Korrektur posteriorer Defekte gilt.
Obliterative Verfahren
Eine weitere operative Therapiealternative umfasst die obliterativen Verfahren wie Kolpokleisis nach Neugebauer-Le Fort (partielle Kolpokleisis mit Uteruserhalt) und Kahrʼsche-Plastik sowie komplette Kolpektomie mit Kolpokleisis bei Scheidenblindsack-Prolaps. Diese Methode kann sowohl in der Primär- als auch in der Rezidivsituation angewandt werden. Besonders Patientinnen mit hohem Operationsrisiko, einem ausgeprägten Prolaps, Multimorbidität und hohem Leidensdruck zeigen sich als optimale Kandidatinnen für diesen Eingriff.
Literatur:
bei der Verfasserin
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