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38. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Senologie (ÖGS), Graz

State of the Art beim Mammakarzinom

Im Rahmen der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Senologie, die dieses Mal in Graz abgehalten wurde, kamen alle Fachdisziplinen, die sich mit der Brustgesundheit befassen, zusammen, um das Neueste zu Diagnostik, Therapie und Langzeitmanagement/Nachsorge zu diskutieren. Im Folgenden ein Auszug zuHot-Topic-Themen und speziellen Situationen.

HR+-Systemtherapie

Adjuvante Eskalation: endokrine Therapie >5 Jahre

„Im StadiumI bei Mammakarzinom ist eine endokrine Therapie für fünf Jahre empfohlen. Ab dem Stadium II ist eine verlängerte endokrine Therapie von einer Dauer von sieben bis acht Jahren zu empfehlen, die das erkrankungsfreie Überleben (DFS) verlängert, jedoch nicht immer das Gesamtüberleben (OS). Dies gilt für die Vorbehandlung mit Tamoxifen1 oder einem Aromatasehemmer“, sagt Priv.-Doz. Dr. Christoph Suppan, Klinische Abteilung für Onkologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Med Uni Graz. „Aromatasehemmer sollten nach Möglichkeit einen Teil der Behandlung darstellen,2 außer bei Patientinnen mit ‚very low risk‘3 und Kontraindikationen.3

Nach fünf Jahren Tamoxifen sind weitere fünf Jahre Tamoxifen oder Umstellung auf Aromatasehemmer möglich3 (abhängig vom Menopausenstatus, siehe ABCSG16/S.A.L.S.A.4).

Zehn Jahre endokrine Therapie inklusive Aromatasehemmer ist nur für „High risk“-Patientinnen vorgesehen.5 Die Therapieentscheidung hängt vom Rezidivrisiko, von den Langzeitnebenwirkungen sowieder Toleranz und Präferenz der Patientin ab. „Das Risiko für die einzelne Patientin kann mithilfe des CTS5-Kalkulators (https://cts5-calculator.com) errechnet werden und das Ergebnis kann in die Diskussion mit den Patientinnen einfließen“, rät Suppan.

CDK4/6-Inhibitoren

„Den Standard stellt die monarchE-Studie6 für Patientinnen mit Hochrisiko dar“, so Suppan. Adjuvantes Abemaciclib plus endokriner Therapie bei Patientinnen mit HR-positivem, HER2-negativem frühem Hochrisiko-Mammakarzinom führte in der Studie zueinem Benefit im Wiederauftreten der Erkrankung gegenüber der Standardtherapie, auch nach vier Jahren. „Derzeit als einziger zugelassener CDK4/6-Inhibitor in dieser Situation“, ergänzt Suppan.

„Auf Basis der NATALEE-Studie7, bei der sich nach vier Jahren unter adjuvantem Ribociclib und nichtsteroidalem Aromatasehemmer bei Patienten mit HR-positivem/HER2-negativem frühem Brustkrebs ein Vorteil hinsichtlich des Wiederauftretens des Tumors gezeigt hat, wird demnächst die Zulassung der Substanz erwartet“, so Suppan weiter.

Hinsichtlich des menopausalen Status konnte eine weitere Analyse der monarchE-Studie zeigen, dass prämenopausale Frauen numerisch mehr von der Therapie mit Abemaciclib plus endokriner Therapie als postmenopausale Frauen profitieren.8

„In einer weiteren Auswertung der NATALEE-Studie wurde zwischen <40- und >40-jährigen Patientinnen unterschieden und auch hier zeigte sich ein zusätzlicher Benefit unter adjuvantem Ribociclib und nichtsteroidalem Aromatasehemmer für die jüngeren Patientinnen“, so Suppan.9

State of the Art für HR+Second und ThirdLine

„Die ESMO Guidelines10 empfehlen eine endokrine Therapie (ET) in Kombination mit einem CDK4/6-Inhibitor als Standard in der ersten Behandlungslinie für die große Mehrheit der Patientinnen mit HR-positivem, HER2-negativem metastasiertem Mammakarzinom“, unterstreicht Assoc.Prof. Priv.-Doz. Dr. Rupert Bartsch, Klinische Abteilung für Onkologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I, MedUni Wien. „Auch wenn mit dieser Strategie die Erkrankung teils über Jahre kontrolliert werden kann, muss schließlich mit einem Progress gerechnet werden, was die Umstellung auf eine Zweitlinientherapie notwendig macht.“

Eine Option ist ein Wechsel der ET auf Fulvestrant sowie des CDK4/6-Inhibitors auf Abemaciclib, so wie es in der Phase-III-Studie postMONARCH untersucht wurde.11

Bartsch: „Auch wenn sich hier ein Vorteil gegenüber alleiniger ET in allen Subgruppen zeigte, war der Unterschied im progressionsfreien Überleben (PFS) in absoluten Zahlen gering, sodass diese Strategie vor allem bei niedrigem klinischem Risiko, langer Erkrankungskontrolle in der ersten Behandlungslinie und dem Fehlen anderer Therapieziele (siehe unten) sowie bevorzugt bei Einsatz von Palbociclib als vorhergegangenem CDK4/6-Inhibitor angedacht werden sollte. Eine mögliche Alternative beim Fehlen spezifischer Behandlungsoptionen stellt auch die Kombination aus ET und dem mTOR-Inhibitor Everolimus dar.“

Eine PIK3CA-Mutation ist üblicherweise eine stabile genetische Veränderung, die oft mit einem aggressiveren Erkrankungsverlauf assoziiert ist. Ca. 40% der Patientinnen mit HR-positiver/HER2-negativer metastasierter Erkrankung weisen eine solche Veränderung auf. Bis vor Kurzem war nur Alpelisib plus ET als spezifische Therapie dieser genetischen Alteration zugelassen, kürzlich erfolgte die Zulassung von Capivasertib basierend auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie CAPItello 29112. Der AKT-Inhibitor Capivasertib wurde dabei in einer vorbehandelten Population (70% der Teilnehmerinnen hatten bereits einen CDK4/6-Inhibitor erhalten) in Kombination mit Fulvestrant plus Placebo verglichen. Bartsch: „Bei Patientinnen mit nachgewiesener PIK3CA-, PTEN- oder AKT-Mutation wurde eine klare Verlängerung des medianen PFS gezeigt, des Weiteren fand sich ein numerischer Vorteil im Gesamtüberleben.“ Die Hyperglykämierate war unter Capivasertib geringer als unter Alpelisib, wie bei allen kleinen Molekülen kann aber auch hier eine Reihe klinisch relevanter Nebenwirkungen auftreten.

Eine neue Substanz am Horizont ist der PIC3CA-Inhibitor der zweiten Generation Inavolisib, der in der Phase-III-Studie INAVO12013 gemeinsam mit Palbociclib und Fulvestrant bei Patientinnen mit frühem Rezidiv unter/nach adjuvanter endokriner Therapie und bei Vorliegen einer PIC3CA-Mutation untersucht wurde. Dabei zeigte sich eine deutliche Verlängerung des medianen PFS gegenüber Fulvestrant, Palbociclib und Placebo bei vergleichsweise geringen toxizitätsbedingten Therapieabbruchraten. „Allerdings lässt sich derzeit das tatsächliche Verträglichkeitsprofil in Ermangelung klinischer Erfahrung in Österreich noch nicht abschätzen“, so Bartsch.

Bereits länger verfügbar ist der orale SERD („selective estrogen receptive degrader“) Elacestrant, der in der EMERALD-Studie14 als endokrine Monotherapie gegenüber konventioneller ET mit Fulvestrant oder einem Aromatasehemmer und nachgewiesener ESR1-Mutation einen signifikanten PFS-Vorteil gezeigt hat. „Bei der ESR1-Mutation handelt es sich um eine typische Resistenzmutation, die unter dem evolutionären Druck der ET auftritt. Sie sollte daher bei Erkrankungsprogress nach der ersten Behandlungslinie bevorzugt aus dem Blut analysiert werden, im Sinne einer ‚liquid biopsy‘“, betont Bartsch.

Nach Ausschöpfen der endokrinen Therapieoptionen kommen zytotoxische Substanzen zum Einsatz, wobei Antikörper-Medikamenten-Konjugate zunehmend in den Vordergrund rücken. „Die DESTINY-Breast04-Studie15 zeigte bei Einsatz von Trastuzumab Deruxtecan im Vergleich zu konventioneller Chemotherapie bei Patientinnen mit HR-positivem metastasiertem Brustkrebs und niedriger HER2-Expression nach endokriner Therapie und einer Chemotherapielinie eine klinisch relevante Verlängerung des PFS sowie eine deutliche Verlängerung des Gesamtüberlebens“, zitiert Bartsch weiter. In einer stärker vorbehandelten Population war auch unter Sacituzumab Govitecan16 eine statistisch signifikante und klinisch relevante Verlängerung von PFS und OS gegenüber einer konventionellen Chemotherapie in der TROPiCS-02 Studie zu beobachten.

Update lokale Therapie

Borderline- oder High-Risk-Läsionen

Mit dem Management von Borderline- bzw. Hochrisiko-Läsionen befasste sich Prof. Dr. Maria Louisa Gasparri, Department of Gynecology and Obstetrics, University of the Italian Switzerland (USI), Lugano, Schweiz, in ihrem Vortrag. Läsionen der Mamma mit unklarem malignem Potenzial (B3-Läsionen) sind schwierig histologisch zu kategorisieren und erhöhen das Risiko für Brustkrebsentstehung. Einen State-of-the-Art-Überblick bieten die europäischen Leitlinien für Diagnose, Behandlung und Follow-up von Hochrisiko-/Borderline-Läsionen.17

„Eine „vaccuum-assisted biopsy“ (VAB) kann eine offene Operation nach „core needle biopsy“ (CNB) in zahlreichen Fällen ersetzen; die meisten B3-Läsionen können sicher mit VAB/VAE behandelt werden, als Alternative zur offenen Operation. MRT kann zur Abklärung von invasivem Krebs beitragen (aufgrund hoher negativ prädiktiver Werte). „Die Diagnose von atypischen Hochrisikoläsionen erhöht das Risiko von Brustkrebs in derselben bzw. der kollateralen Brust um das Vier- bis Zehnfache“, betont Gasparri. „Einen klaren Konsensus für das Management von Hochrisiko- bzw. Borderline-Läsionen gibt es nach wie vor nicht. Im Entscheidungsprozess ist die radiologisch-pathologische Übereinstimmung ein Schlüsselelement. Das Vorgehen bei B3-Läsionen muss ein multidisziplinärer Ansatz sein: Ein maßgeschneidertes Management, das das individuelle Risiko der Patientin berücksichtigt, senkt die Wahrscheinlichkeit vonÜberbehandlung und erspart unnötige Ängste oder Kosten bei einem chirurgischen Eingriff.“ Die wissenschaftliche Evidenz zu B3-Läsionen nimmt stetig zu, wobei die Entwicklung von prädiktiven Instrumenten die Optimierung der Therapie ermöglichen wird.

Update Resektionsrandanalyse

Die Ziele der brusterhaltenden Therapie sind niedrige Lokalrezidivraten, gute Kosmetik und geringe Reoperationsraten. Jedoch wird die Definition des benötigten chirurgischen Resektionsabstandes kontrovers diskutiert. „Aufgrund fehlender Daten konnte keine Metaanalyse hinsichtlich Lokalrezidivraten nachweisen, dass ‚no ink on tumor‘ gleichwertig ist wie ein negativer Resektionsrand“, zitiert Univ.-Prof. Dr. Peter Regitnig, Diagnostik- und Forschungsinstitut für Pathologie, Med Uni Graz, zwei Metaanalysen.18,19 „Das Problem ist die Definition des Resektionsrandes“, unterstreicht Regitnig. 1mm sollte laut einer Metaanalyse20 als Minimum für einen negativen Resektionsrand verwendet werden. „Mehr als 1mm sollte als ausreichender Resektionsabstand gewählt werden. Dadurch würden rund 5% der Patientinnen mehr Nachoperationen benötigen im Vergleich zu ‚no ink on tumor‘“, so Regitnig weiter.21 „Die Resektionsrand-Analyse ist nur ein Faktor für den residualen Tumor“, gibt Regitnig zu bedenken.„Für eine brusterhaltende Operation in Verbindung mit neoadjuvanter Therapie gibt es keine ausreichende Evidenz für einen optimalen Resektionsrandabstand. Bei knappem Resektionsrand sollte eine Diskussion im Tumorboard erfolgen, ob eine Nachresektion oder ein Radiotherapie-Boost erforderlich ist.“

Zukunft drahtlose Markierung?

„Die Drahtmarkierung ist derzeit noch der Goldstandard in Österreich“, informiert Dr. Angelika Rief, Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Med Uni Graz. Vergleichende Studien zu drahtlosen Lokalisationsmethoden zeigen jedenfalls keinen Nachteil im Vergleich zur Drahtmarkierung. In einzelnen Studien zeigt sich in Bezug auf bestimmte Endpunkte ein Vorteil für die drahtlosen Lokalisationsmethoden.22,23 Die R0-Resektionsrate scheint zwischen den verschiedenen Methoden ähnlich und vergleichbar mit der für die Drahtmarkierung zu sein.23 Eine Ausnahme stellt hier die intraoperative Sonografie dar, für die sich in Metaanalysen von „randomized controlled trials“ (RCT) eine signifikant höhere R0-Rate im Vergleich zur Drahtmarkierung gezeigt hat.24

Rief: „MRT-Artefakte sind ein Nachteil vor allem der magnetischen und paramagnetischen Marker, insbesondere bei geplanter neoadjuvanter Chemotherapie sollte man daran denken. Größere Studien zu drahtlosen Lokalisationsmethoden inklusive Kosten-Nutzen-Analysen sind notwendig. Derzeit werden sämtliche Lokalisationsmethoden in der prospektiven Registerstudie MELODY von EUBREAST untersucht; eine Studienteilnahme ist auch in Österreich möglich.“

Stellenwert axillärer Dissektion

„Das axilläre Staging ist mit der Dissektion der Axilla (ALND) bei klinisch positiven Lymphknoten (primäre OP oder OP nach einer Chemotherapie), bei großen Tumoren (cN3–cN4, cT3–cT4 und „bulky disease“ in der Axilla) gesichert25–27 und bei inflammatorischem Mammakarzinom ebenfalls“, fasst Univ.-Prof. PD Dr. Florentina Peintinger, Klinische Abteilung für Gynäkologie, Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Med Uni Graz, zusammen.

Die lokale Kontrolle mit der axillären Dissektion (ALND) wird erreicht bei:

  • ≥3 positiven Sentinellymphknoten, wenn entweder eine brusterhaltende Therapie oder Mastektomie geplant ist;

  • Mastektomie und ein bis zwei positiven Sentinellymphknoten sowie ohne Radiotherapie-Indikation;28

  • residualem Tumor nach einer neoadjuvanten Chemotherapie;

  • ipsilateralem Axillarezidiv.

Peintinger: „Weitere Daten aus großen Studien wie ALLIANCE A0011202 und AXSANA werden in Kürze erwartet.“

Vorträge im Rahmen der 38. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Senologie, 19.–21.9.2024, Graz

1 EBCTCG Lancet 2005; 365(9472): 1687-717 2 Howell A et al.: Lancet 2005; 365(9453): 60-2 3 Pagani O et al.: J Clin Oncol 2020; 38(12): 1293-303 4 Gnant M et al.: N Engl J Med 2021; 385: 395-405 5 Pagani O et al.: J Clin Oncol 2023; 41(7): 1376-82 6 Johnston S et al.: Lancet Oncol 2023; 24(1): 77-90 7 Fasching P et al.: Ann Oncol 2024; 35(2): 1-72 8 Paluch-Shimon S et al.: Ther Adv Med Oncol 2023; 15:17588359231151840 9 Loi S et al.: Ann Oncol 2024; 35(2):S310-S311 10 Curigliano G et al.: Ann Oncol 2021; 32(12): 1475-95 11 Kalinsky K et al.: ASCO Annual Meeting 2024, Abstract LB1001 12 Turner NC et al.: N Engl J Med 2023; 388: 2058-70 13 Juric D et al.: ASCO Annual Meeting 2024, Abstract 1003 14 Bardia A et al.: N Engl J Med 2024; doi:10.1056/NEJMoa240786. Online ahead of print 15 Modi S et al.: N Engl J Med 2022; 387(1):9-20 16 Rugo HS et al.: J Clin Oncol 2022; 40(29): 3365-76 17 Rubio IT et al.: Eur J Surg Oncol 2024; 50(1): 107292 18 Houssami N et al.: Eur J Cancer 2010; 46(18): 3219-32 19 Houssami N et al.: Ann Surg Oncol 2014; 21(3): 717-30 20 Bundred JR et al.: BMJ 2022; 378: e070346 21 Rakha EA et al.: Eur J Surg Oncol 2024; 50(10): 108573 22 Pantiora E et al.: JAMA 2024; 159(3): 239-46 23 Banys-Paluchowski M et al.: Cancers (Basel) 2023; 15(4): 1173 24 Banys-Paluchowski M et al.: Ultraschall Med 2022; 43(4):367-79 25 Reyna C et al.: Breast Cancer Res Treat 2021; 189(1): 155-66 26 Giuliano AE et al.: Ann Surg 2010, 252(3): 426-32 27 de Boniface J et al.: N Engl J Med 2024; 390(13): 1163-75 28 SENOMAC, de Boniface J et al.: Lancet Oncol 2024; 25(4): 1222-30

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