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In der Meno-/Andropause und beim Anti-Aging

Therapie mit sekundären Pflanzeninhaltsstoffen

Sekundäre Pflanzenstoffe können im Kontext der Menopause eine natürliche und oft nebenwirkungsarme Möglichkeit darstellen, menopausale Symptome durch den Hormonwechsel zu lindern und die allgemeine Gesundheit in dieser Lebensphase zu unterstützen.

Unter dem Sammelbegriff „sekundäre Pflanzenstoffe“ (auch Sekundärmetabolite oder sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe genannt) werden Substanzen sehr unterschiedlicher Struktur zusammengefasst. Alle sekundären Pflanzenstoffe haben gemeinsam, dass sie für die Pflanze selbst, die sie produziert, nicht lebensnotwendig zu sein scheinen. Die Stoffe haben sich vermutlich durch eine intensive Interaktion zwischen den Pflanzen und ihrer Umwelt entwickelt. Einige pflanzliche Sekundärstoffe dienen der Pflanze als effektive chemische Abwehrstoffe. Andere hingegen locken pollenverbreitende Insekten und samenverbreitende Früchtefresser an (Farb- und Aromastoffe), dienen dem Schutz vor Verdunstung bzw. vor starker Sonneneinstrahlung (UV-Schutz) oder sorgen für die Festigkeit des Gewebes (Lignine).

Bislang sind etwa 100000 verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe bekannt, wobei 5000 bis 10000 in der menschlichen Nahrung vorkommen. Durchschnittlich nimmt der Mensch pro Tag etwa 1,5g sekundäre Pflanzenstoffe auf, Vegetarier etwas mehr.1

Tabelle 1 gibt die durchschnittliche tägliche Zufuhrmenge von sekundären Pflanzenstoffen mit einer gemischten Kost (ohne Supplemente) an.

Tab. 1: Zufuhr sekundärer Pflanzenstoffe mit einer gemischten Kost ohne Supplemente (modifiziert nach Watzl und Rechkemmer 2004, Watzl 2008, Watzl 2012 und DGE 2024)1, 8–10

Die Bioverfügbarkeit der sekundären Pflanzenstoffe ist sehr unterschiedlich (Tab. 2).

Tab. 2: Einteilung von sekundären Pflanzenstoffen anhand ihrer relativen Bioverfügbarkeit beim Menschen (modifiziert nach Watzl und Rechkemmer 2004 und Watzl 2012)8, 10

Wissenschaftliche Studien der letzten Jahre bestärken die Annahme, dass einige sekundäre Pflanzenstoffe eine gesundheitsfördernde Wirkung für den Menschen haben, während andere für den Menschen giftig sind, z.B. Alkaloide, wie etwa Nikotin (Tab. 3). Manche dieser natürlichen Gifte werden heute pharmakologisch genutzt, wie z.B. das Gift der Tollkirsche (Atropin) oder die Alkaloide des Schlafmohns (z.B. Morphin).

Tab. 3: Sekundäre Pfanzenstoffe und deren präventiver oder therapeutischer Nutzen (modifiziert nach Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention e.V.)11

Carotinoide

Sie haben vor allem in der Augenheilkunde teils präventiven als auch therapeutischen Aspekt zur Therapie der senilen Makuladegeneration (AMD), von grauem Star, zur Vorbeugung von atherosklerotischen Erkrankungen durch Reduktion der Gesamt- und der LDL-Cholesterol-Konzentration.

Phytosterole

Beta-Sitosterol findet sich gehäuft in Samen und Nüssen, Margarine, Joghurt, Rapsöl. Auch hier wird die Serum-Cholesterol-Konzentration gesenkt.

Phytoöstrogene

Pflanzliche Östrogene haben eine Ähnlichkeit zum 17-Beta-Östradiol und wirken überwiegend am Beta-Östrogenrezeptor, aber kaum am Alpha-Östrogenrezeptor (u.a. Brust, Gebärmutter).

Die Wirkung ist etwa 1:100–1000 schwächer als 17-Beta-Östradiol, sie stimulieren das SHBG in der Leber, hemmen die 5-Alpha-Reduktase (antiandrogene Wirkung), hemmen die Tyrosinkinase – möglicher antikanzerogener Wirkmechanismus –, sie modulieren die Cytochrom-P-450-Enzyme, sind antioxidativ und Leberenzym-protektiv u.v.m.

Isoflavone (Genistein, Daidzein, Gycitein im Verhältnis 10:8:1) finden sich u.a. in der Sojabohne (120–300mg/100g).

In zahlreichen epidemiologischen Studien publiziert konnte ausgeschlossen werden, dass Phytoöstrogene Brustkrebs stimulieren, sie sind präventiv sicher, sie haben außerdem auch einen positiven Einfluss (Mortality, Recurrence) auf das Mammakarzinom (cave: ER+). Phytoöstrogene sind bei der Einnahme von Tamoxifen kontraindiziert, jedoch nicht bei der Einnahme von Aromatasehemmern. Sie haben keinen bekannten Einfluss bei Chemotherapie, Strahlentherapie oder Therapien mit monoklonalen Antikörpern.

Aus heutiger Sicht kann eine präpubertäre Einnahme von Phytostöstrogen (fernöstliche Ernährung) die Inzidenz des Mammakarzinoms senken.

Der Haupteinsatzbereich der Phytoöstrogene sind menopausale Beschwerden, Gelenks- und Knochenschmerzen, Schlafstörungen, Libidostörungen u.a.

Neben den klassischen Isoflavonen seien hier noch Agnus castus (Mönchspfeffer), Rotklee, Trigonella (Bockshornklee), Nachtkerzenöl („Evening Primrose Oil“) genannt.

Cimicifuga (Traubensilberkerze) ist ein Polyphenol und kann auch bei Einnahme von Tamoxifen gegeben werden.

Libidosteigerung

Es gibt mehrere Pflanzeninhaltsstoffe (neben den Phytoöstrogenen), die die Libido bei Frauen beeinflussen können. Z.B. Maca (Lepidium meyenii), eine in Südamerika beheimatete Pflanze aus der Familie der Brassica, Ginseng (cave: ist ein Phytoöstrogen) sowie Damiana, Turnera diffusa, Safranpflanzen, die eine signifikante Hemmung des Aromataseenzyms mit höherem Testosteronspiegel erwirken und eine verstärkte Durchblutung der Klitoris beschreiben.

Bei Männern kann die Testosteronverminderung (Andropause) zu vielfältigen Symptomen führen, wie das Nachlassen der Konzentrations- und Belastungsfähigkeit, Abgeschlagenheit und Müdigkeit, Lustlosigkeit, abnehmende Sexualität und sexuelle Probleme, Gewichtszunahme/größerer Bauchumfang, Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen usw.

Pflanzliche Optionen können hier einen positiven Einfluss haben: Tribulus terrestris, Erd-Burzeldorn oder auch Erdstachelnuss genannt, stimuliert die Testosteronausschüttung und bewirkt einen Muskelaufbau. Die Saw-Palmetto/Sägepalme (240mg) hilft vor allem bei Prostatahypertrophie. Roter Ginseng, Gelee Royal, Yohimbin (Procomil) und Muira Puama, ein Potenzbaum aus Südafrika (1–2g), können zur Verstärkung der Libido und des sexuellen Interesses dienen.

Wer die Libido mehr über die Ernährung beeinflussen möchte, sollte vermehrt zu Haselnüssen und Mandeln, Lammfleisch, Kürbiskernen, Zitrusfrüchten, Austern und Sellerieknollen greifen.

Anti-Aging

Das Altern ist ein fortschreitender biologischer Prozess, der die normalen Funktionen von Zellen und Geweben beeinträchtigt und den Menschen dadurch für Krankheiten anfällig macht und damit die Sterblichkeit erhöht. Zu den externen Faktoren gehören chronische Sonneneinstrahlung, hormonelles Ungleichgewicht, Ernährungsmängel, ultraviolette (UV-)Strahlung und andere Faktoren wie Umweltverschmutzung und Rauchen.

Zu den internen Faktoren gehören die üblichen biologischen Prozesse der Zelle. Genetische Faktoren, Funktionsstörungen von miteinander verbundenen Organen und die Theorie der Anhäufung von Abfallstoffen und die Theorie der freien Radikale werden diskutiert.2

Verkürzung der Telomere

Zellen, die an Wachstum, Entwicklung und Fortpflanzung beteiligt sind, weisen hohe Konzentrationen des Enzyms Telomerase auf, das die Länge der telomeren DNA aufrechterhält. Zu diesen Zellen gehören die Stammzellen und Fortpflanzungszellen (Eizellen und Spermien). Die meisten adulten Zellen weisen jedoch eine geringe oder gar keine Expression der Telomerase auf, was dazu führt, dass diese Zellen altern und schließlich absterben.

Beim Endreplikationsproblem werden die Telomere in jeder Generation der Zelle verkürzt, bis sie im Krisenstadium der Alterung eine kritische Länge erreichen, sodass die Zelle langsam abstirbt („replikative Mortalität“).3–5

Antioxidanzien und manche sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe haben günstige Auswirkungen sowohl auf chronische als auch auf altersbedingte Krankheiten, insbesondere neurodegenerative Krankheiten und Krebs und antagonistische Wirkungen gegen die Entartung und Entzündungsprozesse im Körper und haben ebenso positive Auswirkungen auf das Immunsystem und die Verdauung.6,7

Zu den wichtigsten mit publizierter wissenschaftlicher Dokumentation zählen:

  • Bacopa monieri (Brahmi, Herpestine), Kleines Fettblatt, steigert die Aktivität der Enzyme Catalase (CAT), Glutathionperoxidase (GPX) und Superoxiddismutase (SOD).

  • Curcuma longa: reduziert die Aktivität der Cyclooxygenase-2 (COX-2), Prostaglandin E2 (PGE2), „pro-inflammatory cytokines and tumor necrosis factor-α“ (TNF-α).

  • Emblica officinalis (Amlabaum)

  • Rapamycin kann bei älteren Zellen der Ausschüttung von Entzündungsmediatoren entgegenwirken, weniger freie Radikale ausstoßen und so jüngere Zellen schützen. Aktuelle erste Studien mit Rapamycin zeigen eine verminderte Alterung der Eierstöcke, damit eine mögliche Verlängerung der Fruchtbarkeit und Verschiebung der Menopause.

Der Anti-Aging-Effekt bei den folgenden pflanzlichen Substanzen ist noch nicht ausreichend wissenschaftlich bewiesen: Panax ginseng, Polyphenole, Resveratrol, Blaubeerenextrakt, Grüner Tee, Withania somnifera (Ashwagandha, Schlafbeere)Carotinoide, Lycopin und Vitamine.

Um gesund alt zu werden, zählt neben diesen Zusätzen sicherlich die Kalorienrestriktion mit intermittierendem Fasten, regelmäßige Bewegung/körperliche Belastung und das anhaltende Trainieren der kognitiven Funktionen zu den nachweislich erfolgversprechendsten Methoden.

1 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE): Ernährungsbericht 2008. DGE 2008 2 Weinert BT, Timiras PS: Invited review: Theories of aging. J Appl Physiol (1985) 2003; 95(4): 1706-16 3 Hornsby PJ: Telomerase and the aging process. Exp Gerontol 2007; 42(7): 575-81 4 Schmidt JC, Cech TR: Human telomerase: biogenesis, trafficking, recruitment, and activation. Genes Dev 2015; 29(11): 1095-105 5 Kalmbach KH et al.: Telomeres and human reproduction. Fertil Steril 2013; 99(1): 23-9 6 Liu Z et al.: The antioxidant activity and genotoxicity of isogarcinol. Food Chemistry 2018; 253: 5-12 7 Conlon LE, Erdmann JW: Nonnutritive components in foods and cancer risk. Preventive Nutrition 2015; 215-2428 Watzl B, Rechkemmer G: Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): Ernährungsbericht 2004. DGE 2004: 325-46 9 Watzl B: Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): Ernährungsbericht 2008. DGE 2008: 335-79 10 Watzl B: Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 12. Ernährungsbericht 2012. DGE 2012: 355-74 11 Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention. https://fet-ev.eu/beratungsmaterialien/sekundaere-pflanzenstoffe/ , zuletzt abgerufen am 22.11.2023

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