Von Visualisierungen und Visionen
Bericht:
Dr. Katrin Spiesberger, MSc
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Vom 21. – 23. September fand dieses Jahr der 66. Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie im Congress Graz statt. Endlich wieder als Präsenzveranstaltung abgehalten, zog dieser Kongress viele nationale und internationale Expert*innen an.
Bereits 2020 geplant, fand heuer der HNO-Kongress endlich in Graz statt. Unter dem Motto „Visualisierungen und Visionen“ gaben namhafte nationale und internationale Expert*innen drei Tage lang ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die Kolleginnen und Kollegen vor Ort weiter.
Kongresseröffnung: stringENT und sehr lustig
Abb. 1: Thurnher und das „stringENT“-Quartett bei der Eröffnung
Neben den sogenannten „Instructional Courses“ erwarteten die Teilnehmer ab Mittwochmittag Gespräche am Runden Tisch zur Allergologie sowie zu Geruchs- und Geschmacksstörungen. Traditionell wurde der Kongress am Ende des ersten Tages offiziell eröffnet. Ein Highlight dieser Eröffnung war sicherlich die musikalische Untermalung: Im Saal Steiermark des Congresses Graz spielte das „stringENT“-Quartett mit Priv.-Doz. Dr. Georg Philipp Hammer, Graz, an der Viola und Assoz. Prof. Dr. Peter Valentin Tomazic, Graz, am Violoncello auf (Abb. 1). Kongresspräsident Univ.-Prof. Dr. Dietmar Thurnher, Graz, freute sich in seiner anschließenden Begrüßungsrede über mehr als 700 Angemeldete, von denen sich der Großteil für den Kongressbesuch vor Ort entschied. Den Begrüßungsreigen setzten Landesrätin Dr. Juliane Bogner-Strauß und der Rektor der Medizinischen Universität Graz, Univ.-Prof. Dr. Helmut Samonigg, fort, der mit seiner sehr wertschätzenden und persönlichen Rede die Zuhörer schnell für sich gewinnen konnte.
Wie jedes Jahr fanden auch die Preisverleihungen im Rahmen der Eröffnung statt: Priv.-Doz. DDr. Gerold Besser, Villach, und Dr. Nicholas Campion, Wien, durften sich über den Fahl-Wissenschaftspreis freuen. Der Wissenschaftspreis der HNO-Gesellschaft ging dieses Jahr an Dr. Daniel Dejaco, Innsbruck, Tomazic, Graz, sowie an Mohammed Zghaebi, MSc, Wien. Dr. Behzad Sayahpour, niedergelassener Facharzt in Mattersburg, durfte die Karl-Storch-Josef-Gruber-Medaille mit nach Hause nehmen und sieben HNO-Mediziner wurden zu korrespondierenden Mitgliedern der Gesellschaft ernannt. Im Anschluss daran erhielten Prof. Dr. Andreas Leunig, München, und Univ.-Prof. Dr. Gerald Wolf, Graz, jeweils die Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft.
Nicht nur für beste Unterhaltung, sondern sogar für Lachanfälle sorgte abschließend der in Graz lebende syrische Autor, Sprecher und Kabarettist Omar Khir Alanam, der anlassbezogen u.a. seine Erfahrungen mit dem österreichischen Gesundheitswesen zum Besten gab.
Emotionaler Abschied und Bekanntgabe des neuen Präsidenten
Eines der Highlights des zweiten Kongresstages war die erste Keynote Lecture des Tages: Prof. Dr. Stefan Plontke, Halle/Saale, sprach über aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Visionen für die Otologie. Besonders das Thema Glukokortikoide bei Hörsturz sorgte für viel Interesse – er sprach die bröckelnde Evidenz für diese therapeutische Maßnahme an und unterstrich damit den Bedarf an neuartigen Therapieoptionen. Auch die bahnbrechende Entwicklung der Cochlea-Implantate (CI) war Teil seines Vortrags, aber auch hier betonte er, dass die CI gut, aber noch nicht optimal wären und mit Spannung die CI der nächsten Generation erwartet werden, Stichwort optogenetische Stimulation bzw. vestibuläre Implantate.
Die zweite Keynote Lecture des Tages hielt Univ.-Prof. Dr. Herbert Riechelmann, Innsbruck, der wenige Tage nach dem Kongress seinen wohlverdienten Ruhestand antrat (Abb. 2). In seinem Vortrag über die Zukunft der Chirurgie in der HNO-Onkologie betonte er, dass viele der großen medizinischen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts ihren Ursprung in der HNO-Heilkunde haben: Die Entwicklung der Anästhesie geht auf die Hals-Kopf-Chirurgie zurück, sowohl das erste OP-Mikroskop von 1920 als auch der OP-Laser von 1972 kommen aus der HNO-Medizin und lenkten das Licht somit wieder auf das sehr passende Kongressmotto. Riechelmann präsentierte die wichtigsten Entwicklungen in der HNO-Onkologie, ließ aber auch die Meilensteine, die unter seiner Tätigkeit als Direktor der Klinik für HNO-Heilkunde an der Medizinischen Universität Innsbruck erreicht wurden, Revue passieren. Besonders berührend war die Respektsbekundung der Anwesenden: Nach diesem seinem letzten „offiziellen“ Vortrag erntete Riechelmann tosenden Applaus und Standing Ovations des Publikums, die ihn sichtlich gerührt haben.
Abb. 2a+b: Riechelmann bei seiner Keynote-Lecture im vollen Saal Steiermark
Abb. 3: Der neue Präsident Gstöttner bei der Generalversammlung
Nach der Mittagspause stand unter anderem die Generalversammlung der Österreichischen HNO-Gesellschaft auf dem Plan, bei der der neue Präsident vorgestellt wurde: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Gstöttner, Wien, wird zukünftig die Agenden der Gesellschaft vertreten (Abb. 3). Auch die Posterpreise wurden im Rahmen der Generalversammlung verliehen. Der erste Platz ging an Dr. Veronika Innerhofer, Innsbruck, deren Poster die Veränderung des intestinalen Mikrobioms bei Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom des Kopf-Hals-Bereiches und primärer Radiochemotherapie behandelte – ein besonders aktuelles Thema.
Der Donnerstagnachmittag war gespickt mit einigen interaktiven Sitzungen, einem neuen Format, das der Kongresspräsident bereits im Vorfeld angekündigt hatte und die Zuschauer zur aktiven Teilnahme motivierte. Besonders die „erfrischenden interaktiven Falldiskussionen“, die von Dr. Prisca Pondorfer-Schäfer, Graz, und Dr. Sebastian Rösch, Salzburg, vorgestellt wurden, profitierten davon. Das Publikum war aufgefordert, seine Meinung zu Diagnosestellungen oder Therapieoptionen zu besonders kniffligen Patientenfällen kundzutun, und sorgte damit für den einen oder anderen Aha-Moment.
Die Schlafmedizin wurde gegen Ende des zweiten Tages diskutiert: Unter dem Vorsitz von Dr. Birte Bender, Innsbruck, und Priv.-Doz. Dr. Thiemo Hofmann, Graz, stellten Experten auf diesem Gebiet eine Übersicht über die HNO-Therapie beim obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS) vor. Besonders spannend war Benders Vorstellung des Eingangs der Hypoglossusnerv-Stimulation in die klinische Routine. Da die OSAS-Therapie mittels CPAP („continuous positive airway pressure“) oft mit einer geringeren Adhärenz einhergeht, ist die Hypoglossusnerv-Stimulation eine logische Konsequenz zur Schließung dieser Therapielücke. Die Expertin präsentierte die beiden am europäischen Markt verfügbaren Systeme: das Inspire® Medical System sowie das Genio® Nyxoah System.
FESS im Fokus am Tag 3
Am letzten Kongresstag stand vor allem die Video-endoskopische Nasennebenhöhlen-Operation, kurz FESS, bzw. deren Anfänge im Fokus. Welcher Kongressort könnte dazu besser geeignet sein als Graz, wurde diese OP-Technik doch von der Grazer Schule – Messerklinger und Stammberger – entwickelt. Univ.-Prof. Dr. Gerald Wolf, Graz, stellte zu Beginn des „Stammberger Symposiums“ die Entdeckung dieser Technik vor, Prof. Dr. Andreas Leunig, München, referierte über die Feinheiten dieser Technik und Prof. Dr. Daniel Simmen, Zürich, fuhr mit der Weiterentwicklung fort. Alle Vortragenden spickten ihre Präsentation mit humoristischen, zum Teil auch mit aus heutiger Sicht haarsträubenden Anekdoten, die sie alle mit Stammberger bzw. Messerklinger verbanden, und schafften es so, einen äußerst unterhaltsamen und zugleich informativen Bogen zu spannen.
Abb. 4: Zorowka hielt eine Keynote Lecture zur „Standortbestimmung Phoniatrie“
Die letzte Keynote Lecture des dreitägigen Kongresses hielt Univ.-Prof. Dr. Patrick Zorowka, Innsbruck, der kurz nach dem Kongress ebenso seinen Ruhestand antrat (Abb. 4). Sein Vortrag zur Standortbestimmung der Phoniatrie widmete sich der erstaunlich jungen Geschichte der Phoniatrie und Pädaudiologie im europäischen Raum, er betonte darin aber auch die Wichtigkeit der Logopädie und gab Einblicke in Zukunftsvisionen.
Nach der Mittagspause referierten einige Expertinnen und Experten zu einem doch etwas exotischeren Thema: der Sängerstimme. Mit welchen unterschiedlichen Stimmproblemen Sänger zu kämpfen haben und was man dagegen tun kann, erörterte Univ.-Prof. Dr. Berit Schneider-Stickler, Wien, in ihrem sehr „anhörlichen“ Vortrag, der so manchen erfahrenen HNO-Mediziner Neues erfahren ließ. Im Fokus standen laryngeale Dystonien bei Sängern, die von hyperfunktionellen Dysphonien und gesangstechnischen Defiziten klar abgegrenzt werden müssen. Die Expertin erklärte, dass intensive gesangstechnische und logopädische Interventionen oft zu Verschlechterungen der Symptomatik führen, es zudem keine kausalen Therapien für laryngeale Dystonien gibt, bei fokalen Dystonien von einer längeren Bühnenpause auszugehen ist und vor allem Botulinumtoxininjektionen bei Profisängern hochriskant sind. Danach präsentierte der Sänger, Gesangslehrer und HNO-Facharzt Dr. Hubert Noe, Fürstenfeld, unter Einsatz der eigenen eindrucksvollen Stimme, mit welchen Übungen man gesanglichen Stimmproblemen entgegnen kann. Im Anschluss gab Dr. Josef Schlömicher-Thier, Salzburg, seine Erfahrungen als Festspielarzt weiter. Vom Arbeitsmediziner, der sich um die Gesundheit der Bühnenbildner kümmert, bis hin zum HNO-Arzt, der Stimmprobleme der Schauspieler betreut – Schlömicher-Thier zeigte den Umfang dieser Tätigkeit auf.
Die Biologika-Therapie bei chronischer Rhinosinusitis (CRS) ist zurzeit ja ein „hot topic“, dementsprechend wurde noch ein Update dazu gegen Ende des Kongresses vorgestellt. Dr. Immanuel Plass, Wien, präsentierte Patientenfälle und Ap. Prof. DDr. Julia Eckl-Dorna, Wien, erklärte die molekularen Wirkmechanismen hinter dieser Therapieform. Der „große Gewinner“ dieses Kongresses, Assoz. Prof. Dr. Peter Valentin Tomazic, Graz, dessen wissenschaftliches Engagement in diesen Tagen mehrfach prämiert wurde, fuhr mit dem klinischen Einmaleins der Biologikatherapie fort. Den Abschluss der Session machten Priv.-Doz. Dr. Erich Vyskocil, Wien, und Dr. Sebastian Kotz, München, die über die Chirurgie als Therapieoption bzw. das persönliche Therapiekonzept bei CRS mit Nasenpolypen sprachen.
Kongress 2023
Der 66. Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie gab Einblicke in die unglaubliche Vielfalt, die dieser Themenbereich umfasst, und bot den Kongressbesuchern während dieser drei Tage die Möglichkeit, sich in vier parallel laufenden Sitzungen zu den unterschiedlichsten Themen zu informieren. Zudem sorgte die große Industrieausstellung in den Pausen für Abwechslung und brachte den Besuchern die eine oder andere Neuigkeit am Medizinmarkt näher.
Somit bleibt nun die Vorfreude auf das nächste Jahr: Der 67. HNO-Kongress wird von 27. – 30. September 2023 in der Hofburg Wien stattfinden.
Das könnte Sie auch interessieren:
Grundlagen der Entwicklung und Physiologie des Gleichgewichts
Zur Aufrechterhaltung von statischem und dynamischem Gleichgewicht haben sich drei Systeme gemeinsam entwickelt: die Propriozeption, das optische und das vestibuläre System. Der ...
Indikation zur Hörgeräteversorgung
Hörstörungen sind weitverbreitet, insbesondere bei älteren Menschen. Eine präzise Diagnostik ist entscheidend, um die Ursache und das Ausmaß der Schwerhörigkeit zu bestimmen und die ...
YoungHNO: aktuelles Update
Mit dem HNO-Kongress in Baden neigt sich auch das Geschäftsjahr der HNO-Gesellschaft dem Ende zu. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um euch ein Update zu den aktuellen Themen zu geben.