CROI: Kongresshighlights
Bericht:
Mag. Birgit Leichsenring
Von 19. bis 23. Februar 2023 fand im US-amerikanischen Seattle die CROI, die „Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections“, statt und feierte ihr 30-Jahre-Jubiläum. Nicht nur infolge des durchaus restriktiven Registrierungsmanagements, sondern auch aufgrund des wissenschaftlichen Fokus hat die CROI eine Sonderstellung inne. Nicht selten gibt sie die Themen im HIV-Bereich vor, die auch die nachfolgenden Kongresse des Jahres begleiten.
Der Qualitätsanspruch der CROI spiegelt sich in Auswahl und Umfang der Beiträge wider. Von 1609 eingereichten Abstracts wurden etwa 60% angenommen (1005), davon 115 als Vortrag und 834 als Posterpräsentation. Mit 228 Abstracts befasste sich fast jeder vierte Beitrag mit SARS-CoV-2 und mit 61 Arbeiten waren die Mpox deutlich vertreten. Sichtbar ist auch eine Veränderung der Prioritäten in Hinsicht auf die Zielgruppen über die Jahre. So war die Gruppe der Frauen und Mädchen mit 155 Abstracts am häufigsten vertreten, gefolgt von MSM (Männern, die Sex mit Männern haben) mit 152 Beiträgen, Jugendlichen mit 76 und transidenten Menschen mit 55 Abstracts.
Einzelinfusion mit CCR5-modifizierten CD4-Zellen zeigt Effekte
Zeitgleich zur CROI wurde in„Nature Medicine“ der Fall des sogenannten „Düsseldorfer Patienten“ publiziert. Erneut gelang es, im Zuge einer Transplantation bei einem HIV-positiven Krebspatienten Stammzellen mit CCR5delta32-Deletion einzusetzen und somit eine Art Immunität gegen CCR5-trope HI-Viren aufzubauen. Der Patient ist aktuell vier Jahre ohne HIV-Therapie und es wurde kein viraler Rebound beobachtet.1
Ein Abstract der CROI befasste sich mit diesem Konzept in Form einer Ex-vivo-Gentherapie. Der Transfer der hier verwendeten autologen CD4-Zellen mit modifiziertem CCR5-Rezeptor wurde bereits auf Sicherheit und Verträglichkeit geprüft. In zwei Studien erhielten nun 18 Personen eine einzelne Infusion modifizierter CD4-Zellen und setzten die HIV-Therapie entweder fort oder ab.2
Es kam zu einer signifikanten Reduktion an HIV-DNA und somit zu einer Verringerung des viralen Reservoirs. Bei Absetzen der Therapie blieb die Viruslast teils bis zu mehrere Jahre unterdrückt. Es konnte ein Anstieg der CD4-Zellzahl um etwa 160 CD4/µl beobachtet werden. Es gab keinen Hinweis auf einen Shift zu CXCR4-tropen Viren. Als vielversprechend zeigte sich auch, dass die modifizierten Zellen bis zu 7 Jahre nach Infusion nachgewiesen werden konnten.
Die Autoren ziehen das Fazit, dass sich hier die Option einer funktionellen Heilung eröffnet, welche einen breiteren Einsatz ermöglichen könnte.
HIV-Impfstoffstudie gestoppt
Bereits Anfang 2023 wurde das Einstellen der Phase-III-HIV-Impfstoffstudie MOSAICO bekannt, die CROI gab dem Thema nochmals Raum.3 Eingesetzt wurde ein Impfschema aus Adenovirus-basiertem tetravalentem Impfstoff mit Fragmenten der HIV-env-, -gag- und -pol-Gene zum Zeitpunkt 0 und 3 Monate. Zum Zeitpunkt 6 und 12 Monate folgte eine Kombination des vorherigen Ad26.Mos4.HIV sowie eines bivalenten Impfstoffs mit gp140-Trimeren. Etwa 50 Zentren in Nord- und Südamerika sowie Europa inkludierten 3887 MSM und transidente Personen in die Studienarme Impfstoff vs. Placebo. Keiner der Teilnehmer nahm zum Zeitpunkt des Studienstarts eine PrEP ein. Alle erhielten jedoch PrEP-Beratung und ca. 10% starteten im Laufe der Studie mit einer PrEP.
Es wurden keine Sicherheitsbedenken registriert, potenzielle Nebenwirklungen traten vergleichbar in beiden Armen auf. Allerdings wurde auch keine Effektivität nachgewiesen. Die HIV-Inzidenz pro 100 Personenjahre lag in beiden Studienarmen bei 4,1 und somit über der internationalen Definition eines substanziell hohen HIV-Risikos.
MOSAICO-Studie zeigt spezielle Risikogruppe auf
Die Impfstoffstudie hatte zwar selber keinen Effekt, jedoch wurde anhand der Ergebnisse eine Personengruppe sichtbar, die mehr Aufmerksamkeit bedarf. Die höchste HIV-Inzidenz gab es in der Altersgruppe 18–20 Jahre (5,1 bzw. 5,9) sowie in den lateinamerikanischen Zentren (4,7 bzw. 4,8).3 Beratung zur HIV-Risikoreduktion und ein aktives PrEP-Angebot scheinen in der Gruppe junger lateinamerikanischer MSM und transidenter Menschen keinen adäquaten Präventionseffekt zu ermöglichen. Andere Ansätze zur nachhaltigen Verringerung der HIV-Inzidenz sind hier gefordert.
Mpox-Verlauf mit CD4-Zellzahl und Viruslast assoziiert
Von den geschätzten 85000 Mpox-Fällen entfallen 38–50% auf Menschen mit HIV. Zumeist stehen sie unter effektiver HIV-Therapie, haben eine supprimierte Viruslast und eine CD4-Zellzahl >500/µl. Bisherige Studien zeigten keinen signifikanten Unterschied im Verlauf einer Mpox-Infektion im Vergleich zu Menschen ohne HIV.
Eine auf der CROI präsentierte Auswertung von 382 Patienten mit CD4 <350/µl demonstrierte erstmals den klaren Zusammenhang zwischen Schwere des Mpox-Verlaufs und fortgeschrittener HIV-Infektion sowie nicht supprimierter Virämie (Abb. 1).4
Abb. 1: Komplikationen und Outcomes von Mpox bei Patienten mit HIV in Abhängigkeit von der CD4-Zellzahl und Viruslast (modifiziert nach Orkin C 2023)4
Die durchschnittliche CD4-Zellzahl betrug 211 CD4/µl, wobei 26,96% zwischen 100 und 200 CD4/µl und 22,3% unter 100 CD4/µl lagen. Die HI-Viruslast lag bei fast 50% der Patienten über >50 Kopien/ml.
95% aller Patienten entwickelten Mpox-assoziierte Hautläsionen, allerdings mit Unterschieden in Anzahl und Dauer der Abheilung. Bei CD4 >200/µl lag der Peak der Läsionen bei 12 (6–20) und bei CD4 <100/µl bei 30 (15–100). Die Abheilung dauerte bei CD4 >200/µl durchschnittlich 21 Tage (16–28) und bei CD4 <100/µl im Schnitt 31 Tage (21–45). Insgesamt mussten 27 Todesfälle registriert werden, alle bei Patienten mit CD4 <200/µl. Die Symptomatik dieser Fälle war geprägt durch massive nekrotisierende Läsionen, bakterielle Infektionen sowie respiratorische Komplikationen. Bei geimpften Personen kam es unabhängig vom Immunstatus zu keinem Todesfall.
Die Studie zeigte, dass die Schwere des Mpox-Verlaufs sowie das Mortalitätsrisiko mit der CD4-Zellzahl korrelieren. Einmal mehr betont dies die Dringlichkeit von HIV-Test- und Therapieprogrammen. Und sie unterstreicht, dass die Mpox-Impfung prioritär bei HIV-positiven Personen angeboten werden sollte.
Forderung: Aufnahme der Mpox in Liste opportunistischer Erkrankungen
Auf Basis der Daten zu Mpox bei Patienten mit fortgeschrittener HIV-Infektion stellen die Studienautoren die Forderung, Mpox in die Liste der opportunistischen Infektionen und Mpox-assoziierte nekrotische Läsionen zu den Aids-definierenden Erkrankungen aufzunehmen.
Zwei Aspekte stehen hier im Vordergrund:
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Der Zusammenhang zwischen CD4-Zellzahl und Mpox-Verlauf wurde deutlich gezeigt.4 Die Mortalitätsrate infolge von Mpox wurde bei einer CD4-Zellzahl <200/µl mit 15% berechnet, bei CD4 <100/µl mit 27%. Bei 93% aller Todesfälle traten schwerwiegende nekrotische Läsionen als Hauptsymptom auf. Eine Listung als opportunistische bzw. Aids-definierende Erkrankung sollte mit mehr Aufmerksamkeit dieser Risiken und z.B. Behandlungsrichtlinien einhergehen.
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Bei 9% der Studienteilnehmer wurde HIV im Zuge der Mpox-Infektion diagnostiziert. Bei 23 der 33 neudiagnostizierten Personen lag die CD4-Zellzahl <200/µl. Als opportunistische Infektion würde Mpox in internationale HIV-Testempfehlungen aufgenommen und könnte somit mehr frühere HIV-Diagnosen ermöglichen. Zusätzlich wurde die Empfehlung ausgesprochen, allen Personen, die eine Mpox-Impfung in Anspruch nehmen, gleichzeitig einen HIV-Test anzubieten.
Literatur:
1 Jensen BE et al.: In-depth virological and immunological characterization of HIV-1 cure after CCR5Δ32/Δ32 allogeneic hematopoietic stem cell transplantation. Nat Med 2023; doi: 10.1038/s41591-023-02213-x 2 Ana B Enriquez A et al.: Single infusion of stem like CCR5-modifier CD4 cells provide long-term HIV control. CROI 2023; Abstract #182 3 Buchbinder S et al.: Overview of the Mosaico HIV vaccine trial. CROI 2023; Special Session 1 4 Orkin C: Mpox in people with advanced HIV infection: a global case series. Lancet 2023; doi: 10.1016/S0140-6736(23) 00273-8
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