Eine Konferenz mit Vielfalt
Bericht:
Mag. Birgit Leichsenring
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Unter dem Titel „HIV und AIDS – (k)eine Generationsfrage“ fand vom 23. bis 25. März 2023 der 11. Deutsch-Österreichische AIDS-Kongress, kurz DÖAK, statt. Über 1000 Menschen kamen nach Bonn, um diesen Kongress nach einer Corona-bedingten Pause wieder face-to-face besuchen zu können und sich im multidisziplinären Setting auszutauschen.
Seit vielen Jahren wird der DÖAK als Kooperation der beiden HIV-spezifischen medizinischen Fachgesellschaften DAIG (Deutsche AIDS Gesellschaft) und ÖAG (Österreichische AIDS Gesellschaft) durchgeführt. Durch seinen Aufbau und seine Themenvielfalt – auch außerhalb des Themengebiets HIV/Aids – darf dem Kongress eine besondere Rolle zugestanden werden.
Besondere Stimmung durch Interdisziplinarität
Durch die Kombination von Expert*innen aus Medizin, Wissenschaft und den unterschiedlichen psychosozialen Bereichen sowie von Vertreter*innen der HIV-Community, Aktivist*innen und Aids-Hilfen ermöglicht der DÖAK einen Überblick über die HIV-Landschaft im deutschsprachigen Raum und fördert die enge Zusammenarbeit aller Bereiche. Dieses multidisziplinäre Konzept gibt der Konferenz ihre besondere Stimmung.
Mit dem World Conference Center bot Bonn nicht nur räumlich einen hervorragenden Konferenzort. Das Kongresszentrum befand sich direkt beim UN-Campus, auf dem über 25 Organisationen der Vereinten Nationen angesiedelt sind. 2022 gab UNAIDS, das Programm der Vereinten Nationen gegen HIV/Aids, bekannt, ebenfalls in Bonn ein Büro mit 45 Mitarbeiter*innen zu eröffnen. Der DÖAK befand sich somit auch thematisch an einem sehr passenden und vor allem internationalen Ort.
Schätzung zu Mpox-Immunität bei MSM
Selbstverständlich thematisierte auch der DÖAK den Mpox-Ausbruch 2022. Eine Arbeit stellte sich der Frage, bei wie vielen MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) in Deutschland eine Immunität gegen Mpox bestehen könnte.
Insgesamt wurden in Deutschland bislang ca. 3400 Mpox-Fälle gemeldet. Im Zeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 wurden knapp 65000 Impfungen erfasst, davon ca. 42500 Erstimpfungen (66%). Anhand von Umfragen zur sexuellen Orientierung sowie Daten zur Bevölkerungsstruktur wurde die Anzahl der MSM geschätzt und mit den Angaben zur Mpox-Impfung kombiniert. Es wurde vermutet, dass 13,3% der offen homosexuell lebenden Männer eine Immunität gegen Mpox haben könnten.
Die Autor*innen hielten fest, dass diese Schätzungen mit starken Unsicherheiten behaftet und nur vorsichtig zu interpretieren seien. Zusätzlich sind Ausmaß und Dauer des Impfschutzes nicht hinreichend bekannt. Dennoch verdeutlicht diese Schätzung, dass die Impfempfehlung für sexuell aktive MSM mit häufig wechselnden Partnern aufrecht werden muss.1
Trans*, intersex- und non-binäre Menschen und PrEP
Infolge häufig erlebter Diskriminierung im Gesundheitsbereich nutzen Menschen aus der trans*, intersex und non-binären Community häufig sogenannte queere Checkpoints mit Angeboten zur sexuellen Gesundheit. Eine Umfrage des Berliner Checkpoints BLN erhob den Zugang dieser Bevölkerungsgruppe zur HIV-Präexpositionsprophylaxe (HIV-PrEP).
133 Personen beantworteten die Frage, warum sie keine PrEP einnehmen würden. Nur etwas über 30% der Befragten gaben an, dass PrEP für sie persönlich nicht die richtige Präventionsstrategie sei. Andere Antworten beinhalteten Aussagen, unter anderem wie „habe zu wenig Information“, „habe noch nicht die richtige Klinik gefunden“ oder „PrEP ist für mich nicht leistbar“. Diese Antworten spiegeln somit nicht individuelle Reflexion, sondern strukturelle Aspekte wider.
Die Befragung veranschaulicht, dass Angebote zu sexueller Gesundheit und somit auch zu HIV-PrEP für Menschen aus der trans*, intersex und non-binären Community ausgebaut und besser zugeschnitten sein müssen.2
Ist der CPE-Score noch relevant?
Ziel der HIV-Therapie ist neben supprimierter Virämie und Immunrekonstitution unter anderem die Prävention neurokognitiver Defizite. Um die Liquorgängigkeit von HIV-Medikamenten und damit den potenziellen Einfluss auf neurokognitive Faktoren zu bewerten, wurde 2008 von Dr. Scott Letendre der „CNS-penetration-effectiveness“(CPE)-Score erarbeitet. Es stellt sich dieFrage, ob der CPE-Score mit heutigen Therapiekonzepten und -Regimen noch Relevanz hat. Hierfür wurden neuropsychologische Standardtests von 4000 Patient*innen aus dem Zeitraum 2007 bis 2020 ausgewertet.
Die Autor*innen zogen das Fazit, dass moderne HIV-Therapien die CPE-Score-Kriterien automatisch erfüllen. Zusätzlich wurde keine nachteilige Veränderung beobachtet, wenn supprimierte Patient*innen auf eine Dualtherapie wechselten. Der CPE-Score scheint für die Wahl der Therapiestrategie heutzutage keine Relevanz mehr zu haben.3
DKK-3 als potenzieller Biomarker für CKD-Progression
Das Risiko für chronische Nierenerkrankungen („chronic kidney disease“; CDK) ist bei Personen mit HIV erhöht. Standardisiert verwendete Biomarker zur Beurteilung einer CKD (z.B. Kreatinin) sind jedoch nicht für eine Prognose zum Fortschreiten einer CKD geeignet. Das DKK3-Protein, Teil einer Signalkaskade in der Fibrose-Entstehung, könnte hingegen Aussagen über den Fortschritt der CKD liefern.
Bei 427 Patient*innen mit HIV wurde dieDKK3-Konzentration bestimmt und mit Nierenfunktionsanalysen der letzten Monate verglichen. Die gemessenen DKK-3-Werte zeigten einen signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe mit und ohne CKD. Innerhalb der Gruppe mit CKD war ebenfalls ein deutlicher Unterschied bei Patient*innen mit und ohne CKD-Progression zu sehen (Abb 1).4 Ob der Biomarker DKK-3 zur Identifikation von Personen mit fortschreitenderCKD zukünftig eingesetzt werden kann, soll nun in weiteren Studien geprüft werden.
Abb. 1: DKK3-Konzentrationen können CKD sowie fortschreitende CKD identifizieren (modifiziert nach Callensee L et al. 2023)4
Inzidenzraten von Aids-Diagnosen veranschaulichen Therapieerfolg
Moderne HIV-Therapien verhindern bei rechtzeitigem Start die Diagnose Aids. Um diese Reduktion darzustellen, wurden die Inzidenzraten von erstmals auftretenden Aids-definierenden Ereignissen von 1999 bis 2018 aus zwei großen deutschen Kohorten ausgewertet.
Die Inzidenzraten (IR) pro 1000 Personenjahre wurden nach Zeitpunkt und Transmissionsweg verglichen.5 Daten von knapp 23000 Patient*innen mit 1832 Aids-definierenden Ereignissen gingen in die Studie ein.5 Die höchste IR war mit 45,6 im ersten Jahr nach Einschluss zu sehen. Im Laufe des Beobachtungszeitraums sank sie bis auf 4,1. Die Subanalyse zeigte jedoch, dass die IR bei intravenösen Drogengebraucher*innen auch nach 15 Jahren auf höherem Niveau verblieb (12,3) (Abb. 2). Um diesen Unterschied zu erklären, sind vermutlich Aspekte wie Diagnosezeitpunkt, Adhärenz und allgemeiner Gesundheitszustand zu berücksichtigen.5 Insgesamt spiegelte die Auswertung sehr anschaulich die Erfolge in der HIV-Therapie wider.
Abb. 2: Inzidenzraten Aids-definierender Ereignisse pro 1000 Personenjahresanken zwischen 1999 und 2018 deutlich (modifiziert nach Pantke A et al. 2023)5
Literatur:
1 Stratil J et al.: Mpox-Infektionen und Impfungen in Deutschland bei Männern, die Sex mit Männern haben. DÖAK 2023, Bonn; P81107 2 Kohl J et al.: Trans, inter, non-binary day at Berlins queer sexual health centre. DÖAK 2023, Bonn; P81116 3 Arendt G et al.: Is the “CNS-Penetration-Effectiveness-(CPE)-Score” relevant in modern HIV-medicine? DÖAK 2023, Bonn; P81051 4 Callensee L et al.: Dickkopf 3 - a new biomarker for kidney disease progression in people living with HIV? DÖAK 2023, Bonn; P81042 5 Pantke A et al.: Incidence rates of the progression to AIDS among people living with HIV under clinical care, a German cohort study, 1999–2018. DÖAK 2023, Bonn; P81016
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