Achondroplasie: kinderorthopädische Betreuung im Wachstumsalter
Autoren:
Dr. Gabriel T. Mindler
Ass. Dr. Alexandra Stauffer
Priv.-Doz. Dr. Christof Radler
Prim. Doz. Dr. Rudolf Ganger PhD
Abteilung für Kinderorthopädie und Fußchirurgie Orthopädisches Spital Speising, Wien Vienna Bone and Growth Center
Korrespondierender Autor:
Dr. Gabriel T. Mindler
E-Mail: gabriel.mindler@oss.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die Betreuung von Patienten mit Achondroplasie ist nach wie vor eine Herausforderung in der Kinderorthopädie, da sich die Behandlung sehr individuell gestaltet und ein multidisziplinäres Setting notwendig ist. Wichtige kinderorthopädische Meilensteine der Achondroplasie im Wachstum und mögliche Therapieoptionen sollen im Überblick dargestellt werden.
Keypoints
-
Unterschiedliche Altersstufen weisen verschiedene krankheitstypische klinische Merkmale auf.
-
Frühkindliche Förderung von motorischen und sozialen Kompetenzen ist für die Entwicklung von Kindern mit Achondroplasie wichtig.
-
Die individuelle Wahl der chirurgischen Therapie ist vom Patienten- und Familienwunsch abhängig, es gilt jedoch Deformitäten der unteren Extremität bestmöglich zu korrigieren.
-
Eine spezialisierte Betreuung in einem multidisziplinären Setting steht im Mittelpunkt der Behandlung.
Achondroplasie (ORPHA:15, OMIM #100800) gilt mit einer Inzidenz von 1/25000 bis 1/30000 Geburten als eine seltene Knochenerkrankung und stellt die häufigste Form der Chondrodysplasie dar. Ursächlich für diese autosomal dominante Erkrankung ist eine Mutation im FGFR3-Gen, das eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Längenwachstums von Knochen spielt.1 Verschiedene krankheitstypische klinische Merkmale können in unterschiedlichen Altersstufen festgestellt werden. Altersspezifisch ist in der kinderorthopädischen klinischen Untersuchung darauf zu achten.
Erstvorstellung des Neugeborenen
Die kinderorthopädische Erstvorstellung erfolgt häufig bereits unmittelbar nach der Geburt. Aufgrund unklarer Hüftultraschallergebnisse im Zuge der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen in den ersten Lebenswochen wird oftmals die kinderorthopädische Zweitmeinung eingeholt.
Durch den Säuglingshüftultraschall können typische Veränderungen der Achondroplasie beschrieben werden.2 Die Hüftsonografie nach Graf kann aufgrund der Pathoanatomie (tiefe Hüftpfanne mit ausgeprägtem Knorpel) bei diesen Hüften nicht sachgemäß vermessen werden. Dennoch können charakteristische Veränderungen im Ultraschall beschrieben werden und dieser kann als standardisierte diagnostische Maßnahme eingesetzt werden. Ein Beckenübersichtsröntgen kann bei unklarer Ultraschalldiagnostik zusätzliche Informationen zu krankheitstypischen Veränderungen liefern (Abb.1a). Eine abnorme Beckenform mit kleinen, rechteckigen Beckenschaufeln und einer auffälligen Sitzbeininzisur kann beobachtet werden (Abb.1b).
Abb. 1: a) Hüftultraschall bei einem 6 Wochen alten weiblichen Säugling. Typische Veränderungen, wie flaches Pfannendach und verdickter Knorpel, sind erkennbar. b) Beckenübersichtsröntgen derselben Patientin mit 12 Monaten. Die veränderte Pfannenkonfiguration mit horizontalem Verlauf des Pfannendachs sowie eine typisch veränderte Beckenschaufelform und Spina ischiadica kommen nun radiologisch noch offensichtlicher zur Darstellung
Säuglingsalter
Im Säuglingsalter sowie über die gesamte Kindheit steht die spezialisierte pädiatrische Betreuung in einem multidisziplinären Setting im Mittelpunkt der Behandlung. Dazu zählt die Bestimmung der Foramen-magnum-Weite mittels Magnetresonanztomografie als wichtigster diagnostischer Schritt. Eine Foramen-magnum-Stenose kann sich bereits früh entwickeln und mit beträchtlichen Einschränkungen wie auch erhöhter Mortalität einhergehen. Deshalb sollte sich der behandelnde Kinderorthopäde, nicht zuletzt auch bei der klinischen Untersuchung, der Planung von orthopädischen Eingriffen sowie der Beratung bezüglich alltäglicher und künftiger sportlicher Aktivitäten, dieser Tatsache bewusst sein.
Zukünftig könnte die pädiatrische Betreuung der Achondroplasie durch die medikamentöse Therapie mit Antikörpern im Kleinkindalter einen noch größeren Stellenwert erlangen.1 Dazu sind derzeit zwar Studien in Arbeit, allerdings liegen noch keine kinderorthopädischen Daten bzw. eine Medikamentenzulassung in Österreich vor.
Zur Beurteilung des Wachstums sollten Achondroplasie-Referenzwerte herangezogen werden. Für die Körpergröße, Sitzhöhe und Beinlänge kann mittlerweile auch die Multiplier-App verwendet werden (Sinai Hospital of Baltimore, Inc.).
Die gewohnten Meilensteine der ersten zwei Lebensjahre treten bei Kindern mit Achondroplasie etwas verzögert auf.3 Krankheitstypisch kann in den ersten Lebensmonaten durch Beginn des Sitzens und durch eine muskuläre Hypotonie eine thorakolumbale Kyphose (Gibbus) als kinderorthopädische Besonderheit beobachtet werden. Diese sollte flexibel sein und im Wachstum rückläufig, sodass Observanz sowie physiotherapeutische Betreuung zur Muskelkräftigung meist ausreichen.
Der Gehbeginn ist ein guter Zeitpunkt für eine weitere kinderorthopädische Kontrolluntersuchung, um das Vorliegen typischer Veränderungen wie varischer Beinachsen und einer verminderten Tibiatorsion, die zu einem Einwärtsgang mit Stolperneigung führen kann, zu überprüfen.
Während diese Deformitäten im Kleinkindalter häufig noch keiner Intervention bedürfen, gilt es andere Gefahren, die in diesem Alter auftreten können, zu beachten. Im Säuglings- und Kleinkindalter bestehtauf Grund der veränderten Anatomie des Schädels und der HWS bereits ein beträchtlich erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Ereignisse, welche mit akuter Atemnot einhergehen. Eine Studie beschrieb dabei eine Inzidenz von 3,8% bei unter Einjährigen (am häufigsten sogar innerhalb der ersten 6 Lebensmonate). Die meisten Ereignisse traten im Kindersitz während Autofahrten auf, daher erscheint hier die richtige Wahl eines gut passenden Kindersitzes mit adäquater Kopfstütze sinnvoll.4 Ein erhöhtes Mortalitätsrisiko durch Kompression des Hirnstamms besteht laut einer multizentrischen Studie bis zum 4. Lebensjahr.5
Die frühkindliche Förderung (von motorischen und sozialen Kompetenzen) mit adäquater Rehabilitation und altersentsprechender Physiotherapie ist sowohl für die Entwicklung von Kindern mit Achondroplasie als auch für die optimale Unterstützung der Eltern dringend empfehlenswert.
Kindes- und Jugendalter
Kleinwuchs als psychosozialer Faktor kommt häufig erstmals im Kindergartenalter im direkten Vergleich mit Gleichaltrigen besonders stark zum Tragen.
Dies ist auch der Zeitpunkt, an dem Eltern nach kinderorthopädischer Beratung mit einem ersten wichtigen Entscheidungsschritt konfrontiert sind: Wird eine chirurgische Reproportionierung der oberen und unteren Extremitäten mit multiplen Operationen gewünscht? Wenn dies als Ziel gesetzt wird, sollte bereits im Vorschulalter ein erster Schritt zur beidseitigen Verlängerung der Beine mit externem Fixateur an einem spezialisierten Zentrum durchgeführt werden.
Abb. 2: 13 Jahre alter Knabe mit Achondroplasie. a,b)präoperatives Röntgen, c,d) nach 5cm Knochenverlängerung mittels Verlängerungsnagel (Precice, NuVasive). Gute Kallusbildung bei der Verlängerungsstrecke erkennbar, e,f)im Verlauf ausgezeichnete knöcherne Konsolidierung derVerlängerungsstrecke
Es gilt jedoch grundsätzlich zu betonen, dass knochenverlängernde Maßnahmen bei der Achondroplasie keinesfalls mit kosmetischen Knochenverlängerungen verglichen werden dürfen. Die funktionellen Vorteile durch Armverlängerung (bessere intime Hygiene und Körperpflege) und Beinverlängerung (erhöhte Schrittlänge, geringere Probleme bei Sesselwahl, Erreichen von Lichtschaltern) sind offensichtlich. Zusätzlich kann sich auch ein positiver Einfluss aus psychologischer Sicht ergeben.6 Eine Vielzahl an Methoden der Knochenverlängerung steht zur Verfügung. Für die Achondroplasie haben sich zur Unterschenkelkorrektur zirkuläre externe Fixateure, für die Oberschenkel unilaterale Fixateure oder auch (sofern knöchern möglich) Verlängerungsmarknägel (Abb.2) bewährt. Die kurzen und häufig recht weichteilstarken Extremitäten stellen dabei eine technische Herausforderung dar. Die grundsätzlich eher gute Knochenheilung sowie eine generelle Bandlaxizität erlauben hingegen auch größere Knochenverlängerungen bei Achondroplasie.
Im Kindesalter gilt es besonders auf Beinachsenabweichungen zu achten. Schwere varische Abweichungen können mit Wachstumslenkung (z.B. Hemiepiphyseodese des distalen lateralen Femurs sowie der proximalen lateralen Tibia), je nach zuvor durchgeführter radiologischer Deformitätenanalyse, korrigiert werden.
Das reduzierte Wachstum bei Achondroplasie ist jedoch der limitierende Faktor und die Operation muss in weit jüngerem Alter als gewohnt durchgeführt werden.7
Eine typische Varusfehlstellung der distalen Tibia mit einhergehendem Fersenvarus sowie Maltorsion des Unterschenkels mit Einwärtsgang kann leider nicht adäquat mit Wachstumslenkung adressiert werden und macht deshalb gegebenenfalls Umstellungs- bzw. derotierende Osteotomien notwendig. Bei der Verwendug von zirkulären Ringfixateuren können diese dreidimensionalen Korrekturen bei entsprechender Planung auch mit einer simultanen Knochenverlängerung kombiniert werden.
In der klinischen Untersuchung der Wirbelsäule im Kindesalter fällt zusätzlich die Entwicklung einer stärkeren Lendenwirbelsäulenlordose auf. Zusätzlich muss auf Hinweise einer spinalen Instabilität (HWS) geachtet werden – vor allem bei der Planung von operativen Eingriffen. Spezifische Anästhesieleitlinien sind verfügbar (https://www.orpha.net/data/patho/Ans/de/Achondroplasie-DE.pdf).
Streckdefizit der Ellbogen sowie Hyperlaxizität/Instabilität der Kniegelenke treten als weitere achondroplasietypische Merkmale deutlicher hervor. Immer bedeutender werden im Schulalter auch sportliche Aktivitäten. Diesbezüglich müssen individuelle Beratungsgespräche geführt werden.
Kinder mit Achondroplasie haben eine reduzierte aerobe Kapazität, eine reduzierte Muskelkraft, erhöhte Atemfrequenz und reduzierte Lungenvolumina im Rahmen von körperlichen Aktivitäten.8 Die spinale Situation sowie eine mögliche Kniegelenksinstabilität sind ebenfalls limitierende Faktoren. Generelle Sportempfehlungen können leider nicht ausgesprochen werden, da die Studienlage bezüglich Sport und Achondroplasie noch sehr unzureichend ist. Von Trampolinspringen, Kontaktsportarten und Skifahren gilt es jedoch eher abzuraten; letztendlich kann eine HWS-Instabilität nie gänzlich ausgeschlossen werden.
Es gibt wohl im kinderorthopädischen Setting kaum eine Erkrankung, bei der sich die Beratung bzw. die Entscheidungsfindung dermaßen individuell gestaltet und von Familie zu Familie unterscheidet wie bei der Achondroplasie. Manche Eltern zielen klar auf möglichst normale Körperproportionen und Körpergröße ab und nehmen dafür multiple aufwendige rekonstruktive Schritte in Kauf. Andere Familien lehnen hingegen knochenverlängernde Schritte gänzlich ab. Ein weiterer vertretener Standpunkt ist das Abwarten, bis Betroffene im Adoleszentenalter selbst mitentscheiden können.
Adoleszenz
Im Adoleszenzalter treten individuelle Wünsche stärker hervor. Die sportliche Aktivität wird zunehmend wichtiger. Da Personen mit Achondroplasie bekannterweise eine erhöhte Adipositasneigung und somit ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse haben, ist Bewegung grundsätzlich zu fördern.9 Moderate sportliche Betätigungen sind als positiv zu werten.
Die Knieinstabilität kann dabei, mehr als zuvor, als wichtiger Faktor in den Vordergrund rücken. Die Knieanatomie zeigt bei Achondroplasie typische Veränderungen wie häufigen Scheibenmeniskus, tiefe Trochlea und einen veränderten Kreuzbandverlauf.10 Eine Überstreckbarkeit des Kniegelenks ist häufig durch einen pathologischen tibialen Slope mitverursacht. Laterale Knieinstabilität wird durch einen typischen Hochstand des Fibulaköpfchens verursacht.11 Therapeutisch besteht die Möglichkeit, bei rekonstruktiven Eingriffen mit externen Fixateuren durch spezielle Techniken sowohl eine Fibuladistalisierung als auch eine Korrektur des tibialen Slopes (mit simultaner Knochenverlängerung) zu erreichen. Die Stabilität des Kniegelenkes kann so verbessert werden, dies führt zu einem entscheidenden Benefit in der alltäglichen Belastbarkeit und somit auch im Gangbild von Betroffenen (siehe Abb. 3).
Abb. 3:a) 5 Jahre alter Knabe mit Hypochondroplasie vor mehrfachen Rekonstruktions- und Verlängerungsoperationen beider Beine. b,c) Als erster rekonstruktiver Schritt fand eine Verlängerung beider Unterschenkel mit zirkulärem Fixateur (Taylor Spatial Frame, Smith and Nephew) mit gleichzeitiger Distalisierung des Wadenbeinköpfchens (Korrektur der Bandlaxizität des lateralen Seitenbandes) sowie simultaner Korrektur des tibialen Slopes, der Innenrotation und der Varusfehlstellung statt. d) Mit 10 Jahren erfolgte die Verlängerung mit unilateralem Fixateur (LRS pediatric, Orthofix) an beiden Oberschenkeln. e) Das Follow-up-Röntgen mit 13 Jahren zeigt eine gute frontale Achskorrektur nach insgesamt 9,5cm Knochenverlängerung pro Bein. Eine Hemiepiphyseodese (Plättchen an der linken proximalen lateralen Tibia) wurde zur Optimierung der geringen restlichen O-Bein-Fehlstellung implantiert. Durch komplexe Rekonstruktionsschritte konnten sowohl Körpergröße (9,5 cm Verlängerung), eine frontale Achskorrektur (O-Bein-Korrektur), die Verbesserung der Kniestabilität (Tibial-Slope-Korrektur und Fibuladistalisierung) als auch die Korrektur des Einwärtsgangs mit damit einhergegangener Stolperneigung (knöcherne Korrektur der tibialen Maltorsion) erzielt werden
Die Hyperlordose tritt bereits bei Gehbeginn auf, verläuft jedoch in den meisten Fällen asymptomatisch bis ins Jugendalter. Nur gelegentlich kommt es zum Auftreten von Beschwerden im Bereich des Steißbeins, welche gut mit konservativen Methoden behandelt werden können.1 Typische durch die Achondroplasie verursachte Veränderungen der Wirbelsäule sind die Einengung des gesamten Spinalkanals, kurze und breite Pedikel und ein verminderter Interpedikelabstand. Dies führt oft auch zu einer Einengung der Neuroforamina.12 Mit der Zunahme der körperlichen Aktivität kann eine intermittierende spinale Claudicatio auftreten, dabei stehen Beschwerden wie Rücken- und Gesäßschmerzen, Sensibilitätsstörungen und ein Schweregefühl der Beine im Vordergrund. In den meisten Fällen führt ein Stoppen der Aktivität innerhalb von einigen Minuten zu einer Linderung der Symptome. Anhaltende und sogar fortschreitende Beschwerden treten selten vor dem 15. Lebensjahr auf. Eine Verschlechterung äußert sich unter anderem durch motorische Ausfälle oder ein verändertes Harn-/Stuhlverhalten und macht eine operative Therapie notwendig, damit dauerhafte Folgeschäden vermieden werden können.12 In diesen Fällen kann eine knöcherne Dekompression der Nervenwurzeln notwendig sein. Diese Eingriffe sollten allerdings nur von erfahrenen Wirbelsäulenchirurgen an spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
Das Mortalitätsrisiko infolge einer Hirnstammkompression sinkt zwar mit dem Alter, dennoch ist die Altersgruppe der Jugendlichen vor allem von lebensbedrohlichen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr betroffen.5
Transition
Wir versuchen die Transition in einem multidisziplinären Setting zu ermöglichen. Aus kinderorthopädischer Sicht wird ein gutes knöchernes Alignment der Beine am Wachstumsende angestrebt, um optimale Voraussetzungen für die weiteren biomechanischen Belastungen, ein bestmögliches Gangbild und somit eine gute Lebensqualität zu gewährleisten.
Knochenverlängernde Operationen und Achskorrekturen können natürlich auch im Erwachsenenalter erfolgen – der Wunsch dazu besteht allerdings meist schon im Kindes- und Jugendalter.
Noch stärker im Erwachsenenalter hervortretende Spinalkanalstenosen können von Wirbelsäulenspezialisten sowohl konservativ als auch operativ behandelt werden. Gelenksabnützungen, deren Versorgung bei Patienten mit Achondroplasie eine Herausforderung für Endoprothetiker darstellt, müssen ebenfalls an spezialisierten Zentren behandelt werden.
Conclusio
Die Achondroplasie ist eine komplexe Erkrankung, Betroffene bedürfen einer multidisziplinären Betreuung von Geburt an. Eine neue medikamentöse Therapie ist in Erprobung, allerdings sind die Auswirkungen auf die kinderorthopädische Betreuung noch ungewiss. Die aktuelle Forschung weist immer stärker auf eine höhere Morbidität und Mortalität sowie den bedeutsamen psychosozialen Aspekt dieser Skelettdysplasie hin. Eine kinderorthopädische Betreuung sollte von Geburt an erfolgen und die individuellen Bedürfnisse der Familie respektieren. Häufig auftretende dreidimensionale Beindeformitäten sollten bei Wunsch mit, ansonsten auch ohne simultane Knochenverlängerung mit adäquaten Operationsmethoden behandelt werden.
Das VBGC (Vienna Bone and Growth Center) bietet ein multidisziplinäres Setting zur Betreuung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Achondroplasie. Dabei erfolgt die Hauptbetreuung im AKH Wien (Team der pädiatrischen Endokrinologie/Osteologie, Leitung: Prof. Dr. Gabriele Häusler, Team der Neuropädiatrie, Leitung: Prof. Dr. Rainer Seidl, Prof. Dr. Michael Freilinger), wo die pädiatrische Betreuung (Wachstumskontrolle, Koordination wichtiger Untersuchungen wie HNO, Neuro, MRTs etc., physiotherapeutische Betreuung) im Vordergrund steht. Parallel dazu werden Patienten kinderorthopädisch und orthopädisch im Orthopädischen Spital Speising von Geburt an bis ins Erwachsenenalter betreut. Zusätzlich wird an einer patientenorientierten Betreuung durch gezielte Kleingruppen-Reha-Aufenthalte (Kokon Reha, Leitung Primaria Dr. Anna Cavini) gearbeitet (erstmals Kleinkindergruppe im Jahr 2020). Des Weiteren erfolgt die enge Zusammenarbeit mit Betroffenen (Bundesverband Kleinwüchsiger Menschen und Familien e.V., BKMF Österreich). Mit der Gründung des Arbeitskreises „Kleinwuchs und Bewegung“ der Dwarf Experts (Arbeitskreis des BKMF, Leitung: Dominik Helpferer) gemeinsam mit einem multidisziplinären Team des VBGC (Pädiatrie, Kinderorthopädie und Physiotherapie) wird zusätzlich versucht, auf Patientenbedürfnisse einzugehen und Leitlinien zu Bewegung und Sport für kleinwüchsige Personen auszuarbeiten.
Literatur:
1 Pauli RM: Achondroplasia: a comprehensive clinical review. Orphanet J Rare Dis 2019; 14(1): 1 2 de Pellegrin M, Moharamzadeh D: Ultrasound hip evaluation in achondroplasia. J Pediatr Orthop 2008; 28(4): 427-31 3 Ireland PJ et al.: The effect of height, weight and head circumference on gross motor development in achondroplasia. J Paediatr Child Health 2013; 49(2): E122-7 4 Legare JM et al.: Achondroplasia is associated with increased occurrence of apparent life-threatening events. Acta Paediatr 2021; 110(6): 1842-6 5 Hashmi SS et al.: Multicenter study of mortality in achondroplasia. Am J Med Genet A. 2018; 176(11): 1359-64 6 Kim SJ et al.: Is bilateral lower limb lengthening appropriate for achondroplasia?: midterm analysis of the complications and quality of life. Clin Orthop 2012; 470(2): 616-21 7 McClure PK et al.: Growth Modulation in Achondroplasia. J Pediatr Orthop 2017; 37(6): e384-7 8 van Brussel M et al.: The Utrecht approach to exercise in chronic childhood conditions: the decade in review. Pediatr Phys Ther 2011; 23(1): 2-14 9 Madsen A et al.: Anthropometrics, diet, and resting energy expenditure in norwegian adults with achondroplasia. Am J Med Genet A 2019; 179(9): 1745-55 10 del Pilar Duque Orozco M et al.: Arthroscopic knee anatomy in young achondroplasia patients. J Child Orthop 2017; 11(3): 169-74 11 Ain MC et al.: Genu varum in achondroplasia. J Pediatr Orthop 2006; 26(3): 375-9 12 Schkrohowsky JG et al.: Early presentation of spinal stenosis in achondroplasia. J Pediatr Orthop 2007; 27(2): 119-22
Das könnte Sie auch interessieren:
Instabilität der Schulter und des Ellbogens im Wachstumsalter
Gelenksinstabilität der Schulter und des Ellbogens gelten immer noch als komplizierte Themen und haben eine relevante Dunkelziffer, ganz besonders bei Patient:innen im Wachstumsalter. Es ...
Das stabile Handgelenk – Übungsprogramme und deren Effekte
Ein instabiles Handgelenk resultiert aus einer Dysfunktion des Zusammenspiels der entsprechenden Strukturen. Durch die Anwendung von darauf abgestimmten Übungsprogrammen kann das ...
Die arthroskopische Behandlung von Kahnbeinpseudarthrosen
Kahnbeinpseudarthrosen stellen nach wie vor eine Herausforderung in der Handchirurgie dar. Unbehandelt führen sie häufig nach einigen Jahren zur Handgelenksarthrose und sind nur mehr ...