Rehabilitation: ein Blick in die Schweiz und nach Österreich
Autorin:
Dr.in Monika Mustak-Blagusz
Chefärztin der Pensionsversicherung (PV), Wien
ehem. Ärztliche Direktorin der Zürcher Rehazentren in der Klinik Davos
E-Mail: monika.mustak-blagusz@pv.at
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Das ICF-Modell der WHO ist in beiden Ländern die Basis – Unterschiede gibt es dennoch.
Keypoints
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Basis der Rehabilitation ist in beiden Ländern das ICF-Modell. Es gilt, bei jeder einzelnen Patientin/jedem einzelnen Patienten das Partizipationsziel festzulegen. Die notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen orientieren sich an den definierten Zielen.
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In der Schweiz ist die OKP, die obligatorische Krankenpflegeversicherung, als Leistungsträger zuständig. In Österreich ist die Pensionsversicherung zuständig für alle nichtselbstständig Versicherten, die nicht dauerhaft in Pension sind.
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DefReha© ist in der Schweiz jenes Dokument, das Definitionen und Mindestanforderungen der stationären Rehabilitation regelt. In Österreich ist der Rehabilitationsplan das maßgebliche Dokument.
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Die Tätigkeit in interdisziplinären und multiprofessionellen Teams gemeinsam mit den Patient:innen, das Arbeiten an den definierten Zielen und das Vorbereiten auf die Zeit nach der Reha sind wesentliche Voraussetzungen zur Erreichung des Partizipationszieles.
Rehabilitation ist ein wichtiger Grundpfeiler der Gesundheitssysteme verschiedenster Länder. Dr.in Monika Mustak-Blagusz ist Chefärztin der Pensionsversicherung, dem größten Anbieter von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen in Österreich. Ihre langjährige Tätigkeit in der Schweiz hat ihr aber auch die Möglichkeit gegeben, einen tieferen Einblick in den Bereich der Rehabilitation des Nachbarlandes zu erlangen.
Reha-Grundlagen
Bereits 1981 wurde in einer Konferenz in Genf von Fachexpert:innen die WHO-Definition für Rehabilitation festgelegt (Abb. 1). Rehabilitation bedeutet demnach den koordinierten Einsatz medizinischer, sozialer, beruflicher, pädagogischer und technischer Maßnahmen unter Miteinbeziehung des Umfeldes und personenbezogener Faktoren zur Funktionsverbesserung, zum Erreichen größtmöglicher Eigenaktivität und zur Partizipation in allen Lebensbereichen, damit Betroffene in ihrer Lebensgestaltung so frei wie möglich werden.
Abb. 1: Definition der Rehabilitation
Schweiz
Am 24. November 2022 wurden im Rahmen der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektor:innen Empfehlungen verabschiedet, wie die Spitallisten Rehabilitation in den Kantonen gestaltet werden sollten. DefReha©3.0 beschreibt Leistungen, Arten und Querschnittsbereiche der Leistungserbringung und beinhaltet auch Informationen über die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der stationären Rehabilitation. In dem Dokument werden somit die Begrifflichkeiten der stationären Rehabilitation gesamtschweizerisch für die somatische und die psychosomatische stationäre Rehabilitation definiert. Es liefert aber auch den Zuweiser:innen zur Rehabilitation eine wertvolle Unterstützung für die Anmeldung von Patient:innen. Die Version 3.0 wurde im Dezember 2020 verabschiedet.
Die Rehabilitation ist in der Schweiz neben der Akutmedizin und der Psychiatrie ein wichtiger Pfeiler im Gesundheitssystem. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Zu diesen Leistungen zählen auch die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation. Für die Übernahme der Kosten einer stationären Rehabilitation muss eine vorgängige Gutsprache des Versicherers vorliegen, der die Empfehlungen der Vertrauensärztin/des Vertrauensarztes berücksichtigt.
Die Versicherten in der Schweiz können grundsätzlich unter den Reha-Kliniken, die auf der Spitalliste ihres Wohnkantons aufgeführt sind, frei wählen. Die Maßnahmen müssen den WZW-Kriterien entsprechen, das heißt, sie müssen wirksam, zweckmäßig und wirtschaftlich sein.
In den Reha-Kliniken kann auch von einer Zusatzversicherung Gebrauch gemacht werden und Patient:innen können bei Leistungsanspruch halbprivat oder privat aufgenommen werden. Mit Ausnahme der Schweizer Unfallversicherung (SUVA) haben die Versicherungsträger in der Regel keine eigenen Einrichtungen. Stattdessen bestehen Verträge zwischen den einzelnen Versicherungsträgern und den jeweiligen Reha-Kliniken.
Österreich
Das Grundsatzpapier der Rehabilitation in Österreich ist der Rehabilitationsplan 2020. Die Grundlagen für die medizinische Rehabilitation in Österreich finden sich insbesondere im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Dort sind Regelungen über den Umfang der medizinischen Rehabilitation, die Zuständigkeit für die Gewährung der Maßnahmen und Festlegungen zu den Anspruchsberechtigten festgeschrieben. Zudem gibt es weitere Sondergesetze. Planungsgrundlagen im Rehabilitationsbereich sind insbesondere Rehabilitationsplan, Rehabilitations-Evidenz, der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) bzw. die Verordnung zum ÖSG (ÖSG VO) sowie der Regionale Strukturplan Gesundheit (RSG). Die Leistungsbeschreibung ist wiederum im sogenannten Medizinischen Leistungsprofil enthalten.
Die Pensionsversicherung erbringt Rehabilitationsleistungen und Leistungen der Gesundheitsvorsorge für unselbstständig Erwerbstätige sowie für Bezieher:innen befristeter Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspensionen.
In Österreich haben die Sozialversicherungsträger eigene Einrichtungen und auch Vertragspartner. Die Pensionsversicherung (PV) betreibt 15 stationäre Reha-Zentren und zwei Zentren für ambulante Rehabilitation zur Erbringung der notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen.
Die Basis: das ICF-Modell der WHO
Entsprechend der oben genannten WHO-Definition ist das ICF(International Classification of Functioning, Disability and Health)-Modell die Basis der Rehabilitation (Abb. 2). Der Leitgedanke zur Zielsetzung für die individuelle Patientin/den individuellen Patienten besteht darin, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit so weit wiederherzustellen, dass die Teilhabe im eigenen Lebensbereich gewährleistet werden kann. Die Zieldefinition erfolgt immer gemeinsam mit den Patient:innen und soll deren Eigenverantwortung fördern sowie die Kenntnisse der Erkrankung verbessern.
Abb. 2: Das ICF-Modell der WHO ist die Basis der Rehabilitation
Stellung der Rehabilitation in der Behandlungskette
Schweiz
In der Schweiz wird im Akutkrankenhaus das akute Ereignis behandelt, Diagnosen werden gestellt, Exazerbationen von chronischen Erkrankungen behandelt und es wird dafür gesorgt, dass die Patient:innen so stabil sind, dass sie das Spital verlassen können.
Die Patient:innen benötigen nach dem Akutaufenthalt oft noch weitere Behandlungen und Therapien und treten in der Schweiz – bei entsprechender Notwendigkeit einer weiteren stationären Behandlung – meist direkt in die stationäre Rehabilitation ein, wenn dies auch vom zuständigen Versicherungsträger bestätigt wird. Vor der Aufnahme müssen der medizinische Zustand abgeklärt und die notwendige Diagnostik im Akutspital durchgeführt worden sein. Weitere notwendige Behandlungen, wie etwa eine i.v. Antibiose oder die Pflege von Wunden, erfolgen in der Reha-Klinik. Es besteht ein enger Kontakt mit den zuweisenden Akutkliniken, mit den Operateuren und anderen betreuenden Ärzt:innen, die in die Behandlung involviert sind. Akutmedizinische-kurative und rehabilitative Behandlungen finden in diesem Sinne parallel statt.
Die Entlassung der Patient:innen erfolgt, sobald diese in der Lage sind, anschließende Behandlungen auch ambulant durchführen zu können. Die Versorgung zu Hause muss ebenfalls gewährleistet werden.
Österreich
In Österreich ist die direkte Übernahme der Patient:innen aus dem Akutkrankenhaus nicht für alle Rehabilitationsbereiche die Regel. Die Reha-Fähigkeit muss so weit vorhanden sein, dass Rehabilitand:innen die im medizinischen Leistungsprofil zu erbringenden Therapiemaßnahmen durchführen können. Patient:innen mit komplexen Diagnosen machen eine Aufnahme in Reha-Zentren erforderlich, die darauf spezialisiert sind und den entsprechenden Schwerpunkt aufweisen. Darauf wird bei der Bewilligung der Reha-Anträge durch die Pensionsversicherung (PV) besonders geachtet. Der Fokus der PV liegt entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag auf der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und der Vermeidung von Pflegebedürftigkeit.
Rehabilitationsbereiche in der Schweiz
Übergeordnet wird unterschieden zwischen:
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Erwachsenenrehabilitation,
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Rehabilitation für Kinder,
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geriatrische Rehabilitation.
Zur Erwachsenenrehabilitation zählen pulmonale, neurologische, paraplegiologische, internistische und onkologische, kardiovaskuläre, muskuloskelettale und psychosomatische Rehabilitation.
In der geriatrischen Rehabilitation haben das geriatrische Assessment in den Bereichen Kognition, ADL („activities of daily living“), Mobilität, Ernährungszustand und das Miteinbeziehen des sozialen Umfelds besondere Bedeutung. Das Ziel bei geriatrischen Patient:innen ist es, die größtmögliche Selbstständigkeit zu erreichen und Pflege- und Betreuungsaufwand zu reduzieren.
Die geriatrische Reha muss unter der Leitung einer Fachärztin/eines Facharztes für Allgemeine Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Geriatrie und zwei Jahren Erfahrung in der Rehabilitationsmedizin liegen oder unter der Leitung einer Fachärztin/eines Facharztes für physikalische Medizin und Rehabilitation mit zwei Jahren Erfahrung an einer Weiterbildungsstätte für Geriatrie.
Querschnittsbereiche der Rehabilitation sind:
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überwachungspflichtige Rehabilitation/Frührehabilitation: fokussiert auf den frühen Zeitpunkt inklusive notwendiger spezifischer Leistungen bei gegebener Überwachungspflicht der Patientin/des Patienten;
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arbeitsorientierte Rehabilitation: orientiert sich an der spezifischen Zielsetzung zum Wiedererlangen einer Bildungs- und/oder Arbeitsfähigkeit;
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komplexe Unfallrehabilitation: spezifiziert die Rehabilitation bei unfallbedingter Ursache und komplexem Setting in der Rehabilitation.
Rehabilitationsbereiche in Österreich
Auch in Österreich wird zwischen Erwachsenenrehabilitation und Rehabilitation für Kinder und Jugendliche unterschieden. Geriatrische Rehabilitation als eigener Rehabilitationsbereich ist in Österreich nicht etabliert. Dennoch erhalten selbstverständlich auch ältere Menschen Rehabilitationsmaßnahmen in Rehabilitationszentren. Leistungsträger sind die jeweils zuständigen Krankenversicherungen.
In der Erwachsenenrehabilitation zu nennen sind: Rehabilitation der Atmungsorgane, Neuro- und Traumarehabilitation, onkologische Rehabilitation und Spezialbereich Lymphologie, psychiatrische Rehabilitation, Rehabilitation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Bewegungs- und Stützapparat sowie für Rheumatologie, Stoffwechselsystem und Verdauungsapparat.
Die größten Anbieter
Schweiz
SW!SS REHA ist ein Verband der führenden Reha-Kliniken in der Schweiz. Der Präsident ist Dr. oec. HSG Willy Oggier. Die Mitglieder werden alle drei Jahre durch externe Expert:innen auf Erfüllung der Qualitäts- und Leistungskriterien geprüft. SW!SS REHA unterstützt mit seiner Plattform Patient:innen, Angehörige, Zuweiser:innen und Planungsbehörden bei der Wahl der geeigneten Rehabilitationskliniken.
Österreich
In Österreich ist die Pensionsversicherung (PV) der größte Anbieter von Rehabilitationsmaßnahmen. Die 17 Reha-Zentren der PV und mehr als 140 Vertragspartner werden regelmäßig durch die Expert:innen der Pensionsversicherung visitiert.
Fazit
Rehabilitation ist ein wichtiger Grundpfeiler im Gesundheitssystem. Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich besteht ein breites Leistungsangebot. Täglich wird von vielen interdisziplinären und multiprofessionellen Teams in den Rehabilitationszentren wertvollste Arbeit gemeinsam mit den Rehabilitand:innen geleistet; dies zum Wohle der Patient:innen und zum Erreichen der definierten Individualziele.
Die Inhalte dieses Artikels waren Thema eines Vortrags bei der 40. Rheumatagung des Ludwig Boltzmann Instituts für Arthritis und Rehabilitation am 17. Juni 2023 in Saalfelden.
Literatur:
• DefReha©3.0 H+ Die Spitäler der Schweiz | Les Hôpitaux de Suisse | Gli Ospedali Svizzeri. Bern 17.02.2021; www.hplus.ch • Handbuch der Schweizer Krankenversicherung, Herausgeber: santesuisse, 4502 Solothurn. www.santesuisse.ch • Rehabilitationsplan 2020 | Gesundheit Österreich GmbH; www.goeg.at • Disability prevention and rehabilitation: report of the WHO Expert Committee on Disability Prevention and Rehabilitation (meeting held in Geneva from 17 to 23 February 1981); https://apps.who.int/iris/handle/10665/40896
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