Die operative Therapie der distalen Bizepssehnenruptur
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Die distale Bizepssehnenruptur ist eine seltene Verletzung, 10% aller Bizepssehnenrupturen betreffen die distale Bizepssehne. Die frühe Erkennung und Therapie dieser Verletzung sind entscheidend, um das bestmögliche klinische und funktionelle Ergebnis zu erreichen. Die operative Therapie steht als Mittel der Wahl im Vordergrund.
Keypoints
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Die distale Bizepssehnenruptur ist eine seltene Verletzung. Sie führt zu einer Verminderung der Supinationskraft um ca. 40–50% und der Flexionskraft um ca. 20–30%.
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Die operative Versorgung ermöglicht eine Sehnenrefixation an der Tuberositas radii.
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Kenntnis der Anatomie und der möglichen Komplikationen ist entscheidend für das Erreichen des Therapiezieles.
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Behandlungszielesind die anatomische, stabile Refixation und die Wiederherstellung der Funktion.
Anatomie und Biomechanik
Der Musculus biceps brachii ist ein zweiköpfiger Muskel: Das Caput longum hat seinen Ursprung am Tuberculum supraglenoidale und das Caput breve am Processus coracoideus der Scapula. Beide Köpfe vereinen sich an der Vorderseite des Oberarmes zu einem Muskelbauch. Das Oberflächenrelief des Oberarmes wird durch den Bizeps bestimmt.
Entsprechend den zwei Sehnenanteilen proximal lassen sich auch an der distalen Sehne zwei Anteile differenzieren. Am muskulotendinösen Übergang liegt in der Frontalebene das Caput breve medial und dreht sich, Richtung Ansatz an der Tuberositas radii, um 90 Grad nach außen. Dies bedeutet, dass die distale Bizepssehne von einer koronaren Ebene in eine sagittale Ebene rotiert. Die Tuberositas radii hat eine ovaläre Form und ist proximodistal ausgerichtet. Der kurze Kopf der Bizepssehne setzt distal der Sehne des langen Kopfes an. Da der Ansatzbereich des kurzen Kopfes von der Rotationsachse des Unterarmes entfernt liegt, wird angenommen, dass dieser Sehnenanteil mehr für die Flexion verantwortlich ist.
Der lange Kopf ist mehr ein Supinator als ein Beuger. Diese anatomischen Gegebenheiten sollten bei der Refixation der Sehne berücksichtigt werden. Der Lacertus fibrosus (Aponeurosis bicipitalis) zieht als Sehnenplatte von der distalen Bizepssehne nach ulnar und strahlt in die Unterarmfaszie ein. Eine gemeinsame Ruptur des Lacertus fibrosus und der distalen Bizepssehne kann dazu führen, dass der Bizeps-Muskelbauch weiter nach proximal gleitet als ohne Ruptur des Lacertus fibrosus.
Neurovaskuläre Strukturen befinden sich in einer Nahebeziehung zur distalen Bizepssehne. Der N. medianus und die A. und V. brachialis liegen ulnar der Bizepssehne. Der N. cutaneus antebrachii lateralis verläuft oberflächlich radial der Sehne. Der Ramus profundus des N. radialis (N. interosseus posterior, PIN) schlingt sich in Höhe des Radiushalses durch den M.supinator und verläuft dabei von der Beugeseite in das dorsale Unterarmkompartiment. Die Blutversorgung des proximalen Anteiles der distalen Bizepssehne erfolgt über Äste der A. brachialis und die des distalen Anteils über den Ramus recurrens der A. interossea posterior. Dazwischen liegt ein minder durchblutetes Areal (Watershed), das für eine Rupturprädisposition verantwortlich sein könnte.
Die distale Bizepssehnenruptur führt zu einer Verminderung der Supinationskraft um ca. 40–50% und der Beugekraft im Ellbogengelenk um ca. 20–30% (der stärkste Beuger im Ellbogengelenk ist der M. brachialis).
Epidemiologie
Die distale Bizepssehnenruptur ist eine eher seltene Verletzung und tritt häufiger bei Männern auf. 10% der Bizepssehnenrupturen betreffen die distale Bizepssehne. Der Häufigkeitsgipfel liegt im 5. Lebensjahrzehnt. Meist ist der dominante Arm betroffen.
Verletzungsmechanismus und Pathogenese
Der Verletzungsmechanismus ist eine plötzlich erzwungene exzentrische Kontraktion der Bizepssehne gegen eine schwere Last bei flektiertem Ellbogengelenk. Verletzungsursachen können sein: eine heftige, ruckartige Krafteinwirkung bei rechtwinkelig gebeugtem Ellbogen, ein Schlag auf den gebeugten Arm beim Auffangen einer schweren Last oder das plötzliche Hochreißen eines schweren Gegenstandes (Gewichtheben, Krafttraining). Die distale Bizepssehne reißt am Ansatz der Tuberositas radii aus.
Risikofaktoren
Mögliche Risikofaktoren, die eine Sehnenruptur begünstigen können:
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Mikrotraumen infolge chronischer Belastungen (degenerative Veränderungen)
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mechanisches Impingement (in maximaler Pronationsstellung des Unterarmes ist der Abstand zwischen Elle und Tuberositas radii im Vergleich zur Supinationsstellung deutlich verringert)
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chronische Erkrankungen
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verminderte Vaskularität der Sehne
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Einnahme anaboler Steroide
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Kortisoninjektionen
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Rauchen
Diagnostik
Die Diagnosestellung einer distalen Bizepssehnenruptur ist in den meisten Fällen eine klinische.
Anamnese
In vielen Fällen kann der Patient den Verletzungsmechanismus genau schildern. Er berichtet, einen Schlag oder einen Riss in der Ellenbeuge verspürt zu haben, oft begleitet von einem schnalzenden Geräusch.
Klinik
Abb. 1: Reverse-Popeye-Sign, Proximalisierung des Muskelbauches
Abb. 2: Hook-Test
Nach der Anamnese erfolgt die klinische Untersuchung. Der Patient beschreibt Schmerzen in der Ellenbeuge bzw. am distalen Oberarm. Hämatomverfärbungen und eine Schwellung können in der Ellenbeuge zur Darstellung kommen. Nicht selten findet sich eine veränderte Kontur am Oberarm mit Proximalisierung des Bizeps-Muskelbauches („Reverse-Popeye-Sign“, Abb. 1). Im Rahmen der Palpation finden sich ein Druckschmerz in der Ellenbeuge und ein palpabler Defekt im Bizepssehnenverlauf. Im Rahmen der klinischen Untersuchung werden auch die Beweglichkeit im Ellbogengelenk sowie die Beugung und Supination gegen Widerstandgeprüft, immer im Vergleich mit der unverletzten Seite. Bei der Ruptur der distalen Bizepssehne findet sich eine verminderte Beuge- und Supinationskraft gegen Widerstand. Ein bekannter Test für die klinische Untersuchung der distalen Bizepssehne ist der von OʼDriscoll beschriebene Hook-Test (Abb. 2). Beim Hook-Test kann bei intakter Bizepssehne, 90 Grad gebeugtem Ellbogengelenk und aktiver Supination der Zeigefinger des Untersuchers von lateral her unter der Bizepssehne eingehakt werden. Im Falle einer distalen Bizepssehnenruptur ist dies nicht mehr möglich. Im Anschluss an die klinischen Tests erfolgt die Überprüfung des neurovaskulären Status.
Bildgebende Verfahren
Routinemäßig wird eine Röntgenkontrolle des Ellbogengelenkes (a.p. und seitl.) zum Ausschluss anderer Pathologien durchgeführt. Zur weiteren Abklärung bei unklaren Fällen können eine Ultraschalluntersuchung und/oder eine MRT-Untersuchung durchgeführt werden. Der Vorteil der Sonografie liegt darin, dass eine dynamische Untersuchung möglich ist. Die MRT-Untersuchung sollte standardmäßig in der FABS(Flexion-Abduktion-Supination)-Position erfolgen. Dadurch lässt sich der Sehnenverlauf gut darstellen. Im Rahmen der MRT-Untersuchung sind die Muskeltrophik des Bizepsmuskels, die Rupturart, eine eventuelle Partialruptur und das Ausmaß der Retraktion beurteilbar.
Therapie
Die gerissene distale Bizepssehne kann nicht von alleine an den Knochen anheilen, dies ist nur durch eine operative Sehnenrefixation möglich. Die operative Therapie sollte innerhalb der ersten 14 Tage nach der Verletzung erfolgen. Die operativen Zielesind die anatomische, stabile Refixation der Sehne im Ansatzbereich und die Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit (Beugung, Supination und Ästhetik). Indikationen für die operative Therapie sind:
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junger, gesunder Patient, der nicht auf die Funktion verzichten möchte
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wenn die dominante Seite betroffen ist
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ellbogenbelastender Anspruch in Beruf, Freizeit und Sport
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Ästhetik (Wiederherstellung der Kontur am Oberarm)
Operative Technik
Verschiedene Operationstechniken werden für die Refixation der distalen Bizepssehne in der Literatur angeführt. Bis zum heutigen Tag gibt es keinen Konsens darüber, welches die beste Operationsmethode ist. Hinsichtlich der Operationstechnik unterscheidet man grob zwischen der „Single Incision“-Technik (Einschnitt-Technik, ein einziger Zugang am Ellbogen beugeseitig), und der „Double Incision“-Technik (Zweischnitt-Technik mit zwei getrennten Inzisionen, eine beuge- und eine streckseitig). Mögliche Sehnenrefixationstechniken bei der „Single Incision“-Technik sind der Fadenanker, die Interferenzschraube, die Endobuttontechnik und der intramedulläre Endobutton. Bei der „DoubleIncision“-Technik erfolgt die Refixation über eine transossäre Naht bzw. über einen kortikalen Endobutton.
In diesem Artikel möchte ich eine minimalinvasive transossäre Refixationstechnik über zwei getrennte Zugänge („DoubleIncision“) beschreiben: Der Patient ist in Rückenlage und der verletzte Arm wird auf dem Armauflegetisch gelagert. In den meisten Fällen erfolgt der operative Eingriff ohne Blutsperre. Zwei Querfinger distal der Ellenbeugefurche erfolgt eine querverlaufende, circa 4cm messende Hautinzision (Abb.3a). Es wird nun lateralseitig der N. cut. antebrachii lateralis als Landmark aufgesucht und dargestellt (Abb.3b). Bei weiterer Präparation nach proximal wird der distale Bizepssehnenstumpf freipräpariert. Der Sehnenstumpf kann auch weit nach proximal disloziert sein und mit dem umgebenden Weichteilgewebe verbacken sein. Der Sehnenstumpf wird danach gefasst und das freie Stumpfende wird angefrischt (Abb.3c). Mit einer kräftigen, nicht resorbierbaren Naht wird die Sehne angeschlungen (Abb.3d). Durch Zug an der Naht kann die Sehne bzw. der Bizepsmuskelbauch weiter mobilisiert werden. Als nächster Schritt wird in der Tiefe die Tuberositas radii dargestellt. Damit eine Schädigung des N. radialis (Ramus profundus) vermieden wird, dürfen keine Hohmann-Haken um den Radiushals eingesetzt werden. In maximaler Supinationsstellung und Streckung im Ellbogengelenk werden nun an der Tuberositas radii zwei Lochbohrdrähte in der oszillierenden Technik von der Beugeseite zur Streckseite durchgebohrt. Die Lage der Bohrdrahtspitzen entspricht dem Ansatz der Bizepssehne (Abb.3e). Die Bohrdrähte sind ca. 25–30 Grad zur Ulnarseite geneigt und perforieren die dorsale Speichenkortikalis und die Haut (Abb.3f). Zur Dokumentation der Bohrdrahtlage kann eine Bildwandlerkontrolle erfolgen. An der dorsalen Bohrdrahtperforationsstelle erfolgt eine weitere Hautinzision und man präpariert in der Tiefe bis auf den Radius. Die Fadenenden des angeschlungenen Sehnenstumpfes werden mittels der Lochbohrdrähte zur Streckseite herausgeleitet. Durch Zug an den beiden Fäden wird die Sehne an die Tuberositas radii angelagert, und es kann nochmals eine Kontrolle der Sehnenlage erfolgen. Bei korrekter Sehnenlage werden nun die Fäden unter Beuge- und maximaler Supinationsstellung über dem Radius geknüpft (Abb.3g). Dadurch kann eine sichere und stabile Refixation der Sehne erfolgen (Abb.3h). Anschließend Wundverschluss beuge- und streckseitig.
Abb. 3: Markierung der Hautinzision (a), N.cutaneus antebrachii lateralis (b), Fassen der Bizepssehne (c), Anschlingen der Bizepssehne (d), Lage der Lochbohrdrähte (e), Bohrdrahtperforation streckseitig (f), Knüpfen der Fadenenden(g), Kontrolle der Lage der Bizepssehne (h)
Nachbehandlung
Postoperativ wird ein Bauerverband für 6 Wochen angelegt. Nach Wundheilung wird mit geführten Bewegungsübungen unter physiotherapeutischer Anleitung begonnen. Die Streckung sollte die ersten 6 Wochen maximal 30 Grad betragen. Ab der 9. postoperativen Woche beginnen Übungen gegen Widerstand. Die Rehabilitationsphase beträgt 12–16 Wochen. Die Stabilität der Sehne und die Kraft werden nach 4–6 Monaten erreicht.
Komplikationen der operativen Therapie
Die Komplikationsrate wird in der Literatur zwischen 15% und 30% angegeben. Mögliche Komplikationen sind:
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Nervenläsion am N. cut. antebrachii lat. (meist temporäre Parästhesien)
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Nervenläsion am Ram. superfic. N. rad.
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Nervenläsion am Ram. prof. N. rad. (PIN)
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heterotope Ossifikation
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Reruptur
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Infektion
Literatur:
beim Verfasser
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