Gräser – erschwerte Allergenkarenz
Autor:
Dr. Markus Berger
Leiter Österreichischer Polleninformationsdienst
HNO-Abteilung Klinik Landstraße, Wien
Allergiezentrum Wien West
E-Mail: markus.berger@pollenresearch.com
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Gräserpollen gehören zu den wichtigsten inhalativen Allergenen in Europa. Je nach betrachteter Studie reagieren bis zu 80% der Pollenallergiker:innen zumindest auf Gräserpollen. Von den 3 Therapiesäulenbleiben für diese Patient:innengruppe die Immuntherapie und die medikamentöse Therapie unverändert. Allerdings ist die Allergenkarenz während der Gräsersaison besonders schwierig. Dennoch gibt es einige Möglichkeiten, die Belastung zu reduzieren.
Keypoints
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Die Allergenkarenz ist während der Gräsersaison erschwert. Dies ist auf den Zeitraum und bestimmte Einflussfaktoren zurückzuführen.
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Hohe Ozonwerte, u.a. bei Gewitter, können zusätzlich zu verstärkten Beschwerden bei Pollenallergiker:innen führen.
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Um die Allergenkarenz zu erleichtern, stellt der Österreichische Polleninformationsdienst aktualisierte Services zur Verfügung.
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Zentrallüftung, Pollenschutzgitter, Luftreiniger, FFP-2-Masken, Augen- und Nasenspülungen sowie gezielte Urlaubsplanung reduzieren die Belastung während der Pollensaison.
Gräserarten
Die Süßgräser (Poaceae) umfassen mehr als 10000 Arten (fünftgrößte Pflanzenfamilie der Welt). Diese verschiedenen Süßgräserarten blühen zu unterschiedlichen Zeiten und verursachen durch Kreuzreaktivität eine Belastungsperiode von Mai bis August. Damit haben Gräser die längste allergene Pollensaison in Österreich.
Neben den Gräsern blühen auf Wiesen auch Ampfer (Rumex sp.; Abb. 1) und Wegerich (Plantago sp.; Abb. 2), die lokal zu Pollenbelastungen und allergischen Beschwerden führen können. Im Herbst kommt es vor allem im Burgenland um den Neusiedler See sowie an den Kärntner Seen zu einem späten Belastungsgipfel. Er betrifft vor allem Personen, die auf Gräserpollen sensibilisiert sind, und ist auf die Schilfblüte (Phragmites australis; Abb. 3) zurückzuführen. Diese führt bei entsprechender Wetterlage auch in weiter entfernten Gebieten noch zu messbaren Pollenbelastungen. Außerdem können spät blühende Ziergräser die Belastung vor allem in städtischen Gebieten bis in den September hinein verlängern.
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Abb. 1: Ampfer (Rumex sp.) |
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Abb. 2: Wegerich (Plantago sp.) |
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Abb. 3: Schilfgras (Phragmites australis) |
Die schönste Zeit des Jahres
Die Länge der Saison ist aber nur die eine Seite des Problems. Für viele Menschen sind die Sommermonate die schönste Zeit des Jahres. Mit der Klimaerwärmung erreichen Wohnungen ohne Klimaanlage immer früher unangenehme Temperaturen. Die billigste Lösung: lüften oder ins Freie gehen – damit ist man jedoch den Gräsern ausgesetzt. Für viele Gräserallergiker:innen gestaltet sich der Sommer somit wie ein Eiertanz. Die Allergenkarenz wird besonders schwierig.
Ozon und Gewitter
Ein weiterer Faktor, der vor allem in den heißesten Monaten des Jahres eine Rolle spielt, ist Ozon. Ozon (O3) entsteht durch chemische Reaktionen zwischen UV-Strahlung und Stickoxiden (aus Autoabgasen). In städtischen Gebieten kann dies zu erhöhten Belastungen führen.
Als Reizgas kann Ozon entzündliche Prozesse in den Schleimhäuten der Atemwege auslösen. Zudem gehen Ozonmoleküle Wechselwirkungen mit Pollenkörnern ein und können an deren Oberfläche haften bleiben. Diese Kombination kann insbesondere an Tagen mit hohen Ozonwerten zu verstärkten Beschwerden bei Pollenallergiker:innen führen.
Sommergewitter können in Kombination mit Ozon Extremsituationen für Allergiker:innen und Asthmatiker:innen verursachen. Blitze und Druckunterschiede in der Atmosphäre führen kurzfristig zu sehr hohen Ozonkonzentrationen. Gleichzeitig platzen bei starken Gewittern Pollenkörner auf und es entstehen kleine „Allergenfragmente“, die tief in die unteren Atemwege eindringen können. Die Folge sind massive Beschwerden bei Gewittern, die besonders für Asthmatiker:innen durch vermehrte Asthmaanfälle gefährlich sein können.
Tagesaktuelle Informationen für verbesserte Allergenkarenz
Wie kann nun die Allergenkarenz in dieser herausfordernden Jahreszeit verbessert werden?
Allem voran sollten Pollenallergiker:innen auf eine kompetente Plattform für Vorhersagen zugreifen können. Der Österreichische Polleninformationsdienst stellt laufend neue Services zur Verfügung und adaptiert bestehende Services auf wissenschaftlicher Basis, um über die oben genannten Faktoren bestmöglich zu informieren. Bereits seit 2 Jahren werden in Kooperation mit dem europäischen Umweltprojekt „Copernicus“ aktuelle Luftqualitätsdaten dargestellt und in die Vorhersagemodelle integriert. In Zusammenarbeit mit Geosphere Austria wurde auch eine Gewitterwarnung implementiert. Seit 2024 gibt es auch Grafiken, die auf Basis von Modelldaten in stundengenauer Auflösung die zu erwartende Belastung durch Pollen, Ozon und andere Luftqualitätsparameter darstellen (Abb. 4).
Abb. 4: Beispiel für die Berechnung der tagesaktuellen Pollenbelastung (0–24 Uhr) durch den Österreichischen Polleninformationsdienst
Ziel dieser Services ist es, die Tagesplanung für Allergiker:innen zu vereinfachen und die Allergenkarenz zu optimieren.
Tipps und Tricks zur Allergenreduktion
Besonders für Gräserallergiker:innen gibt es zusätzliche Tipps, die die Symptome reduzieren können.
Mit einer Kombination aus Pollenschutzgitter und Luftreiniger kann die Wohnung möglichst allergenarm gelüftet werden. Zusätzlich sollten Oberflächen regelmäßig feucht abgewischt und Böden gesaugt werden. Allergiker:innen, die eine Wohnung suchen, sollten auch nach Wohnungen mit Zentrallüftung Ausschau halten, da diese Lüftungsanlagen mit Pollenfiltern ausgestattet sind.
Im Freien helfen FFP-2-Masken, die Beschwerden zu lindern. Durch Augen- und Nasenspülungen mit Meersalz kann man sich ohne Medikamente kurzfristig Linderung verschaffen. Als Ausflugsziel während der Gräsersaison bieten sich Laubwälder an. Die Blätter können Pollen filtern und sorgen so für einen pollenarmen Aufenthalt an der frischen Luft.
Ein weiterer Tipp, der sich zeitlich anbietet, ist der Urlaub. Aber auch hier sollte man gut planen. Beliebt beim Reisen ist die Flucht in die Berge. Bis Ende Mai sind Urlaubsziele oberhalb der Baumgrenze ein wunderbarer Erholungsort. Doch ab Juni beginnen auch in höheren Lagen die heimischen Pflanzen zu blühen. Erst ab einer Höhe von 2000 Metern ist dann nur noch mit geringen Belastungen zu rechnen.
Vorsicht ist auch in den südlichen Teilen Europas geboten. Hier beginnt die Gräsersaison früher, weshalb diese Reiseziele von April bis Ende Juni gemieden werden sollten. Danach ist ein Urlaub im sonnigen Süden möglich.
Ein Urlaub in Nordeuropa ist für Gräserpollenallergiker:innen generell empfehlenswert, da die Saison kürzer ist und die Konzentrationen eher niedriger sind. Für weiter entfernte Reiseziele empfehlen sich Länder mit subtropischem bis tropischem Klima. Ein Ratschlag, der sicherlich von vielen Allergiker:innen gern gehört wird.
Literatur:
beim Verfasser
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