Covid-19-Impfstoffe – Zulassungen und Daten
Bericht: Dr. Norbert Hasenöhrl
Review: Mag. Daniela Philadelphy
Abteilung Klinische Begutachtung Sicherheit & Wirksamkeit Institut Begutachtung & Analytik
BASG/AGES
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Mit der Covid-19-Pandemie und der Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 sind auch die Zulassungsbehörden in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Wie funktionieren Impfstoffstudien, welche Endpunkte gibt es und was ist überhaupt inzwischen zugelassen? Mag. Daniela Philadelphy vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) informierte im Rahmen des Österreichischen Impftags.
Neben den bereits zugelassenen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 befinden sich etliche weitere Impfstoffkandidaten in Entwicklung“, erläuterte Mag. Daniela Philadelphy, AGES-Medizinmarktaufsicht/BASG, am virtuellen Österreichischen Impftag 2021. Details dazu finden sich in der öffentlich zugänglichen „WHO draft landscape of Covid-19 vaccine candidates“ (www.who.int/publications/m/item/draft-landscape-of-covid-19-candidate-vaccines).
Anforderungen für Covid-Impfstoff-Studien
Am Beispiel der Covid-19-Impfstoffe zeigt sich die Notwendigkeit, grundlegende Prinzipien des Designs von Zulassungsstudien global festzulegen, da Entwicklerfirmen nicht für jede Zulassungsbehörde ein eigenes Studienprogramm fahren können. Dies ist u.a. die Aufgabe der International Coalition of Medicines Regulatory Authorities(ICMRA), in der zahlreiche Zulassungsbehörden wie die EMA, die FDA und viele andere Mitglieder sind. In mehreren ICMRA-Workshops, die im Jahr 2020 stattfanden, wurden Eckdaten für präklinische und klinische Studien zu Covid-19-Vakzinen erarbeitet.
So wurde als gewünschter primärer Endpunkt von Phase-III-Studien eine laborbestätigte Covid-19-Erkrankung jeglichen Schweregrades definiert. Wichtige sekundäre Endpunkte sind unter anderem die SARS-CoV-2-Infektion sowie der Schweregrad der Erkrankung. Für die primäre Analyse sollten SARS-CoV-2-naive Personen herangezogen werden, es sollen aber auch Daten bei seropositiven Personen erhoben werden – schon deshalb, weil man bei großen Impfkampagnen nicht jeden Impfling vorab auf Antikörper testen kann. Notwendig und wichtig sind auch Daten von älteren Menschen und Personen mit Komorbiditäten. „Klar ist, dass derzeit reine Immunogenitätsdaten nicht ausreichen“, betonte Philadelphy. Für bestimmte Impfungen gegen andere Erkrankungen gibt es ein etabliertes immunologisches Schutzkorrelat – für Covid-19 ist ein solches noch nicht eindeutig definiert worden. „Deshalb sind aus derzeitiger Sicht Wirksamkeitsdaten für die Zulassung eines Covid-19-Impfstoffes erforderlich“, so die Expertin.
Sehr ähnlich sind die von der EMA publizierten Überlegungen. Laut EMA sollte die Wirksamkeit einer Covid-19-Impfung mindestens 50% betragen, das untere Limit des 95%-Konfidenzintervalls soll über 20% (vorzugsweise >30%) liegen. Sicherheitsdaten müssen zumindest für die ersten sechs Wochen nach der Impfung (d.h. nach Abschluss des Impfschemas) vorliegen, und natürlich müssen nach Zulassung auch Langzeitdaten erhoben und die üblichen Maßnahmen der Pharmakovigilanz sichergestellt werden.
Wirksamkeit und Sicherheit
„Wichtig für die Erfassung der Wirksamkeit in den Phase-III-Studien ist, dass eine sogenannte Falldefinition vorliegt“, berichtete Philadelphy. Diese bestand z.B. für die beiden mRNA-Impfstoffe jeweils aus einer Liste von Symptomen, von denen eine bestimmte Zahl erfüllt sein musste (eines oder zwei). Dies triggerte dann einen PCR-Test. War dieser positiv, so handelte es sich um einen Fall von Covid-19.
„Die Falldefinitionen können sich zwischen den Studien bzw. auch zwischen den Zulassungsbehörden leicht unterscheiden“, schränkte die Expertin ein. So gibt es etwa Falldefinitionen basierend auf CDC-, ECDC- oder WHO-Definitionen, aber etwa auch seitens der FDA. Auch Berechnungsmethoden und statistische Verfahren können sich unterscheiden, ebenso natürlich auch die Charakteristika der Studienpopulation und nicht zuletzt auch die verwendeten Test-Assaysfür die Evaluierung der Immunogenität (z.B. Antikörpernachweis). „Deshalb ist im Grunde kein direkter Vergleich zwischen verschiedenen Studien möglich.“
Eine Beschreibung der wichtigsten Studienergebnisse findet sich in Abschnitt 5.1 der jeweiligen Fachinformation. Darüber hinaus lassen sich Details im European Public Assessment Report (EPAR) finden, der auf der Homepage der EMA (ema.europa.eu) veröffentlicht wird. Auch die Sicherheit sollte in den großen Zulassungsstudien ein primärer Endpunkt sein, wie das bei den beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffen der Fall war. Auch hier ist in der Fachinformation (Abschnitt 4.8) das Wesentliche, nämlich eine Zusammenfassung des Sicherheitsprofils sowie eine Auflistung der unerwünschten Reaktionen, zu finden.
Und nach der Zulassung?
„Selbstverständlich endet die Beobachtung eines Impfstoffs nicht mit der Zulassung, sie läuft weiter. Im Sinne der Pharmakovigilanz gibt es eine Verpflichtung zur Meldung von Nebenwirkungen, die auch in ein europäisches Netzwerk eingespeist werden“, berichtete Philadelphy. „Das ist sehr wichtig, weil so mehr oder weniger in Echtzeit ein Sicherheitssignal detektiert werden kann, das in den Zulassungsstudien nicht aufgetreten ist.“ Aufgrund solcher Signale können die zuständigen Behörden dann auch schnell reagieren.
Für jedes Arzneimittel muss es zum Zeitpunkt der Zulassung einen Risikomanagementplan geben – natürlich sind die Covid-19-Impfungen hier keine Ausnahme. Dieser Plan muss Maßnahmen zur Risikominimierung enthalten, weiters eine Vorgabe, wie die Sicherheitsdaten erweitert bzw. fehlende Daten erhoben werden können. Man spricht hier von einem „post authorisation development plan“. „Ein Beispiel für Daten, die zum Zeitpunkt der Zulassung eines Covid-19-Impfstoffs noch nicht vorhanden sind, können Daten zur Wirkung bei immunsupprimierten Personen darstellen“, ergänzte die Expertin.
Die beiden mRNA-Impfstoffe haben zunächst eine bedingte Zulassung erhalten. Mit einer solchen Zulassung sind ganz bestimmte Auflagen verbunden, die sich auf konkrete, vom Hersteller nachzuliefernde Daten beziehen. Weiters sind bei Einreichung entsprechender Daten auch Erweiterungen der Zulassung auf zusätzliche Gruppen (z.B. Kinder und Jugendliche) möglich.
Essenziell ist, dass jede Charge eines Impfstoffs von einem offiziellen Kontrolllabor freigegeben werden muss, bevor sie auf den Markt gelangen darf.
Daten zu den mRNA-Impfstoffen
Comirnaty®, der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer, wurde in der Phase II/III mit fast 44000 Studienteilnehmern ≥16 Jahre untersucht, die randomisiert und verblindet 1:1 den Impfstoff oder Placebo erhielten. Eine Einzeldosis betrug 30µg – die Grundimmunisierung bestand aus zwei Impfdosen im Abstand von 21 Tagen. Die Gesamteffektivität im Hinblick auf das Auftreten von laborbestätigten, symptomatischen Covid-19-Fällen sieben Tage nach der zweiten Impfdosis betrug 95%(95% CI: 90,0%–97,9%). Die häufigsten Nebenwirkungen waren Schmerzen an der Injektionsstelle (>80%), Müdigkeit (>60%), Kopfschmerzen (>50%), Myalgien und Schüttelfrost (>30%), Arthralgien (>20%) sowie Fieber und Schwellung an der Injektionsstelle (>10%). Die meisten Nebenwirkungen waren leicht bis mittelschwer und verschwanden wenige Tage nach der Impfung.
Das Covid-19-Vakzin Moderna® wurde in Phase III mit über 30000 Probanden getestet, die randomisiert und verblindet 1:1 entweder das Vakzin oder Placebo erhielten. Es wurden zwei Dosen zu 100µg (oder Placebo) im Abstand von 28 Tagen verabreicht. Die erhobene Gesamteffektivität in Verhinderung von laborbestätigtem, symptomatischem Covid-19 14 Tage nach der 2. Impfung lag bei 94,1%(95% CI: 89,3%,–96,8%).
Folgende Nebenwirkungen traten am häufigsten auf: Schmerzen an der Injektionsstelle (92%), Müdigkeit (70%), Kopfschmerzen (64,7%), Myalgie (61,5%), Arthralgie (46,4%), Schüttelfrost (45,4%), Übelkeit/Erbrechen (23%), Schwellung/Schmerzempfindlichkeit der axillären Lymphknoten (19,8%), Fieber (15,5%), Schwellung an der Injektionsstelle (14,7%) und Rötung an der Injektionsstelle (10%). Auch hier waren die meisten Nebenwirkungen leicht bis mittelschwer und verschwanden wenige Tage nach der Impfung. Bei bieden Impfstoffen traten diese Nebenwirkungen in der Altersgruppe der 18-bis 64-Jährigen häufiger auf als in der Altersgruppe ab 65 Jahren. Weiters wurden lokale und systemische Reaktionen häufiger nach der zweiten als nach der ersten Teilimpfung festgestellt.
„Bei beiden mRNA-Impfstoffen wurde auch gezeigt, dass die Reaktogenität und das Sicherheitsprofil zwischen zu Studienbeginn seropositiven und seronegativen Probanden vergleichbar war“, ergänzte Philadelphy.
Weitere Impfstoffe
Inzwischen ist auch der Adenovektor-Impfstoff von AstraZeneca in der EU zugelassen. Janssen-Cilag hat am 16. Februar 2021 die Zulassung für seine Covid-19-Vakzine (ebenfalls ein Vektorimpfstoff) bei der EMA beantragt. Eine Entscheidung über die Zulassung wird für Mitte März erwartet. Weitere Kandidaten, wie etwa der mRNA-Impfstoff von Curevac oder der Subunit-Impfstoff von Novavax, befinden sich in einem „rolling review“ durch die EMA. Aktuelle Details dazu finden sich auf der Homepage der EMA.
Quelle:
„Zulassungsstudien und Daten zu den neuen SARS-CoV-2-Impfstoffen“, Vortrag von Mag. Daniela Philadelphy, AGES-Medizinmarktaufsicht/BASG, im Rahmen des (virtuellen) Österreichischen Impftags am 23. Jänner 2021
Literatur:
bei der Vortragenden
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