Impfstoffe gegen SARS-CoV-2
Bericht: Dr. Norbert Hasenöhrl
Review: em. Univ.-Prof. Dr. Franz X. Heinz
Zentrum für VirologieMedizinische Universität Wien
E-Mail: franz.x.heinz@meduniwien.ac.at
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Impfungen gegen SARS-CoV-2 können ganz unterschiedlich funktionieren. Während einerseits traditionelle Ansätze wie z.B. Subunit-Impfstoffe entwickelt werden, setzen viele Hersteller auf neue Technologien, vor allem mRNA- und Adenovektor-Vakzine. Der bekannte Virologe Univ.-Prof. Dr. Franz X. Heinz, Wien, gab einen Überblick.
Das Schlüssel-Antigen
„Alle Impfstoffe gegen SARS-CoV-2, die es heute gibt, und auch der Großteil derjenigen, die noch entwickelt werden, verwenden das virale Spike-Protein als Antigen“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Franz X. Heinz, emeritierter Virologe von der MedUni Wien, am Österreichischen Impftag 2021. Dieses Protein sitzt als eine Art Stachel an der Membran des Virus und bildet eben jene „Krone“, die dem Coronavirus seinen Namen gegeben hat. Es handelt sich dabei um ein relativ komplexes Protein aus 1273 Aminosäuren (Abb. 1).
Abb. 1: 3D-Ansicht des Spike-Proteins mit ACE2-Bindungsregion in Pink (Quelle: 5-HT2AR: CC0; Wikimedia Commons)
Im Gegensatz zu häufig gebrachten Darstellungen ist jedoch nicht die gesamte Virusoberfläche von Spike-Proteinen besetzt, sondern es gibt davon pro Virus etwa 24. Diese Proteine sind sehr beweglich, und ihre Oberfläche ist in ständiger dynamischer Bewegung. Dies gilt auch für die Bindungsstelle an den ACE2-Rezeptor, die vom Virus „ausgeklappt“ werden muss, damit es an menschliche Zellen binden kann, um dann durch Endozytose sein Genom in die Zelle abzugeben.
Um einen wirksamen Schutz gegen SARS-CoV-2 zu erzeugen, ist es besonders wichtig, dass Antikörper gegen die rezeptorbindende Domäne gebildet werden, um so das Eindringen des Virus in die Zellen zu verhindern und dadurch das Virus zu neutralisieren.
Die Immunität gegen SARS-CoV-2 beruht aber nicht nur auf der Bildung neutralisierender Antikörper; vielmehr muss auch eine T-Zell-vermittelte Immunität ausgebildet werden. Das führt dazu, dass es im Prinzip mehrere „Schutzkorrelate“ geben kann – derzeit werden jedoch für die Evaluierung des Impfschutzes zumeist die neutralisierenden Antikörper herangezogen. „Die Sache wird dadurch noch komplizierter, dass verschiedene Impfstoffe unterschiedliche Immunantworten induzieren und daher auch mit unterschiedlichen Schutzkorrelaten beurteilt werden müssten“, sagte Heinz.
Die aktuellen Impfstoffe
Die beiden neuen Technologien, die für Covid-Impfstoffe verwendet werden, sind einerseits Messenger-RNA(mRNA)-, andererseits Adenovektor-Vakzine. Daneben werden aber auch konventionelle Impftechnologien verwendet. Zu Letzteren gehören inaktivierte Ganzvirusvakzine, die in China entwickelt wurden, aber z.B. auch in Saudi-Arabien, Brasilien oder der Türkei verwendet werden. Dann gibt es Subunit-Vakzine, in denen nur das gentechnisch hergestellte Spike-Protein als Antigen Verwendung findet.
Das Prinzip der mRNA-Impfung besteht darin, dass nicht das Spike-Protein selbst, sondern die dafür kodierende mRNA appliziert wird. Solche Impfstoffe sind etwa jene von Biontech/Pfizer und von Moderna, die bereits eingesetzt werden.
Die mRNA, die per Impfstoff gegeben wird, dringt nach Injektion in Muskel- oder Immunzellen ein, wird in deren Zytoplasma (nicht im Zellkern!), wie jede andere mRNA, in ein Protein umgeschrieben (im konkreten Fall in das Spike-Protein des Virus), das dann an der Zelloberfläche exprimiert wird. Auf dieses vom Körper selbst produzierte virale Protein reagiert der Körper dann mit einer entsprechenden Immunantwort.
Um zu verhindern, dass die mRNA vor dem Eintritt in die Zellen abgebaut wird oder wegen ihrer negativen Ladung die ebenfalls negativ geladene Zellmembran nicht durchdringen kann, musste die Nukleinsäure in Liposomen, sogenannte Lipid-Nanopartikel, eingepackt werden. Dies bedingt aber auch die Lagerungserfordernisse dieser Impfstoffe bei sehr niedrigen Temperaturen. Auch löst eine von außen kommende RNA in der Zelle normalerweise ein Gefahrensignal aus. „Es hat unglaublich viel Forschungsarbeit gebraucht, um herauszufinden, wie man die mRNA so modifiziert, dass sie eine ausreichende Immunantwort ohne überschießende ‚innate immune response‘ (verbunden mit Nebenwirkungen) auslöst“, resümierte der Virologe.
Auch die Adenovektor-Vakzine transportieren die Erbinformation des Spike-Proteins, allerdings in diesem Fall eingebaut in die DNA eines für den Menschen ungefährlichen Adenovirus, das so verändert wurde, dass es nicht mehr vermehrungsfähig ist. Es kann aber noch als Vektor dienen, um die genetische Information für das virale Spike-Protein in Zellen einzubringen. Zu diesen Impfstoffen gehören jene von AstraZeneca, aber auch der russische Sputnik-Impfstoff und weitere, die zum Teil noch in Entwicklung sind, etwa der von Johnson & Johnson.
Das Eindringen der in den Impfstoffen enthaltenen Adenovirus-Partikel in die menschlichen Zellen erfolgt über spezifische Rezeptoren. Allerdings muss die enthaltene DNA in den Zellkern gelangen, um dort in mRNA umgeschrieben zu werden, was wiederum zur Expression des viralen Spike-Proteins führt.
Um eine entsprechende Immunogenität zu gewährleisten, muss ein solcher Impfstoff pro Dosis zwischen 50 und 100 Milliarden Partikel des gentechnisch modifizierten Adenovirus enthalten. Ähnlich wie die RNA in den mRNA-Impfstoffen, lösen auch die Adenovirus-Partikel (obwohl sie nicht vermehrungsfähig sind) Gefahrensignale aus, und es musste auch hier die richtige Balance zwischen Wirksamkeit und überschießenden Nebenreaktionen gefunden werden. Der Vorteil dieser Impfstoffe ist, dass sie bei normalen Kühlschranktemperaturen (4°C) gelagert werden können.
Ein spezifisches Problem der Vektorimpfstoffe ist die sogenannte Vektorimmunität, d.h. das Vorhandensein oder die Entstehung von Antikörpern gegen den viralen Vektor. Dadurch kann die Immunantwort gedämpft werden. „Man musste deshalb auf Adenoviren zurückgreifen, gegen die es keine oder wenig menschliche Immunität gibt, etwa auf ein Schimpansenvirus“, erklärte Heinz. Aber auch die Erstimpfung mit einem solchen Virusvektor kann eine Immunreaktion gegen den Vektor auslösen, die bei späteren Impfungen dann zu einer abgeschwächten Reaktion führt.
Mutationen und Impfschutz
Mutationen des Spike-Proteins können dann ein Problem darstellen, wenn sie das Andocken der durch Impfung oder natürliche Infektion induzierten protektiven Antikörper gegen SARS-CoV-2 beeinträchtigen. Bei der britischen Variante B 1.1.7 sind diese Veränderungen gering und daher kann von einer sehr guten Schutzwirkung der derzeit verwendeten Impfstoffe ausgegangen werden. Wesentlich ungünstiger ist diesbezüglich die südafrikanische Variante B 1.351, weil sie an der Bindungsstelle für die protektiven Antikörper noch stärker verändert ist als die britische. Und noch mehr solche Mutationen finden sich in der brasilianischen Variante P1, die auch schon in Japan nachgewiesen wurde.
„Die gute Nachricht ist jedoch, dass sowohl mRNA- als auch Adenovektor-Vakzine relativ leicht und schnell an solche mutierten Viren angepasst werden können“, beruhigte der Virusexperte.
Weitere Entwicklungen
Zu den neuesten Entwicklungen gehören Versuche, einen intranasalen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zu entwickeln, um die lokale Immunität an der Schleimhaut zu stärken. „Dort, an der Schleimhaut der Nase und des Rachens, liegt ja die Haupteintrittspforte des Virus“, betonte Heinz. „Möglicherweise sind Adenovektor-Impfstoffe für diesen Zweck besonders gut geeignet, weil Adenoviren ja in der Natur auch über diese Eintrittspforten in den menschlichen Körper gelangen.“
Auch bei der Entwicklung von Subunit-Impfstoffen gibt es Neuerungen, etwa den Versuch, nicht mehr das ganze Spike-Protein, sondern nur noch seine Rezeptorbindungsdomäne als Antigen zu verwenden. Auch neue Adjuvanzien werden erprobt.
Eine neue Entwicklung bei den mRNA-Impfstoffen zielt darauf ab, eine selbstreplizierende mRNA zu verabreichen. Diese würde zunächst in der Zelle amplifiziert werden, bevor sie der Translation unterliegt. Dadurch wäre es möglich, mit viel geringeren mRNA-Mengen pro Dosis zu arbeiten.
„Natürlich entstehen durch solche Entwicklungen auch wieder neue Fragen“, so Heinz zum Schluss, „etwa, was die Zulassungen angeht. Das fängt damit an, dass man ja, wenn schon einige Impfstoffe zugelassen sind, mit allen weiteren Vakzinen keine placebokontrollierten Studien mehr machen kann, weil das schlichtweg unethisch wäre. Es wird also notwendig sein, Studien im Nichtunterlegenheitsdesign zu gestalten, mit einem zugelassenen und einem neuen Impfstoff. Solche Studien sind wesentlich aufwendiger als placebokontrollierte Studien. Eine Erleichterung wäre es, wenn man gute Schutzkorrelate in vitro definieren könnte, aber leider sind wir da noch nicht ganz so weit.“
Quelle:
„Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 – welche Impfstoffe gibt es und wie unterscheiden sie sich?“, Vortrag von em. Univ.-Prof. Dr. Franz X. Heinz im Rahmen des (virtuellen) Österreichischen Impftags am 23. Jänner 2021
Literatur:
beim Vortragenden
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