Pharmaka und ihre relevanten Wechselwirkungen
Autorin:
Mag. Sonja Habib-Mayer, aHPh
Klinische Pharmazie, Abteilung Apotheke
Kepler UniversitätsklinikumNeuromed Campus, Linz
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Arzneimittelkombinationen bergen das Risiko für unerwünschte Wirkungen und Wechselwirkungen. Oft können sie vermieden werden, wenn man die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik dahinter kennt. Dazu einige ausgewählte Beispiele.
Antipsychotika:Clozapin und das Immunsystem
Der Einsatz von Clozapin spielt nach wie vor eine wichtige Rolle in der Behandlung der therapieresistenten Schizophrenie, bei Non-Response oder bei Unverträglichkeit anderer Antipsychotika sowie bei Psychosen im Rahmen eines Morbus Parkinson oder einer Lewy-Body-Demenz. Dessen Metabolisierung erfolgt zu 70% über das Cytochrom-P450-1A2-Enzym zum Hauptmetaboliten Norclozapin. Eine zunehmende Anzahl publizierter Fallberichte lässt einen Anstieg des Clozapin-Blutspiegels im Zusammenhang mit einem systemischen Infektions- und Entzündungsgeschehen, vor allem Atemwegs- und Harnwegsinfekten, vermuten. Dabei kommt es durch das Ansteigen von Entzündungsmediatoren (IL-6, TNF-Alpha etc.) zu einer verringerten Genexpression und damit zu einer verminderten CYP1A2-Enzymaktivität, was einen Anstieg des Clozapin-Spiegels um das 2–3-Fache und dadurch vermehrte Nebenwirkungen (Stupor, Tachykardie, Unruhe, Agitation, Verwirrtheit, Desorientiertheit, Dysarthrie, arterielle Hypertension, Bradykinesie, Atemdepression, QT-Zeit-Verlängerung) zur Folge hat.
Ein ähnlicher Pathomechanismus scheint auch erhöhten Clozapin-Blutspiegeln im Zusammenhang mit Covid-19-Infektionen und mRNA-Covid-Impfungen zugrunde zu liegen. Deshalb sollte bei Patienten unter einer Clozapin-Therapie im Rahmen von Infekten und Impfungen mit mRNA-Impfstoffen verstärkt auf Zeichen einer Intoxikation geachtet bzw. ein therapeutisches Drug Monitoring (TDM) durchgeführt werden. Sowohl die Patienten als auch ihre Angehörigen und/oder Betreuer sollten darüber aufgeklärt werden.
Antikoagulanzien: Rifampicin und andere
Das Vermeiden von Wechselwirkungen ist auch in der Therapie mit Antikoagulanzien für die Patientensicherheit essenziell. Sowohl eine verringerte wie auch eine verstärkte Wirkung zieht weitreichende Folgen nach sich. So kann die über einen längeren Zeitraum notwendige Einnahme des Antibiotikums Rifampicin in Komedikation mit den neuen oralen Antikoagulanzien deren Wirkung drastisch verringern.
Rifampicin ist ein starker Induktor des Cytochrom-P450-3A-Enzyms (CYP3A) sowie des Transportproteins P-Glykoprotein (Pgp) und baut Wirkstoffe, die hauptsächlich über diese Wege metabolisiert werden, schneller ab. CYP3A kooperiert bei der Elimination mit P-Glykoprotein, das ähnliche Substrate, Inhibitoren und Induktoren hat wie CYP3A.
Am meisten von dieser Interaktion betroffen ist Dabigatran (Pradaxa®), gefolgt von Apixaban (Eliquis®) und Rivaroxaban (Xarelto®). Der Wirkverlust von Edoxaban (Lixiana) scheint geringer auszufallen. Die Antikonvulsiva Carbamazepin und Phenytoin sowie das Antidepressivum Johanniskraut haben einen ähnlichen Effekt auf die Wirkung der DOAK wie Rifampicin. Auch hier ist ein Ermitteln der DOAK-Blutspiegel (TDM) zu empfehlen, wenn nicht auf ein anderes Antibiotikum umgestellt werden kann.
Antidepressiva:Venlafaxin und Fluoxetin
Die Augmentation von Venlafaxin mit Fluoxetin kann dosisabhängig eine Überstimulation postsynaptischer Serotoninrezeptoren auslösen und klinisch zu neuromuskulärer Übererregbarkeit (Tremor, Klonus), psychischen Veränderungen (Agitation, Halluzinationen) sowie autonomen Symptomen (Tachykardie, Hypotonie, Fieber, Schwitzen) führen. Überdies blockiert Fluoxetin als potenter CYP450-2D6-Inhibitor den Metabolismus von Venlafaxin und erhöht dessen Blutspiegel. Zu beachten ist die lange Halbwertszeit von Fluoxetin (4–6 Tage!) und dessen aktivem Metaboliten Norfluoxetin (4–16 Tage). Eine Auswahl zu Medikamenten mit proserotonergen Eigenschaften ist in Tabelle 1 angeführt.
Tab. 1: Medikamente mit proserotonergen Eigenschaften
Antikonvulsiva: Valproinsäure
Bei Patienten, die mit dem Antikonvulsivum Valproinsäure behandelt werden, ist die Kombination mit Carbapenem-Antibiotika problematisch: Eine rasche und drastische Verringerung der Valproinsäurekonzentration hat klinisch relevante Folgen wie Krampfanfälle. Durch komplexe Mechanismen auf pharmakokinetischer Ebene fallen die Blutspiegel innerhalb von 2 Tagen um 60–100% ab. Ertapenem und Meropenem scheinen einen größeren Effekt zu haben als Imipenem.
Valproinsäure wiederum erniedrigt die renale Elimination von Lorazepam um bis zu 40% durch Blockade der Glukuronidierung, die für den Metabolismus von Lorazepam essenziell ist. Folgen dieser Interaktion sind gesteigerte Müdigkeit, Sedierung und verminderte Vigilanz. Vor allem bei älteren Patienten mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion können diese verstärkten Nebenwirkungen fatale Folgen haben (Sturz- und Frakturrisiko). Die Dosis von Lorazepam muss daher in Kombination mit Valproinsäure um 50% reduziert werden.
Serumnatrium
Ein Abfall des Serumnatriums zählt zu den häufigsten Problemen hospitalisierter Patienten, wobei auch hier wieder die älteren Semester häufiger betroffen sind. So kann beispielsweise die Verordnung bzw. Dosiserhöhung eines SSRI in Kombination mit Medikamenten, die auf das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System wirken (ACE-Hemmer, Sartane, Spironolakton), zu einem deutlichen Abfall des Serumnatriums führen, mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel und Desorientiertheit.
Vorsicht bei Parkinson
Einige Besonderheiten sind auch in der Parkinsontherapie zu beachten. Die zeitgleiche Einnahme von Eisenpräparaten mit Levodopa plus COMT-Hemmer verringert durch Chelatbildung die Resorption der Parkinsonmedikamente und damit deren Wirkung. Daher Eisen immer 2–3 Stunden nach Levodopa plus COMT-Hemmer einnehmen. Auch Mundtrockenheit, Schluckstörungen, die krankheitsbedingte verlangsamte Magen-Darm-Passage sowie eine entzündete Magenschleimhaut beeinträchtigen Resorption und Wirkeintritt von Levodopa. Domperidon verbessert die gestörte gastrointestinale Mobilität, die Indikation für einen PPI kann bei Bedarf großzügig gestellt werden.
Literatur:
bei der Verfasserin
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