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ASCO-Highlights zum metastasierten Prostatakarzinom
Leading Opinions
Autor:
Arnoud Templeton
Tumorzentrum St. Claraspital Basel<br> E-Mail: arnoud.templeton@claraspital.ch
Autor:
Dr. med. Thomas Schmid
Tumorzentrum St. Claraspital Basel<br> E-Mail: thomas.schmid@claraspital.ch
30
Min. Lesezeit
21.08.2019
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<p class="article-intro">Jedes Jahr werden am Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago die bedeutendsten onkologischen Studien präsentiert. Im folgenden Artikel werden die Highlights zum metastasierten Prostatakarzinom zusammengefasst und kurz kommentiert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Enzalutamid und Apalutamid sind (neben Abirateron und Docetaxel) weitere Optionen zur Ergänzung der Androgendeprivation beim mHSPC.</li> <li>Beim mCRPC verbessert Metformin die Wirkung von Docetaxel nicht und die Kombination von Abirateron und Enzalutamid ist nicht wirksamer als Enzalutamid alleine.</li> <li>Olaparib hat eine hohe Wirksamkeit bei stark vorbehandelten Patienten mit mCRPC, welche «DNA damage repair gene aberrations» aufweisen (z. B. BRCA-Mutation).</li> </ul> </div> <h2>Diagnostik – viel Heterogenität bei PMSA-Expression</h2> <p>Das Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) wird bereits zur Bildgebungsdiagnostik (PSMA-PET/CT) im Alltag genutzt und zur Therapie beim metastasierten kastrationsrefraktären Prostatakarzinom (mCRPC) in Studien evaluiert. In einer retrospektiven Studie wurde auf dem Tumorbiopsiegewebe von 38 Patienten mit metastasiertem kastrationssensitivem Prostatakarzinom (mHSPC) und von 60 Patienten mit mCRPC die Expression der membranösen PSMA (mPSMA) immunhistochemisch untersucht. Dabei wurde die mPSMA-Expression mit molekularen Aberrationen (mit «next generation sequencing») und klinischem Outcome verglichen.<br /> Die mPSMA-Expression war in mCRPC-Biopsien signifikant höher als in mHSPC-Biopsien (medianer H-Score von 55,0 gegenüber 17,5; p = 0,005). Bei 42 % der Biopsien bei mHSPC und bei 27 % der Biopsien mit mCRPC war die immunhistochemische mPSMA-Expression negativ. Bei den Patienten mit einer mPSMA-Expression zeigten sich jedoch beträchtliche Unterschiede in verschiedenen Arealen des Tumorgewebes selber. Auch zwischen verschieden Metastasen eines Patienten gab es heterogene mPSMA-Expressionen. Weiter wurde gezeigt, dass bei mCRPC-Patienten mit einer «DNA damage repair gene aberration » («<em>DDR</em> gene aberration») eine höhere mPSMA-Expression auftrat als bei Patienten ohne <em>DDR</em>-Genaberration (medianer H-Score: 87,5 gegenüber 20; p = 0,016). Insgesamt zeigte sich eine beträchtliche Heterogenität, was die mPSMA-Expression innerhalb eines Patienten («Intrapatient »-Heterogenität), aber auch zwischen verschiedenen Patienten («Interpatient»- Heterogenität) betrifft. Diese Erkenntnisse, obwohl sie aus einer retrospektiven Studie mit einer kleinen Anzahl an Proben stammen, werfen die Frage auf, ob mPSMA-Expression nicht ein dynamischer Prozess mit Implikationen für PSMA-Diagnostik und PSMA-gerichtete Therapien ist. Einerseits sprechen wohl nicht alle Tumoranteile gleich gut auf eine PSMA-gerichtete Therapie an, andererseits könnten z. B. Patienten mit <em>DDR</em>-Gen-Aberrationen mehr von einer PSMA gerichteten Therapie profitieren. Zukünftige prospektive Studien sind nötig, um diese Hypothesen zu evaluieren.<sup>1</sup></p> <h2>Salvage-Behandlung – noch bessere Ergebnisse durch kurze ADT</h2> <p>Bei Patienten mit einem PSA-Anstieg nach Prostatektomie und fehlendem Nachweis von Metastasen (biochemischer Relaps) ist die Salvage-Radiotherapie des Prostatabettes eine Standardbehandlung. Die multizentrische französische GETUG-AFU-16-Studie war eine randomisierte Phase-III-Studie, die prüfte, ob die Hinzunahme einer kurzzeitigen Androgendeprivation zur Salvage-Radiotherapie bei Patienten mit biochemischem Rezidiv einen zusätzlichen Benefit bewirkt. Patienten mussten nach radikaler Prostatektomie ein biochemisches Rezidiv mit einem steigenden PSA von 0,2 bis unter 2,0 μg/l haben (auch wenn meist eine Salvage-Radiotherapie bei PSA < 0,5μg/l empfohlen wird). 743 Patienten wurden 1 : 1 randomisiert in die Gruppe Radiotherapie alleine (RT-Gruppe) oder die Gruppe Radiotherapie plus Hormontherapie (GnRH-Analogon Goserelin für 6 Monate, d. h. 2 Injektionen einer 3-Monatsdepot- Dosis) (Gruppe RT plus HT). Stratifiziert wurde im Vorfeld für Radiotherapie Mortalität und Risikogruppe («low risk»: definiert als Gleason Score < 8, positive Resektionsränder bei Prostatektomie, PSA-Verdopplungszeit über 8 Monate und keine Samenbläscheninfiltration). Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Es zeigte sich ein signifikanter PFS-Benefit für die Gruppe RT plus HT im Vergleich zur RT-Gruppe (5-Jahres-PFS-Rate: 80 % gegenüber 62 %, Hazard-Ratio [HR]: 0,50; p < 0,001). Für den sekundären Endpunkt Gesamtüberleben (OS) zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied (5-Jahres-OS-Rate: RT plus HT Gruppe: 96 %; Gruppe mit alleiniger RT: 95 %; HR: 0,7; p = 0,18). Diese Ergebnisse wurden 2016 in Lancet Oncology publiziert.<sup>2</sup> Am ASCO 2019 wurde nun ein 9-Jahres-Update dieser Studie präsentiert. Das mediane Follow- up lag bei 112 Monaten (9,3 Jahre). Der PFS-Benefit für die Kombinationsgruppe RT plus HT wurde weiterhin bestätigt (HR: 0,54; p < 0,001). Dies galt sowohl für «Low risk»-Patienten (HR: 0,47; 95 % CI: 0,28–0,80) als auch für «High risk»-Patienten (HR: 0,56; 95 % CI: 0,44–0,73). Ebenso war die Rate des metastasenfreien Überlebens nach 10 Jahren signifikant höher im Kombinationsarm (75 % mit RT plus HT gegenüber 69 % mit RT alleine; HR: 0,73; p = 0,034). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich bei Patienten mit biochemischem Rezidiv nach radikaler Prostatektomie das PFS signifikant verlängert. Ob sich dies mit noch längerem Follow-up in Form eines OSBenefits auswirkt, erscheint unwahrscheinlich, bleibt aber abzuwarten.<sup>3</sup></p> <h2>Gute Prognose bei biochemischer Progression ohne Metastasen</h2> <p>Bei Männern mit Relaps eines Prostatakarzinoms nach lokalen Therapiemassnahmen ohne Nachweis von Fernmetastasen ist die Frage nach dem Zeitpunkt des Einsatzes einer Androgendeprivation (ADT) weiterhin unklar. Durch den frühzeitigen Einsatz einer ADT wird bei einem weiteren PSA-Anstieg die Situation des «non-metastatic castration resistant prostate cancer» (nmCRPC) geschaffen. Eine retrospektive Analyse aus dem renommierten John Hopkins Comprehensive Cancer Center in Baltimore erfasste zwischen 1981 und 2017 insgesamt 2636 Patienten mit einem biochemischen Rezidiv nach radikaler Prostatektomie. Patienten, die eine ADT vor Auftreten von Metastasen in der Bildgebung starteten, wurden ausgeschlossen. 1686 Patienten, bei denen die ADT bis zum Zeitpunkt des Auftretens von Metastasen aufgeschoben wurde, konnten auf verschiedene Endpunkte wie OS (vom Zeitpunkt der radikalen Prostatektomie an) und metastasenfreies Überleben (MFS) analysiert werden. 41 % der Patienten (n = 688) erhielten eine Salvage-Radiotherapie. Das mediane MFS betrug 21 (!) Jahre und das mediane OS 22 Jahre, wobei die PSA-Verdoppelungszeit direkt mit MFS und OS korrelierte (Tab. 1).<br /> Die retrospektive Studie zeigt, dass bei Männern mit einem biochemischen Relaps in der M0-Situation bei Aufschub einer ADT das Gesamtüberleben mit mehr als 2 Jahrzehnten sehr lange ist. Insbesondere bei Patienten mit längerer PSA- Verdopplungszeit kann in vielen Fällen gut mit der Einleitung einer ADT bis zum Auftreten von Metastasen zugewartet werden.<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Uro_1902_Weblinks_tab1.jpg" alt="" width="650" height="210" /></p> <h2>Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom (mHSPC)</h2> <p>Die alleinige Androgendeprivationstherapie war lange die Standardbehandlung beim metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinom. Die frühe Ergänzung des Zytostatikums Docetaxel<sup>5</sup> bzw. des Androgen-Biosynthese-Hemmers Abirateron<sup>6</sup> führte zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose dieser Patienten. Zwei Studien wurden nun am ASCO 2019 präsentiert, die untersucht hatten, ob die Hinzunahme von Enzalutamid (ENZAMET- Studie) respektive Apalutamid (TITAN- Studie) ebenfalls zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) führen.</p> <p><strong>Enzalutamid bei mHSPC verbessert Prognose</strong></p> <p>ENZAMET (ANZUP 1304) ist eine akademisch randomisierte Phase-III-Studie, die den oralen «Next generation»-Androgenrezeptor-Hemmer Enzalutamid (160 mg tgl.) in Kombination mit ADT (Arm ENZA) gegenüber älteren, nichtsteroidalen Androgenrezeptorhemmern (NSAA: Bicalutamid, Nilutamid oder Flutamid) in Kombination mit ADT (Arm NSAA) geprüft hat. In beiden Gruppen war die parallele Verabreichung von 6 Zyklen Docetaxel erlaubt. Stratifiziert wurde im Vorfeld unter anderem nach «high volume disease» (definiert gemäss CHAARTED- Studienkriterien als Vorhandensein von viszeralen Metastasen und/oder ≥ 4 Knochenmetastasen mit ≥ 1 Läsion ausserhalb der Wirbelsäule und des Beckens) oder «low volume disease» («High volume»-Kriterien nicht erfüllt) sowie nach geplantem frühzeitigem Einsatz von Docetaxel (ja versus nein). 1125 Männer mit mHSPC wurden 1:1 in die beiden Arme randomisiert. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben. Die Resultate der ersten geplanten Interimsanalyse wurden am ASCO 2019 in der «plenary session» präsentiert (und am gleichen Tag im NEJM publiziert). Die Rate des 3-Jahres-Überlebens war mit 79 % im ENZA - Arm signifikant länger gegenüber 72 % im NSAA-Arm (HR: 0,66; p = 0,002). Dieser Überlebensvorteil zeigte sich in den Subgruppenanalysen für «high volume disease » (3-Jahres-OS-Rate: 71 % [ENZA-Arm] gegenüber 63 % [NSAA-Arm]), HR: 0,74; 95 % CI: 0,55–1,01]) sowie für «low volume disease» (3-Jahres-Überlebens-Rate: 89 % [ENZA-Arm] gegenüber 82 % [NSAA-Arm]; HR: 0,48; 95 % CI: 0,28– 0,80). Betrachtet man die Subgruppenanalyse für Patienten ohne geplanten frühzeitigen Einsatz von Docetaxel, so liegt die Rate des 3-Jahres-Überlebens bei 83 % im ENZA- Arm gegenüber 70 % im NSAA-Arm (HR: 0,51; 95 % CI: 0,36–0,73). In der Subgruppe mit frühzeitigem zusätzlichem Docetaxel-Einsatz (503 Patienten) sind die 3-Jahres-Überlebensraten mit 73 % im ENZA-Arm respektive 74 % im NSAA-Arm (HR: 0,91; 95 % CI: 0,62–1,35) fast gleich (Tab. 2). In der Docetaxel-Subgruppe war zwar das klinische progressionsfreie Überleben im ENZA - Arm gegenüber dem NSAAArm mit einer HR von 0,48 besser, jedoch scheint die Hinzunahme von Enzalutamid zur Behandlung mit ADT mit NSAA in Kombination mit Docetaxel nicht zu einer weiteren Verlängerung des Gesamtüberlebens zu führen. Zudem verursacht die Kombination von Enzalutamid und Docetaxel mehr Toxizität (ENZA-Arm plus Docetaxel: 9 % sensorische Polyneuropathie Grad 2, 20 % Fatigue Grad 2, 10 % Verfärbung der Nägel).<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Uro_1902_Weblinks_tab2.jpg" alt="" width="650" height="321" /></p> <p><strong>Apalutamid bei mHSPC verbessert Prognose</strong></p> <p>Die TITAN-Studie ist ebenfalls eine randomisierte Phase-III-Studie, die den oralen «Next generation»-Androgenrezeptor-Hemmer Apalutamid plus ADT gegenüber ADT alleine untersucht hat. Vorhergehende (aber nicht gleichzeitige) Therapie mit Docetaxel war erlaubt. Stratifiziert wurde nach Gleason Score bei Diagnose, Region und vorhergehender Docetaxel-Therapie (ja versus nein). Die dualen primären Endpunkte waren das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS) und das Gesamtüberleben. 1052 Patienten wurden 1 : 1 randomisiert in den Arm Apalutamid (240 mg tgl.) plus ADT (Arm APA) oder in den Arm Placebo plus ADT (Arm Placebo). Am ASCO 2019 wurde die erste geplante OS-Interimsanalyse vorgestellt (und zeitgleich im NEJM publiziert). Insgesamt 11 % der Patienten (n = 113) hatten zuvor eine Therapie mit Docetaxel erhalten. 67 % der Patienten hatten eine «high volume disease». Das rPFS war signifikant länger im Arm APA als im Arm Placebo (Arm APA: medianes rPFS noch nicht erreicht; Arm Placebo: 22,1 Monate; HR: 0,48; p < 0,001). Das Gesamtüberleben war ebenfalls signifikant länger im Arm APA (2-Jahres-OS-Rate: 82 %) gegenüber dem Arm Placebo (2-Jahres-OS-Rate: 74 %), HR von 0,67; p = 0,005. Dieser Benefit war in der «High volume»-Subgruppe (HR: 0,68; 95 % CI: 0,50–0,92) und der «Low volume »-Subgruppe (HR: 0,67; 95 % CI: 0,34– 1,32) sichtbar. Betrachtet man die prästratifizierte Subgruppe mit vorhergegangener Docetaxel-Therapie, so zeigt sich für diese Subgruppe erneut kein OS-Benefit (Arm APA vs. Arm Placebo: HR: 1,27; 95 % CI: 0,52–3,09). In dieser Subgruppe war zwar ebenfalls das rPFS höher (Arm APA vs. Arm Placebo HR: 0,47; 95 % CI: 0,22–1,01). Jedoch scheinen Patienten mit mHSPC, die zuvor eine Docetaxel-Therapie erhalten hatten, bezüglich des Gesamtüberlebens nicht von einer Intensivierung der ADT mit Apalutamid zu profitieren.<sup>8</sup></p> <h2>Spezielle Patientenpopulation: Patienten mit vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen</h2> <p>Eine ADT kann das Risiko für kardiale Ereignisse erhöhen. Retrospektive Analysen zeigten, dass bei Patienten mit vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen «Gonadotropin releasing hormone»(GnRH)-Antagonisten ein geringeres Risiko für das Auftreten von kardialen Ereignissen aufweisen als GnRH-Agonisten.<sup>9</sup> Diese Hypothese wurde nun prospektiv in einer randomisierten Open-Label-Studie untersucht, die als Poster am ASCO 2019 gezeigt wurde: 80 Patienten mit Prostatakarzinom und vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden 1:1 in eine GnRH-Agonisten-Gruppe sowie eine GnRH-Antagonisten-Gruppe randomisiert. Der primäre Endpunkt war die 1-Jahres-Inzidenz an «major cardiovascular and cerebrovascular events» (MACCE). MACCE war definiert als Tod, Myokardinfarkt, zerebrovaskuläres Ereignis oder Durchführung einer perkutanen koronaren Intervention. Insgesamt trat bei 15 Patienten während des Follow-ups ein neues kardiovaskuläres Ereignis ein, davon hatten 9 Patienten ein MACCE (2 Todesfälle, 1 Myokardinfarkt, 2 zerebrovaskuläre Events und 4 perkutane koronare Interventionen). Von den Patienten mit einem MACCE waren 8 Patienten (20 %) in der Gn- RH-Agonisten-Gruppe und nur 1 Patient (3 %) in der GnRH-Antagonisten Gruppe (Log-Rank p = 0,013). Dies resultierte in einer Reduktion des absoluten Risikos für das Auftreten eines MACCE nach 12 Monaten um 18 % bei Einsatz eines GnRH-Antagonisten im Vergleich zum Einsatz eines Gn- RH-Agonisten. Angesichts dieser Daten ist bei Patienten mit einer vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankung der Einsatz eines GnRH-Antagonisten zu erwägen.<sup>10</sup></p> <h2>Nicht metastasiertes kastrationsrefraktäres Prostatakarzinom (nmCRPC)</h2> <p><strong>Darolutamid verlängert MFS und Lebensqualität<br /></strong>Eine nicht metastasierte kastrationsrefraktäre Situation (nmCRPC) entsteht meist bei Männern, die nach PSA-Rezidiv eine ADT erhalten und bei denen darunter eine PSA-Progression bei fehlendem Metastasennachweis auftritt (in der Computertomografie und Knochenszintigrafie). Drei randomisierte Phase-III-Studien zeigten für die oralen «Next generation»-Androgenrezeptor- Hemmer Apalutamid (SPARTAN-Studie)<sup>11</sup>, Enzalutamid (PROSPER- Studie)<sup>12</sup> und Darolutamid (ARAMIS-Studie)<sup>13</sup> eine Verlängerung des metastasenfreien Überlebens (MFS) um knapp 2 Jahre (bei bisher formal fehlendem Nachweis einer Verlängerung des Gesamtüberlebens).<br /> Am ASCO 2019 wurden nun «Quality of life»-Daten aus der ARAMIS-Studie mit Darolutamid präsentiert. In der ARAMIS-Studie wurden 1509 Patienten mit nmCRPC 2 : 1 randomisiert in einen Darolutamid- Arm (Darolutamid 600 mg po 2 x tgl.) oder einen Placebo-Arm. In beiden Armen wurde die ADT fortgeführt. Der primäre Endpunkt war das MFS. Weitere Endpunkte waren unter anderem die Zeit bis zur Schmerzprogression («time to pain progression »), gemessen mit dem «Brief Pain Inventory Short Form»), sowie die «quality of life», gemessen mit dem EORTC-QLQ-PR25. In der Darolutamid-Gruppe zeigte sich eine signifikante Verlängerung der Zeit bis zur Schmerzprogression im Vergleich zur Placebo- Gruppe (40,3 vs. 25,4 Monate; HR: 0,65; p < 0,001). Die Zeit bis zur Verschlechterung von Harnwegsbeschwerden («urinary symptoms») gemessen anhand des EORTC-QLQ-PR25 war ebenfalls signifikant verlängert (25,8 gegenüber 14,8 Monaten; HR: 0,64; p < 0,01). Als interessanter Aspekt ist zu erwähnen, dass die Anzahl an Krampfanfällen («seizures») in der Darolutamid- Gruppe gleich hoch wie in der Placebo- Gruppe war (0,2 % gegenüber 0,2 %). Die Lebensqualität ist ein sehr wichtiger Parameter beim Einsatz einer Therapie in einer nicht metastasierten Tumorsituation. Darolutamid scheint gemäss diesen Daten gut verträglich zu sein und verlängert die Zeit bis zur Schmerzprogression im Vergleich zu Placebo.<sup>14</sup></p> <h2>Metastasiertes kastrationsrefraktäres Prostatakarzinom (mCRPC)</h2> <p><strong>Kein Vorteil von Metformin in Ergänzung zu Docetaxel</strong><br /> Präklinische Modelle sowie retrospektive Daten wiesen auf eine mögliche Antitumoraktivität von Metformin bei Prostatakarzinom hin.<sup>15, 16</sup> Dies wurde nun prospektiv in der randomisierten französischen multizentrischen Phase-II-Studie TAXOMET evaluiert. Die Studie untersuchte die Hinzugabe von Metformin zu Docetaxel gegenüber Docetaxel alleine bei Patienten mit mCRPC ohne Diabetes mellitus. 99 Patienten wurden 1 : 1 in die Gruppe Metformin (850 mg 2x tgl.) plus Docetaxel (75 mg/m2 alle 21 Tage plus Prednison 5 mg 2x tgl.) oder die Gruppe Placebo plus Docetaxel (gleiche Dosierung) randomisiert. Der primäre Endpunkt war die PSA-Ansprechrate (definiert als ≥ 50 % Abfall). Es wurde kein Unterschied in der PSA-Ansprechrate zwischen den beiden Gruppen gefunden (in beiden Gruppen 72 %). Auch für die sekundären Endpunkte objektive Ansprechraten, klinisches oder biologisches mPFS und mOS oder «quality of life» (anhand des QLQ-C30-Fragebogen) gab es keine Unterschiede. Auch die Nebenwirkungen waren vergleichbar zwischen den beiden Armen, mit Ausnahme, dass es einen Trend zu mehr Diarrhö in der Metformin- Gruppe gab (70 % im Metformin- Arm gegenüber 50 % im Placebo- Arm; p = 0,072). Als Schlussfolgerung lässt sich sagen, dass die Hinzunahme von Metformin zur Standardchemotherapie bei mCRPC keinen klinischen Nutzen aufweist.<sup>17</sup></p> <p><strong>Alpharadin plus Enzalutamid: An die Knochen denken</strong><br /> Skelettfrakturen treten bei Patienten mit mCRPC und systemischen Therapien gehäuft auf. Die ERA-223-Studie, die Abirateron in Kombination mit Radium-223 gegenüber Abirateron allein untersuchte, musste aufgrund einer signifikant höheren Rate an Skelettfrakturen (und vermehrten Todesfällen) im Kombinationsarm vorzeitig abgebrochen werden.<sup>18</sup> Nach der vorzeitigen Beendigung der ERA-223-Studie stellte sich die Frage, ob der Einsatz eines knochenstabilisierenden Medikamentes («bone protecting agent», BPA) die Rate an Frakturen gesenkt hätte und ob das Risiko für die Häufung von Frakturen auch für die Kombination Enzalutamid/Radium-223 gilt. So wurde für die Studie EORTC 1333-GUCG/PEACE III (ENZA plus Ra-223 vs. ENZA) ein Amendment erlassen, das festlegte, dass alle Patienten zusätzlich mit einer BPA-Therapie beginnen mussten.<br /> Am ASCO 2019 wurde nun eine Safety-Interims-Analyse zur Skelettfrakturhäufigkeit bei 146 Patienten präsentiert. Vor dem Safety-Amendment erhielten insgesamt 43 % der Studienteilnehmer ein BPA, nach dem Amendment 87 %. Die kumulative Inzidenz von Knochenbrüchen war bei Männern ohne BPA sehr hoch, wohingegen bei Männern mit BPA praktisch keine Knochenbrüche auftraten (Tab. 3). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch die Kombinationsbehandlung mit Enzalutamid plus Ra-223 (bis dato ist der Einsatz nur in Studien empfohlen, Effektivitätsdaten fehlen zurzeit) mit einer sehr hohen Frakturgefahr einhergeht, wenn kein BPA eingesetzt wird.<sup>19</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Uro_1902_Weblinks_tab3.jpg" alt="" width="650" height="220" /></p> <p><strong>Abirateron plus Enzalutamid: Mehr hilft nicht mehr</strong><br /> Enzalutamid sowie Abirateron sind etablierte Erstlinientherapien bei mCRPC. Die randomisierte Studie ALLIANCE A031201 hat die Kombination von Enzalutamid plus Abirateron gegenüber Enzalutamid alleine untersucht. Der primäre Endpunkt war das OS. 1311 Männer mit mCRPC wurden 1:1 randomisiert in die Gruppe Enzalutamid (160 mg p. o. tgl.) plus Abirateron (1000 mg p. o. tgl. plus Prednison 5 mg p. o. 2 x tgl.) (Gruppe ENZA plus AAP) sowie die Gruppe Enzalutamid (160 mg p. o. tgl.) (Gruppe ENZA). ADT wurde in beiden Gruppen weitergeführt. Das mediane OS war in beiden Gruppen nicht unterschiedlich (ENZA plus AAP: 32,7 Monate, ENZA alleine: 33,6 Monate). Die Kombination verursachte jedoch mehr Nebenwirkungen («adverse events» Grad 3–5 ENZA plus AAP: 69 %, ENZA alleine: 56 %). Die Kombination von Enzalutamid und Abirateron ist klar nicht zu empfehlen.<sup>20</sup></p> <p><strong>Bestätigung der Wirksamkeit von Olaparib bei <em>BRCA</em>-Mutationen (und anderen)</strong><br /> In einer 2015 publizierten Phase-II-Studie (TOPARP-A) bei stark vorbehandelten, molekular nicht selektierten mCRPC-Patienten zeigte der PARP-Hemmer Olaparib (400 mg p. o. 2 x tgl.) Antitumoraktivität. Das Ansprechen war bei Patienten mit «DNA damage repair gene aberrations», <em>DDR</em>-Gen-Aberrationen, deutlich höher.<sup>21</sup> DDR-Gen-Aberrationen («germline» oder somatisch) umfassen neben <em>BRCA1/2</em>-Aberrationen weitere Aberrationen wie<em> ATM</em>,<em> PALB2</em> oder <em>CDK12</em> und liegen bei etwa 12 % der Männer mit metastasiertem Prostatakarzinom vor.<sup>22</sup> In der am ASCO 2019 präsentierten Phase-II-Studie TOPARP-B wurden Patienten mit mCRPC und nachgewiesenen pathogenen<em> DDR</em>-Aberrationen eingeschlossen («germline» oder somatisch, bi- oder monoallelisch).98 Patienten wurden dabei 1 : 1 in zwei Gruppen mit unterschiedlicher Olaparib-Dosierung (400 mg p. o. 2 x tgl. oder 300 mg p. o. 2 x tgl.) randomisiert (sogenanntes «Pick the winner»-Design). Der primäre Endpunkt war die Ansprechrate, definiert als radiologisches Ansprechen nach RECIST 1.1 und/oder PSA-Ansprechen (definiert als Abfall ≥ 50 % ) und/oder Reduktion des «circulating tumor-cell count» (zirkulierende Tumorzellen von ≥ 5 Zellen/7,5 ml Blut zu < 5 Zellen/7,5 ml Blut). Die Patienten waren stark vorbehandelt: 99 % hatten zuvor Docetaxel erhalten, 90 % Enzalutamid oder Abirateron und 38 % Cabazitaxel. Die gesamte Ansprechrate lag bei 54 % im ersten Olaparib-Arm (400 mg, 2 x tgl.) und 37 % im zweiten Olaparib (300 mg, 2 x tgl.). Das mPFS lag insgesamt bei 5,4 Monaten. Subgruppenanalysen zeigten für Patienten mit einer<em> BRCA1/2</em>-Mutation die höchste Ansprechrate mit 80 % (24 von 30 Patienten). Das mPFS lag für Patienten mit <em>BRCA1/2-</em>Aberrationen bei 8,1 Monaten. Bei Patienten mit stark vorbehandeltem mCRPC zeigt Olaparib eine Tumoraktivität insbesondere bei <em>BRCA1/2</em>-Aberrationen, aber auch bei anderen DDR-Aberrationen und wird in Phase-III-Studien weiter untersucht.<sup>23</sup></p></p>
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<p><strong>1</strong> Paschalis A et al.: PSMA heterogeneity and DNA repair defects in prostate cancer. J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr 5002) <strong>2</strong> Carrie C et al.: Salvage radiotherapy with or without short-term hormone therapy for rising prostatespecific antigen concentration after radical prostatectomy (GETUG-AFU 16): a randomised, multicentre, open-label phase 3 trial. Lancet Oncol 2016; 17 (6): 747-56<strong> 3</strong> Carrie C et al.: Interest of short hormonotherapy (HT) associated with radiotherapy (RT) as salvage treatment for metastatic free survival (MFS) after radical prostatectomy (RP): Update at 9 years of the GETUG-AFU 16 phase III randomized trial (NCT00423475). J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr 5001)<strong> 4</strong> Marshall CH et al.: Outcomes of men with recurrent M0 prostate cancer who defer androgen deprivation therapy until metastasis. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr 5016) <strong>5</strong> Sweeney CJ et al.: Chemohormonal therapy in metastatic hormone-sensitive prostate cancer. N Engl J Med 2015; 373(8): 737-746 <strong>6</strong> Fizazi K et al.: Abiraterone plus prednisone in metastatic, castration-sensitive prostate cancer. N Engl J Med 2017; 377(4): 352-60 <strong>7</strong> Sweeney C et al.: Overall survival (OS) results of a phase III randomized trial of standard-of-care therapy with or without enzalutamide for metastatic hormone-sensitive prostate cancer (mHSPC): ENZAMET (ANZUP 1304), an ANZUP-led international cooperative group trial. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr LBA2) <strong>8</strong> Chi KN et al.: First results from TITAN: A phase III double-blind, randomized study of apalutamide (APA) versus placebo (PBO) in patients (pts) with metastatic castration-sensitive prostate cancer (mCSPC) receiving androgen deprivation therapy (ADT). J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr 5006) <strong>9</strong> Albertsen PC et al.: Cardiovascular morbidity associated with gonadotropin releasing hormone agonists and an antagonist. Eur Urol 2014; 65(3): 565-73<strong> 10</strong> Margel D et al.: Cardiovascular morbidity in a randomized trial comparing GnRH-agonist and antagonist among patients with advanced prostate cancer. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr 5015) <strong>11</strong> Smith MR et al.: Apalutamide treatment and metastasis- free survival in prostate cancer. N Engl J Med 2018; 378(15): 1408-18 <strong>12</strong> Hussain M et al: Enzalutamide in men with nonmetastatic, castration-resistant prostate cancer. N Engl J Med 2018; 378(26): 2465-74 <strong>13</strong> Fizazi K et al.: Darolutamide in nonmetastatic, castration-resistant prostate cancer. N Engl J Med 2019; 380(13): 1235-46 <strong>14</strong> Fizazi K et al.: Impact of darolutamide (DARO) on pain and quality of life (QoL) in patients (Pts) with nonmetastatic castrate-resistant prostate cancer (nmCRPC). J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr 5000) <strong>15</strong> Ben Sahra I et al.: The antidiabetic drug metformin exerts an antitumoral effect in vitro and in vivo through a decrease of cyclin D1 level. Oncogene 2008; 27(25): 3576-86 <strong>16</strong> Margel D et al.: Metformin use and all-cause and prostate cancer-specific mortality among men with diabetes. J Clin Oncol 2013; 31(25): 3069-75 <strong>17</strong> Martin MP et al.: TAXOMET: A French prospective multicenter randomized controlled phase II study comparing docetaxel plus metformin versus docetaxel plus placebo in mCRPC. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr 5004) <strong>18</strong> Smith M et al.: Addition of radium-223 to abiraterone acetate and prednisone or prednisolone in patients with castration-resistant prostate cancer and bone metastases (ERA 223): a randomised, double-blind, placebo- controlled, phase 3 trial. Lancet Oncol 2019; 20(3): 408-19 <strong>19</strong> Tombal BF et al.: Decreased fracture rate by mandating bone-protecting agents in the EORTC 1333/ PEACE III trial comparing enzalutamide and Ra223 versus enzalutamide alone: An interim safety analysis. J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr 5007) <strong>20</strong> Morris MJ et al.: Alliance A031201: A phase III trial of enzalutamide (ENZ) versus enzalutamide, abiraterone, and prednisone (ENZ/AAP) for metastatic castration resistant prostate cancer (mCRPC). J Clin Oncol 2019, 37 (suppl; abstr 5008) <strong>21</strong> Mateo J et al.: DNA-repair defects and olaparib in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 2015; 373(18): 1697-708 <strong>22</strong> Pritchard CC et al: Inherited DNA-repair gene mutations in men with metastatic prostate cancer. N Engl J Med 2016; 375(5): 443-53 <strong>23</strong> Mateo J et al.: TOPARP-B: A phase II randomized trial of the poly(ADP)-ribose polymerase (PARP) inhibitor olaparib for metastatic castration resistant prostate cancers (mCRPC) with DNA damage repair (DDR) alterations. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr 5005)</p>
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